Schulreform in Berlin:Abschied von der Hauptschule

Das Land Berlin schafft durch eine Reform das dreigliedrige Schulsystem ab. Künftig gibt es nur noch Gymnasien und Sekundarschulen. Das schürt Ängste.

C. v. Bullion

Das Land Berlin trennt sich vom dreigliedrigen Schulsystem. Haupt-, Real- und Gesamtschulen werden abgeschafft und zu integrierten Sekundarschulen mit Ganztagsbetreuung zusammengelegt. Das Gymnasium soll fast unverändert erhalten bleiben. Das sieht eine umfangreiche Schulrefom vor, die das Berliner Abgeordnetenhaus am Donnerstagabend beschloß. Die Zustimmung zu den Plänen von Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) galt schon im Vorfeld als sicher.

Schulreform in Berlin: In Berlin gibt es künftig nur noch Gymnasien und Sekundarschulen.

In Berlin gibt es künftig nur noch Gymnasien und Sekundarschulen.

(Foto: Foto: AP)

Die Reform soll vom kommenden Schuljahr an greifen. An Berliner Real- und Gesamtschulen sorgt die Abschaffung der Hauptschulen für große Unruhe unter Eltern. Sie befürchten, dass die Fusion zur Sekundarschule eine Absenkung des Lernniveaus nach sich zieht. Aus der Lehrergewerkschaft und der Berliner Wirtschaft kam dagegen Lob.

"Dies könnte ein wegweisendes Modell für die ganze Republik werden", sagte der Hauptgeschäftsführer der Berliner Handwerkskammer, Jürgen Wittke. Auch die Industrie- und Handelskammer begrüßte die Schulreform des rot-roten Senats. Viele Betriebe versprechen sich vom sogenannten dualen Lernen bessere Lernerfolge. An den neuen Sekundarschulen, wo bisherige Haupt-, Real- und Gesamtschüler nun gemeinsam, aber mit abgestuftem Programm unterrichtet werden, sollen handwerklich begabte Schüler neben dem Unterricht bis zu drei Tage pro Woche Praktika in Betrieben, Verwaltungen oder Werkstätten absolvieren.

Hoffnung auf bessere Bewerber

Die Wirtschaft erhofft sich davon besser vorbereitete Bewerber für Ausbildungsplätze. Allerdings müsse auch dafür gesorgt werden, dass die Lehrer ausreichend qualifiziert und motiviert seien, um die stark heterogene Schülerschaft an Sekundarschulen angemessen zu fördern.

Denn der neue Schultyp soll nicht nur Hauptschülern bessere Chancen bieten, sondern auch bisherigen Realschülern und Kindern mit akademischem Potential gerecht werden. Sekundarschüler können nach zwölf oder 13Jahren das Abitur machen. Die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Rose-Marie Seggelke, nannte den Neustart an weiterbildenden Schulen einen "wichtigen Schritt in die richtige Richtung". Das dreigliedrige Schulsystem werde den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht. Wie der Berliner Bildungssenator sei sie der Überzeugung, dass der "unglückliche Zusammenhang" zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen aufgebrochen werden müsse. Die integrierte Sekundarschule könne dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Erhebliche Bedenken

Seggelke wollte aber nicht verhehlen, dass es noch erhebliche Bedenken gegen die Reform gibt, vor allem bei verunsicherten Eltern, die jetzt bei Schulsprechstunden Schlange stehen. Der Bildungssenator wird aber auch bei Lehrern Vorbehalte ausräumen müssen: Schon jetzt gibt es unter Berliner Pädagogen erhebliche Widerstände gegen die Anforderung, im Unterricht stärker zwischen verschiedenen Leistungsgruppen zu differenzieren. Dies wird in Sekundarschulen noch dringlicher. Der Senat hat bereits mehr Lehrerstellen versprochen, in sozialen Brennpunkten aber fehlt es weiterhin an Personal.

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