Süddeutsche Zeitung

Soft Skills im Studium:Wer flirten kann, ist teamfähig

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Warum sollten IT-Studenten flirten üben? Ganz einfach: Weil sie dabei lernen, sich gut zu verkaufen. Und solche sogenannten Soft Skills muss heute jeder Absolvent draufhaben, um fit für den Berufsalltag zu sein.

Ein Studium besteht heute nicht mehr nur daraus, Bücher zu wälzen und Formeln zu pauken. An immer mehr Hochschulen stehen Kurse auf dem Lehrplan, in denen "Soft Skills" wie Kommunikations- und Teamfähigkeit vermittelt werden. "Es reicht nicht, nur Fachwissen zu erwerben", erklärt Birgit Roßmanith vom Zentrum für Schlüsselkompetenzen an der Universität in Saarbrücken. Studenten müssten auch in der Lage sein, dieses Wissen später im Beruf einzubringen.

Das lässt sich durchaus lernen. Soft Skills sind dabei sowohl im Berufsleben als auch im Studium wichtig. Denn gerade in den verschulten Bachelorstudiengängen sind gutes Zeitmanagement und Stressresistenz unerlässlich. Und später müssen Absolventen sich gut verkaufen können, um einen Job zu finden. Denn keine Firma will einen verstockten Fachidioten haben. In der Betriebspraxis sind vielmehr Experten gefragt, die schwierige Dinge verständlich erklären können und Teamplayer sind.

Um Studenten soweit zu bringen, haben sich Hochschulen inzwischen eine ganze Menge ausgedacht. Einiges davon hört sich erst einmal kurios an: Am Hasso-Plattner-Institut an der Uni Potsdam konnten angehende IT-Ingenieure in den vergangenen Semestern sogar das Flirten per SMS und E-Mail üben. "Flirten ist ja eine Form, das Interesse des anderen zu wecken - das lässt sich auch auf die Berufswelt übertragen", erläutert Institutssprecher Hans-Joachim Allgaier. So müsse ein Informatiker einen Manager "charmant davon überzeugen können, dass er ein neues, vielleicht sogar teures IT-System braucht."

Das Flirttraining ist aber nur eines von vielen Angeboten im "Soft-Skills-Programm" des Instituts. Darauf stehen auch Themen wie Schlagfertigkeit, Business-Etikette oder das Einmaleins des Weins. Ziel des Ganzen sei es, Absolventen auszubilden, die "rundum fit für den Business-Alltag" sind, sagt Allgaier. Dadurch müssten diese keinen Praxisschock beim Berufseinstieg fürchten.

Mancher mag solche Angebote belächeln. "Der Erfolg gibt uns aber recht", sagt Allgaier. Denn erstens seien solche Kurse bei Studenten sehr gefragt. "Die Hörsäle sind dabei immer gut gefüllt." Und zweitens werden Soft Skills mittlerweile an immer mehr Hochschulen gelehrt. Denn im Zuge der Bolognareform soll ein Studium heute stärker als früher auf die "Employability", also die Beschäftigungsfähigkeit von Absolventen abzielen, wie die Hochschulrektorenkonferenz in Bonn erläutert. Daher gibt es in Bachelorstudiengängen sogenannte berufsqualifizierende Module.

Aber lassen sich Soft Skills wie Teamfähigkeit überhaupt lernen? Ja, sagt Birgit Roßmanith: "Davon bin ich überzeugt." Zwar falle es manchen leichter als anderen, zum Beispiel sich zu präsentieren und geschliffen zu reden. "Manche sind da Naturbegabungen, anderen ist das nicht gottgegeben." Vieles lasse sich aber trainieren. "Da heißt es also: üben, üben, üben." Auch gebe es durchaus Leitlinien, die helfen, "weiche" Fähigkeiten zu erlernen, meint Roßmanith. Die Rhetorik haben zum Beispiel schon Aristoteles und Cicero eingehend analysiert. Und auch das Thema Teamfähigkeit lasse sich durch Fachwissen erschließen. "Da ist es wichtig zu wissen, wie Gruppenprozesse strukturell ablaufen und dass Konfliktphasen ganz normal sind."

In Saarbrücken wird zum Beispiel "Interkulturelles Teambuilding als Outdoor-Training" angeboten. Heißt das, Leute aus verschiedenen Ländern zelten gemeinsam und halten anschließend eine japanische Teezeremonie ab? Das könne es auch bedeuten, erklärt Roßmanith. Die Idee sei jedenfalls, Studenten in einer Gruppe Aufgaben im Freien lösen zu lassen, damit sie zueinanderzufinden. So lernen sie, ein Team zu entwickeln, Probleme zu lösen und ein Projekt zu managen. Eine Übung könne dabei sein, in einem Wald ein bestimmtes Ziel zu finden oder eine Brücke zu bauen.

Andere "Skills" wie Konfliktfähigkeit ließen sich etwa in Rollenspielen üben, erläutert Roßmanith. "Man kann zum Beispiel durchspielen, wie es ist, wenn ein Kollege zum Chef aufsteigt." Das kann im Beruf leicht zu Auseinandersetzungen führen, wenn die anderen den neuen Vorgesetzten nicht akzeptieren.

Einige Angebote klingen dagegen zunächst banal: "Effektiv lesen" bietet die Zentralstelle für Schlüsselkompetenzen der Uni Bonn an. Dass Studienanfänger so etwas können, ist aber keine Selbstverständlichkeit, wie die Pisa-Tests bei Schülern ergeben haben. Solche "Basic Skills" noch einmal richtig zu lernen, kann sich daher lohnen. Denn wer sich dabei schwertut, Texte zielgerichtet zu durchforsten und schnell zu erfassen, dürfte am Bücherberg seiner ersten Hausarbeit schnell scheitern.

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