Süddeutsche Zeitung

Social Media Recruiting:Bewerbersuche über Youtube und Facebook

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Die Zeiten, in denen Personaler gemütlich Lebensläufe sichten, um den besten Bewerber herauszupicken, sind vorbei. Sie müssen dahin gehen, wo sich auch die besten Kandidaten herumtreiben: in die sozialen Netzwerke des Internets.

Von Maria Fiedler

In der Mitte des Flusses steht ein Mann: Er trägt Pfeil und Bogen in der Hand und hält Ausschau nach Fischen. Darüber steht die Zeile "Recruiter morgen". Ein einprägsames Bild - doch trifft es auch zu? "Der Personaler von morgen muss ein Jäger sein und genau wissen, wo sich seine Zielgruppe aufhält", sagt Tobias Kärcher. Er arbeitet für die Digitalagentur Wollmilchsau GmbH und hilft Unternehmen dabei, potenzielle Bewerbergruppen im Netz anzusprechen.

Kärcher ist davon überzeugt, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Personaler am Schreibtisch gemütlich Bewerbungen sichten und sich die besten Kandidaten herauspicken. "Mittlerweile muss der Personaler einen offenen Job regelrecht bewerben, um die richtigen Fachkräfte anzuziehen", sagt Kärcher.

Mit Ständen auf Karrieremessen, Inseraten in Zeitungen und Anzeigen auf Online-Jobportalen machen Unternehmen schon lange auf sich als Arbeitgeber und ihre freien Stellen aufmerksam. So wichtig diese klassischen Wege sind - sie allein reichen heute nicht mehr aus, meint Klaus Eck. Der Münchner Unternehmensberater ist einer von Deutschlands führenden Social-Media-Experten. Er ist davon überzeugt, dass es für Firmen von immer größerer Bedeutung ist, Bewerber in den sozialen Kanälen im Internet für sich zu gewinnen.

Auch Twitter, Google+ und Xing eignen sich zur Kontaktaufnahme

"Gerade die Digital Natives, also junge Leute, die mit dem Internet aufgewachsen sind, müssen in den sozialen Netzwerken früh abgeholt werden", sagt Eck. Auf diesen Nachwuchs seien die Unternehmen angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels angewiesen.

"Social Media Recruiting" lautet das Zauberwort im Personaler-Jargon. "Wir beobachten diesen Trend verstärkt seit drei bis vier Jahren, 2012 hat das Ganze dann noch einmal kräftig zugelegt", sagt Michael Heidelberger, der beim Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) Vorsitzender des Fachverbandes Personalberatung ist.

Der Vorteil dieser Vorgehensweise sei, dass in den sozialen Netzwerken der direkte Kontakt zur Zielgruppe möglich sei. Eine große Zahl von Unternehmen habe deshalb mittlerweile professionelle Seiten auf Facebook, wo offene Stellen gepostet würden und man einen Dialog mit potenziellen Bewerbern führe. Auch Twitter, Google+ und Xing eigneten sich zur Kontaktaufnahme.

"Je unbekannter ich bin, desto mehr Mühe muss ich mir geben"

"Wichtig für eine erfolgreiche Recruiting-Strategie auf den sozialen Kanälen ist ein klar definiertes Anforderungsprofil und eine Zielgruppe", sagt Heidelberger. Wenn man wisse, wen man suche und wo sich derjenige im Netz aufhalte, könne man die richten Kanäle für die Kampagne auswählen. "Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich Mediziner beispielsweise nicht unbedingt bei Xing aufhalten, auf Facebook dagegen schon", weiß Kärcher.

Zudem sei es für die Unternehmen wichtig, festzulegen, wie mit den Nutzern kommuniziert werden soll. Einige produzierten beispielsweise kleine Filme für die Video-Plattform Youtube, in denen Mitarbeiter des Unternehmens sich und ihre Arbeit vorstellen. Dieses Material werde dann auf Facebook oder in einem Blog geteilt. Aber auch Bilder aus dem Unternehmen würden etwa über die Foto-Sharing-Applikation Instagram ins Netz gestellt und bei Facebook weiterverbreitet. "Diese Häppchen geben den potenziellen Bewerbern einen Einblick in den Arbeitsalltag der Firma", sagt Kärcher.

Das ist laut Social-Media-Experte Eck vor allem für kleinere und mittelständische Unternehmen wichtig, die keine populäre Arbeitgebermarke haben. "Im Grunde gilt: Je unbekannter ich bin, desto mehr Mühe muss ich mir geben, um sichtbar zu werden." Als positives Beispiel nennt er hier die Krones AG, ein Getränketechnik-Konzern aus Neutraubling bei Regensburg, der eine erfolgreiche Arbeitgebermarke auf den sozialen Kanälen aufgebaut habe. Kärcher weist auf die Deutsche Flugsicherung in München hin, die ebenfalls mit geringem Budget in den sozialen Netzwerken einiges habe erreichen können.

Social Media Recruiting kostet Zeit und Geld

Verstärkt setzen Unternehmen auch auf die Hilfe ihrer Angestellten als Markenbotschafter beim Ansprechen geeigneter Bewerber im Netz, hat Eck beobachtet. Wenn ein Unternehmen auf eine freie Stelle hinweise, könnten die Mitarbeiter das beispielsweise auf Facebook teilen oder gezielt Mitglieder aus ihrer Freundesliste darauf ansprechen. Das sei authentisch, und die Stellenausschreibung bekomme eine höhere Reichweite, so Eck. Laut BDU-Mann Heidelberger steigert es zudem die Qualität der Bewerbungen, wenn gezielt passende Zielgruppen angesprochen würden und diese sich über die sozialen Netzwerke schon mit dem Unternehmen vertraut gemacht hätten.

Doch so einfach, wie es klingt, ist es in der Praxis oft nicht. Denn um bei der Personalsuche im Netz erfolgreich zu sein, müssen die Unternehmen erst einmal Arbeitskraft investieren. "Tatsächlich fehlt es in vielen Unternehmen am Budget und an der Manpower. Das hängt an Entscheidungen des Managements", sagt Kärcher.

Wenn aber nicht genügend Mitarbeiter dafür zuständig seien, auf Nutzeranfragen in den sozialen Kanälen zu reagieren, mache das bei den möglichen Bewerbern einen schlechten Eindruck, sagt Heidelberger. Sein Fazit ist deshalb: "Unternehmen müssen sich dessen bewusst sein, dass Social Media Recruiting Zeit und Geld kostet. Investiert man das nicht, kann man sich das Ganze auch sparen."

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SZ vom 21.09.2013
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