Süddeutsche Zeitung

Finanz-Unterricht für Kinder:Wo Dreijährige zum Anlageberater werden

Ausbildung künftiger Millionäre? Ying Teo will in ihrer Money-Clinic in Singapur Kindern reicher Eltern erklären, wie sie am besten ihr Geld anlegen.

Cathrin Kahlweit

"Helfen Sie Ihren Kindern, Geld zu verstehen" heißt der Slogan der Money-Clinic in Singapur. Die Firma in der Fünf-Millionen-Stadt mit der höchsten Millionärsdichte der Welt hat sich auf Kurse für Kinder und Jugendliche spezialisiert. Gründerin Ying Teo findet, dass es sich Eltern in Zeiten, in denen Kinder immer mehr Geld zur Verfügung haben, nicht leisten können, der "Natur ihren Lauf zu lassen".

SZ: Money-Clinic - das klingt nach einem Krankenhaus, in dem man sich Heilung von der Geldgier erhofft.

Ying Teo: Wir hoffen, dass der Name Aufmerksamkeit erregt. Die Menschen glauben ja im ersten Moment, man geht in eine Moneyclinic, weil man Geld braucht - und sehen dann, was wir wirklich tun.

SZ: Was tun Sie denn wirklich?

Teo: Wir wollen Menschen den Umgang mit Geld nahebringen. Derzeit haben wir etwa 50 Schüler, vorwiegend Kinder.

SZ: Kinder? Wozu müssen die denn schon an Geld herangeführt werden?

Teo: Es kann unserer Meinung nach nicht früh genug sein. Für Vier- bis Siebenjährige haben wir das Money-Bambini-Programm, in dem es sehr praxisorientiert um den Umgang mit Kleingeld und Wechselgeld geht. Die Kleinen lernen dabei die Münzen kennen und wie man mit ihnen bezahlt.

SZ: Aber das lernen Kinder doch eh. Warum braucht man dafür einen Kurs?

Teo: Vorschüler in Singapur haben zwar Mathematik als Fach, aber mit Geld befassen sie sich erst nach dem Eintritt in die Grundschule mit sieben Jahren. Vielen Familien ist das zu spät. Die Eltern wollen, dass ihre Kinder einen Vorsprung beim Umgang mit Geld haben.

SZ: Und was lernen die Älteren?

Teo: Wir trennen zwischen Programmen für Finanzpolitik und Anlagestrategien. Sie befassen sich mit Sparen, Haushalten, Preisvergleichen. Acht- bis Zehnjährige sollen verstehen, wie das Geld für sie arbeitet. Und Teenager lernen das Bankensystem kennen; sie erfahren, was ein Bond, was eine Aktie ist, sie lernen an der Börse zu spekulieren und zu investieren.

SZ: Sind es Kinder reicher Leute, die bei Ihnen das Geldverdienen trainieren?

Teo: Die Klienten haben mindestens mittlere Einkommen, wir haben auch Kinder von Millionären und Milliardären.

SZ: Kommen die Kinder, weil sie mal so reich werden wollen wie ihre Eltern?

Teo: Sie wollen lernen, wie man nicht nur Geld ausgibt, sondern es auch verdient. Vor allem aber versuchen wir Kindern den verantwortungsbewussten Umgang mit Geld beizubringen. Und was es für ihre Eltern bedeutet, alle Rechnungen zu bezahlen.

SZ: Singapur ist eine Boomtown, in der sich fast alles ums Geld dreht. Also spiegelt die Money-Clinic die Ideologie der Stadt?

Teo: Auch für die Menschen in Singapur dreht sich nicht alles nur um Geld, sondern auch um Gesundheit und Glück. Aber ja: Wir finden es wichtig, zu verstehen, wie Geld gut durchs Leben hilft.

SZ: Reden Sie auch über Armut mit den Millionärskindern in Ihren Kursen?

Teo: Wir erklären, dass man nicht nur ausgeben, sondern auch teilen soll.

SZ: Auf Ihrer Webseite steht dazu ein Zitat von einem Manager der Money-Clinic: "Keine Generation hat mehr Geld zur Verfügung und mehr Druck, es auszugeben als jene Kinder, die im 21. Jahrhundert geboren sind. Wir steuern auf eine Generation junger Singapurianer zu, die Sklaven ihrer Kreditkarten sind und ihr Leben damit verbringen, nach Luxuslabels und Statussymbolen zu jagen." Wie passt denn das zu Ihrem Konzept?

Teo: Wir sind der Überzeugung, dass Jugendliche heute einen viel zu leichten Zugang zu Geld haben und zu viel ausgeben. Wir versuchen ihnen klarzumachen, dass man sein Geld zusammenhalten muss, wenn man es langfristig behalten will.

SZ: Hat die Finanzkrise die Reichen in Singapur skeptischer gemacht gegenüber der globalen Geldmaschine - oder kommen umso mehr Eltern mit ihren Kindern, um sie auf die Zukunft vorzubereiten?

Teo: Wir diskutieren die Folgen der Krise mit unseren Kunden und beraten sie, wie sie die Folgen minimieren können.

SZ: Mit dem, was Ihre Trainer lehren, müssten diese doch auch alle Millionäre sein - und nicht mehr arbeiten.

Teo: Die Trainer haben alle einen Hochschulabschluss und unterrichten gern!

SZ: Wie viel Taschengeld bekommen denn Ihre Klienten im Durchschnitt?

Teo: Etwa fünf Singapur-Dollar am Tag. Das sind etwa drei Euro, also im Monat haben diese Kinder etwa 100 Euro Taschengeld. Aber die sehr reichen Kinder haben natürlich Zugang zu Kreditkarten.

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Quelle:
SZ vom 30.6. 2010/holz
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