Situation von Hausangestellten weltweit:Rechtlos und ausgebeutet

Aus finanzieller Not schickten ihre Eltern Tenaye Teklewold als Hausmädchen nach Dubai. Zurück kam sie in einem Sarg, man hatte ihr alle Organe entnommen. Der Fall ist extrem - doch Erfahrungen mit Ausbeutung und Gewalt machen viele der mehr als 50 Millionen Hausangestellten weltweit. Selbst in Deutschland sind sie schlechter gestellt als andere Arbeitnehmer.

Von Sibylle Haas, Tobias Matern und Karin Steinberger

Als sie zurückkam von ihrer Reise hin zum Geld, lag sie in weiße Watte gepackt. Das Haar umrahmte ihr Kindergesicht, wild und unkämmbar. Um den Hals lag ein blaues Band, wie eine Kette. Von ihrem Kinn zog sich eine Narbe bis zur Scham, quer durch das Kind. Wie ein Stück Vieh hatte man es aufgeschnitten, zweigeteilt und ausgenommen, dann zugenäht mit groben Stichen.

So kam Tenaye Teklewold zu ihren Eltern nach Addis Abeba zurück, ohne Organe, ausgenommenes Menschenmaterial. Meistbietend verhökert. Sie habe sich erhängt, Heimweh, das übliche, sagte man zur Familie und nagelte den Sarg fest zu, den man von Dubai zurück in die Heimat schickte, in der Hoffnung, dass ihn nie mehr einer öffnen würde.

700 Dollar hatten die Eltern dem Nachbarn bezahlt dafür, dass er sie zu "den Arabern" brachte, als Hausmädchen. Sie hatte das Geld gerade abgearbeitet, als sie nach Hause kam, in Watte gepackt und mit Watte gefüllt. Die Eltern stehen in ihrem winzigen Zimmer, starren das Foto an, das sie seitdem mit sich tragen, das aufgeschlitzte Kind. Mehr wissen sie nicht von diesem Dubai, das ihnen immer als Paradies verkauft wurde und das ihr Kind jetzt ausgespuckt hat wie einen abgenutzen Putzlumpen.

Der Fall ist extrem. Sicher. Doch in vielen Ländern werden Hausangestellte schlecht behandelt, manchmal sogar wie Sklaven gehalten.

"Anfällig für Ausbeutung und Missbrauch"

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) prangert derart menschenverachtende Zustände scharf an. "Die fehlenden Rechte, die Abhängigkeit vom Arbeitgeber und der isolierte und ungeschützte Arbeitsplatz - all dies macht Hausangestellte besonders anfällig für Ausbeutung und Missbrauch", erklärte die stellvertretende ILO-Generaldirektorin Sandra Polaski in Genf.

Die UN-Sonderorganisation hat zum ersten Mal die Lage der Hausangestellten weltweit untersucht. Die Ergebnisse sind erschreckend. Gewalt und Diskriminierung sind nicht selten. Die ILO fordert von den Staaten einen deutlich besseren Schutz.

Rechtlosigkeit und die Angst, den Job zu verlieren, macht Hauspersonal oft hilflos. Viele arbeiteten laut ILO in fremden Ländern, wo sprachliche und kulturelle Barrieren ihr Leben erschweren. Sie verdienen lausig und brauchen das bisschen Geld dennoch, damit ihre Familien daheim nicht verhungern. So ähnlich war das auch bei der jungen Tenaye Teklewold aus Addis Abeba, deren Eltern nichts anderes übrig blieb, als sie ins vermeintlich bessere Ausland zu schicken.

Die Arbeitgeber nutzen diese Notlage beschämend oft aus. Wie in Indien etwa. Dort ist es üblich, dass die Mittel- und Oberschicht Haushaltshilfen mit einem Hungerlohn abspeist. "Diejenigen, die es sich eigentlich leisten könnten, zahlen besonders mies", sagt ein Sozialaktivist in Delhi. Auch ist es weit verbreitet, dass Kinder bei Privatleuten arbeiten, weil sie ganz besonders billig und gefügig sind.

Begehrt sind Jobs in Ausländer-Haushalten, weil diese normalerweise mehr als üblich zahlen. Das jedoch kann dazu führen, dass man Ärger mit Einheimischen bekommt. Eine Putzfrau in Delhi kann von einem ausländischen Privatmann gut 2000 Rupien (etwa 28 Euro) für 50 Stunden Arbeit im Monat verlangen. Inder reagieren darauf oft sauer, weil die westlichen Ausländer mit so "hohen Gehältern die Preise versauen". Einheimische Arbeitgeber zahlen dagegen oft weniger als die Hälfte und die Putzfrauen beschweren sich trotzdem nicht.

83 Prozent der Hausangestellten sind Frauen

Die ILO hat für ihren Bericht Daten aus 117 Ländern ausgewertet. Sie schätzt, dass mindestens 52 Millionen Menschen als Hausangestellte arbeiten, etwa als Köche, Kindermädchen, Reinigungskräfte, Gärtner und Chauffeure. Davon ein Großteil (zusammen 40 Millionen) in Asien und Lateinamerika.

Schwarzarbeit in privaten Haushalten oder legaler Minijob

Mehr als 2,5 Millionen Haushalte in Deutschland beschäftigen Schätzungen zufolge Hausangstellte auf Teilzeitbasis - 90 Prozent von ihnen haben demnach keinen Arbeitsvertrag und keine Sozialversicherung.

(Foto: DPA-SZ)

83 Prozent der Hausangestellten sind den Angaben zufolge Frauen. Sie schuften nahezu rund um die Uhr. Fast jeder zweite Hausangestellte habe nicht einmal einen freien Tag in der Woche. Mehr als ein Drittel der Frauen habe keinen Mutterschutz. Jeder dritte sei komplett von der nationalen Arbeitsgesetzgebung ausgeschlossen und nur ein Zehntel sei rechtlich mit "normalen" Arbeitnehmern gleichgestellt. Da zudem offizielle Angaben verwendet worden seien, würden die Zahlen vermutlich deutlich übertroffen: "In Wirklichkeit könnten die Zahlen um einige Zehntausend höher liegen."

Auch seien Kinder, die jünger als 15 Jahre sind, nicht erfasst worden. So schätzt die ILO die Zahl der Kinder, die in fremden Haushalten arbeiten müssen, weltweit auf 7,4 Millionen.

Situation von Hausangestellten in Deutschland

Im Juni 2011 hatten die 185 Mitgliedsstaaten der ILO eine Konvention über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte beschlossen, die im September 2013 in Kraft tritt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Hausangestellte die gleichen Arbeitsrechte haben wie andere Arbeitnehmer - gleiche Arbeitszeiten, Urlaub, Sozialversicherung und das Recht, sich einer Gewerkschaft anzuschließen.

Die deutsche Bundesregierung will das Ratifizierungsgesetz zur Konvention dem Bundestag bald vorlegen. Die Direktorin der ILO Deutschland, Sabine Baun, sagte am Mittwoch: "Dies ist ein wichtiges Signal, auch weil Deutschland damit zu den ersten europäischen Ländern gehören wird, die die Konvention ratifizieren."

Immerhin zählte das Statistische Bundesamt laut der ILO zuletzt 712.000 Hausangestellte in Deutschland. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schätze jedoch, dass 2,6 Millionen Haushalte Menschen auf Teilzeitbasis beschäftigen. 90 Prozent hätten keinen Arbeitsvertrag und keine Sozialversicherung - denn sie würden den Behörden nie gemeldet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: