Karriere-Workshop:Sie verlassen jetzt die Komfortzone

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Frauen denken oft, im Job käme es nur auf Sachkenntnis an. Doch das Publikum erreichen sie erst, wenn sie authentisch und lebendig agieren.

(Foto: imago)

Im Job kommt es oft auf Schlagfertigkeit und Improvisationstalent an. Was passiert in einem Workshop für überzeugendes Auftreten?

Reportage von Johanna Pfund

Es ist zwölf Uhr mittags, und jegliche Scheu ist verflogen. Triumphierend setzt die Frau ihr Bein auf den Rücken einer Kollegin, die im Vierfüßlerstand vor ihr auf dem Boden kniet. "So, jetzt ist es wie immer: Ich bin oben, und du bist unten." Holla, das ist aber nicht freundlich. Wer hätte gedacht, dass es derartig zur Sache gehen würde in einem Improvisationsworkshop für Frauen, die lernen wollen, wie sie im Beruf souverän, schlagfertig und spontan handeln können? "Du bleibst unten", sagt die Frau noch einmal, und jeder glaubt ihr, denn diese Rolle spielt sie überzeugend.

Andre Settembrini, der das von der Women Speaker Foundation angebotene Seminar "Ausdruck schafft Eindruck" leitet, ist davon überzeugt, dass Schlagfertigkeit erlernbar ist. "Natürlich geht das, man sieht es hier", sagt Settembrini, der als Regisseur, Trainer und Coach arbeitet. Und doch haben Frauen oft das Gefühl, sie könnten in schwierigen Situationen nicht angemessen reagieren, könnten Attacken von Kollegen nicht parieren oder schwierige Situationen nicht meistern.

Ran an die Mauer

Eine kleine Umfrage zu Beginn des Workshops bestätigt das. Zur Teilnehmerrunde zählen weibliche Führungskräfte aus dem oberen Management, einige arbeiten in Unternehmen, andere haben ein Start-up gegründet, weitere sind ehrenamtlich tätig. Gegen Wände laufen alle. Eine Teilnehmerin will ihre weiche Ader besser schützen, eine andere will männliche Vorstandskollegen dazu ermuntern, spannendere Vorträge zu halten, eine dritte will Angriffe charmant abfedern, eine weitere will Mut lernen - fürs Fundraising.

Also geht es ran an die Mauer. Lektion Nummer eins lautet: Die Perspektive des Gegenübers einnehmen. Das ist noch eine der einfachen Übungen. Je zwei Frauen bilden ein Team. Sie erzählen anschließend in der Runde jeweils eine Geschichte der anderen - und schlüpfen in deren Rolle. Das Fazit: "Zulassen in mir, was der andere erlebt hat, das ist Kommunikation", sagt die Schauspielerin und Therapeutin Sabine Kistler, die das Seminar gemeinsam mit Settembrini leitet. Man müsse sich in die Zielgruppe hineinversetzen - das gelte für jeden Vortrag, für jede Besprechung, für jede noch so kleine oder große Feedback-Runde.

Nicht losheulen, sondern Gefühle klar formulieren

Gefühle sind erwünscht. "Das öffnet die Zuhörer und bietet Schutz zugleich", sagt Settembrini. Aber gerade Frauen wird oft ein Zuviel an Emotionen vorgeworfen. Jetzt kommt der feine Unterschied: "Gefühle öffnen mein Gegenüber", sagt Kistler. Doch man müsse sich bewusst sein, was passiert. Die Wortwahl sei wichtig, man dürfe sich dem Gefühl nicht ausliefern, sondern solle es angemessen ausdrücken. Sprich, nicht losheulen, sondern klar formulieren, dass man irritiert ist.

Dabei hilft die Wahrnehmung - die der anderen und die des eigenen Selbst. "Man muss sein Instrument - den Körper und die Stimme - stimmen und beherrschen", sagt die Seminarleiterin. Wahrnehmung und Selbstbewusstsein im wahrsten Sinne des Wortes. So weit, so komfortabel.

