Schulverweigerer müssen zahlen:Vorbestraftes Gottvertrauen

"Wir halten an Glauben und Gewissen fest": Ein Paar, das seine sieben Kinder aus religiösen Gründen zu Hause unterrichtet, ist jetzt verurteilt worden. In die Schule werden die Kinder auch künftig nicht gehen.

Er argumentierte geschliffen, schaute interessiert durch seine Goldrandbrille - und ist seit Mittwoch doch vorbestraft: Weil ein 48 Jahre alter Hesse seine sieben Kinder aus religiösen Gründen nicht zur Schule schickte, hat das Landgericht Kassel den Vater und und seine fünf Jahre jüngere Ehefrau zu einer Geldstrafe von jeweils 60 Euro verurteilt.

Schulverweigerer müssen zahlen: "Kinder brauchen ein festes Wertegerüst, um die Zukunft bewältigen zu können": Ein Paar aus Hessen wird auch vorbestraft seine Kinder weiter zu Hause unterrichten.

"Kinder brauchen ein festes Wertegerüst, um die Zukunft bewältigen zu können": Ein Paar aus Hessen wird auch vorbestraft seine Kinder weiter zu Hause unterrichten.

(Foto: Foto: dpa)

Der juristische Streit schwelt seit Jahren und hat mit dem Kasseler Urteil gewiss keinen Abschluss gefunden. Die christlichen Fundamentalisten aus dem Örtchen Archfeld bei Eschwege weigern sich beharrlich, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Seit sie den Ältesten schon im ersten Jahr aus der Klasse geholt haben, unterrichten sie alle Kinder zu Hause. Der Publizist hat dafür sogar den Beruf an den Nagel gehängt, die neunköpfige Familie lebt von Kindergeld und Nachhilfestunden.

Vor Gericht stand das Paar nicht das erste Mal. Der vorläufige Höhepunkt war vor anderthalb Jahren die Verurteilung zu drei Monaten Haft - ohne Bewährung. Der Grund: Die beiden hatten noch im Gerichtssaal angekündigt, ihre Kinder weiter von der Schule fernzuhalten. "Kinder brauchen ein festes Wertegerüst, um die Zukunft bewältigen zu können", sagt der Vater. "Und solch ein Gerüst können ihnen die staatlichen Schulen nicht geben, ja sie zerstören es zum Teil sogar."

Der heimische Unterricht hingegen, das räumt sogar die Staatsanwaltschaft ein, ist sehr gut. Klassenbücher gibt es ebenso wie Ferien, die Kinder sprechen ein passables Englisch und Französisch.

Der älteste hat an einer ordentlichen Realschule die Prüfung gemacht und bestanden - mit 1,1.

"Sie können auch nicht das Rechtsfahrgebot missachten"

"Sie leben in einer Gesellschaft und müssen sich nach deren Normen richten", hielt der Richter dem Paar dennoch vor. "Sie können auch nicht das Rechtsfahrgebot auf der Straße missachten, nur weil Sie alle umkurven können. Dann wollen das andere auch und das Chaos wäre da." Außerdem würde den Kindern vorgelebt, dass Gesetze, die nicht passen, einfach ignoriert werden könnten.

Die Strafe klingt dennoch mild: 60 Tagessätze zu gerade einem Euro muss jeder zahlen. "Aber mit 60 Tagessätzen sind Sie vorbestraft. Und wenn es eine neue Verurteilung gibt, heißt das Haft." Das scheint das Ehepaar nicht zu stören. Sie sonnen sich in der Solidarität ihrer Unterstützer. Etwa 30 von ihnen sind ins Landgericht gekommen.

"Es wird für Sie spannend bleiben"

Dass das Ehepaar aufgibt, glaubt hier keiner. "Es wird für Sie spannend bleiben", sagt der Vater lächelnd zu den wartenden Journalisten. "Wir halten an Glauben und Gewissen fest. Wir haben keine Wahl." Obwohl er den Richter lobt, scheint der keine rechte Instanz für ihn zu sein: "Das Recht ist am besten bei dem aufgehoben, der uns diese Kinder anvertraut hat. Der weiß mehr über Schuld und Unschuld, denn er ist vor 2000 Jahren für unsere Schuld gestorben."

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