"Zurück in die Komfortzone, das geht immer"

Aber jetzt geht es raus aus der Komfortzone. Tanzen zu einer Geschichte, lautet die Aufgabe. Hier mitten im Seminarraum eines Münchner Hotels? Schaut da jemand zu? Settembrini liest die Geschichte eines Traums vor, ein Blatt, der Herbstwind, ein Schloss, ein Spiegelsaal. Vorsichtig tasten sich die Teilnehmerinnen an die Aufgabe, ein Seitenblick hier und da, nur ein bisschen hin und her schwanken oder sich auf dem Boden rollen wie die mutigere Kollegin? Es geht darum, Bilder im Kopf entstehen zu lassen, eine Rolle einzunehmen, drin zu bleiben.

"Zurück in die Komfortzone, das geht immer", sagt Kistler. Doch gerade Frauen zögerten oft, die Komfortzone zu verlassen. Weil weibliche Vorbilder fehlten, stelle sich häufig die Frage, wie viel Mut einer weiblichen Führungskraft überhaupt erlaubt sei. Doch Kreativität oder Neues entstünden außerhalb der Komfortzone, betont die Schauspielerin. Und damit jeder Teilnehmerin klar wird, dass das Verlassen der Komfortzone unendlich viele Chancen bietet, geht es an die nächste Übung: Bildhauerei.

Konflikte austragen und Pausen machen

Zwei Teilnehmerinnen sind die Masse, aus der die dritte eine menschliche Skulptur formt - die Ausgangsszene für ein Improvisationstheater. Es entstehen bizarre kleine Dramen: ein tröstendes Gespräch, eine Heilerin, die zu mehr Mut rät, oder eben auch die Szene, in der eine Teilnehmerin den Fuß auf den Rücken der anderen stellt. "Ich habe mich gefühlt, als könnte ich gar nicht mehr aufstehen", erzählt die Unterlegene, die völlig eingetaucht ist in den fiktiven Geschwisterstreit.

Zwei Sachen machen die beiden richtig, stellt Settembrini fest. Sie tragen einen Konflikt aus - das muss man auch in der Arbeitswelt - und lassen diesen zu. Und sie machen Pausen. "In einer Pause passiert immer etwas", sagt Settembrini. Auch bei einem Vortrag könne man sich ruhig einige Sekunden oder gar eine Minute gönnen. "Wir glauben immer, wir müssten sofort antworten, wie in der Schule, und nehmen uns die Wirkung von Pausen", sagt er. "Stimmt", bestätigt eine Teilnehmerin, "Zählen hilft." Es funktioniert auch mit Blickkontakt zum Publikum, mit Vertrauen auf den Körper und dem Aufgreifen von Impulsen. "Es ist immer ein Dialog, kein Monolog", sagt Settembrini.

Eines wird auch klar. Es ist immer Darstellung: "Gehen Sie in eine Rolle, und bleiben Sie drin", sagt Settembrini. Und in diesem Punkt sei die zuvor genannte Unterscheidung wichtig: Gefühle ja, aber keine privaten Rollen ins Berufliche tragen. Eine Geschäftsführerin ist eine Geschäftsführerin, und in diesem Moment keine Mutter. Zudem: Eine Führungsrolle muss man behalten und verteidigen. "Sich dafür zu entscheiden, dass ich mich wohlfühle in einer Rolle," sagt eine Teilnehmerin, "das funktioniert ja wirklich." Dazu zählt, sich klar zu werden über die Rolle.

Funktioniert alles, habe ich alles, was ich brauche? Wer ist mein Gegenüber?

Accessoires helfen dabei in diesem Workshop. Wenn ich eine altmodische Handtasche trage, welche Person bin ich dann? Und es hilft auch die ganz banale Vorbereitung: Seinen Platz überprüfen, sei es am Tisch oder auf der Bühne. Funktioniert alles, habe ich alles, was ich brauche? Wer ist mein Gegenüber? Einfache Dinge, möchte man meinen. Und doch gehen genau diese banalen Dinge oft schief - und damit ist es um die Führungsrolle geschehen.

Die ist auch in Gefahr, wenn man seinen Platz nicht einnimmt, oder sich nicht verteidigt, sich keine neuen Räume erobert. Dann hockt man plötzlich im Vierfüßlerstand am Boden und fühlt sich ausgeliefert. Doch das muss nicht sein. Lieber aktiv improvisieren.

Der nächste zweitägige Improvisationsworkshop "Ausdruck schafft Eindruck" findet am 20. Januar und 17. Februar 2016 in München statt. www.women-speaker-foundation.de/workshops

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