Schulpolitik:Mehr Lehrer, kleinere Klassen

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Baden-Württemberg plant eine große "Bildungsoffensive" und verschärft damit die Konkurrenz um junge Lehrer. Denn auch andere Bundesländer sind auf der Suche nach zusätzlichen Pädagogen.

Bernd Dörries und Tanjev Schultz

Baden-Württemberg plant eine große "Bildungsoffensive" und verschärft damit die Konkurrenz der Bundesländer um junge Lehrer. Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) will mit 180 Millionen Euro etwa 4000 neue Stellen für Pädagogen schaffen. Es ist das bundesweit derzeit ehrgeizigste Programm für mehr Lehrer und kleinere Klassen. Bildung habe im neuen Haushalt Vorrang, neue Schulden würden aber nicht aufgenommen, sagte Oettinger am Dienstag in Stuttgart. Die erlaubte Zahl der Schüler in einer Klasse soll von derzeit 33 auf höchstens 30 Schüler im Jahr 2011 sinken, später auf 28.

Lehrer: Pädagogen streiten über die Bedeutung kleiner Klassen für den Unterricht. (Foto: Foto: dpa)

Auch in anderen Ländern laufen Einstellungkampagnen für Lehrer. Bayern will zum kommenden Schuljahr 2200 neue Planstellen besetzen, Hessen 2600. Das Land Berlin richtet 140 Stellen für eine pädagogische "Vertretungsfeuerwehr" ein. In Fächern wie Latein, Physik und Chemie haben die Behörden aber Schwierigkeiten, geeignete Bewerber zu finden. Ein Großteil der derzeit tätigen Lehrer geht in den kommenden Jahren in den Ruhestand, sodass bereits die Wiederbesetzung vorhandener Stellen eine Herausforderung ist. Baden-Württemberg wirbt bundesweit in Zeitungen um Lehrer, Hessen buhlt ebenfalls verstärkt um Kandidaten aus anderen Ländern.

Zu große Klassen, zu hoher Unterrichtsausfall

Mit mehr Lehrerstellen versuchen die Regierungschefs auch ihre Kultusminister zu entlasten, die in vielen Ländern politisch angeschlagen sind. Erst vor wenigen Tagen hatte der Landesrechnungshof Baden-Württembergs Kultusminister Helmut Rau (CDU) scharf kritisiert. Bei der Verteilung von Mitteln zum Ausbau der Ganztagsschulen habe es massive handwerkliche Fehler gegeben. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßte die Bildungsoffensive im Südwesten. Sie mahnte aber, es müsse tatsächlich zusätzliches Geld investiert werden und nicht etwa ein Betrag, der durch die Zusammenlegung kleiner Hauptschulen gespart würde.

Bundesweit beklagen sich Elternvertreter seit langem über zu große Klassen und zu hohen Unterrichtsausfall. Kritiker werfen den Kultus- und Finanzministern vor, in der Vergangenheit zu wenige junge Lehrer eingestellt zu haben. Die durchschnittliche Zahl der Schüler pro Klasse liegt in Deutschland allerdings nur geringfügig über dem Mittelwert der OECD-Staaten: In Grundschulen sind es bundesweit im Durchschnitt 22 Kinder (dies entspricht dem OECD-Wert), an weiterführenden Schulen 25 (OECD-Wert: 24).

Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den Schulen, mehr als 30 Schüler pro Klasse sind in vielen Regionen keine Seltenheit. Pädagogen streiten über die Bedeutung kleiner Klassen für den Unterricht. Der Bildungsökonom Ludger Wößmann von der Universität München nennt die Gleichung "Kleinere Klassen gleich bessere Schüler" einen Irrtum. Er beruft sich auf Studien wie Pisa. Sie würden zeigen, dass die Klassengröße keinen Einfluss auf den Lernerfolg habe, sagt Wößmann. Zusätzliche Mittel für kleinere Klassen seien "rausgeschmissenes Geld".

Andere Forscher und Pädagogen betonen, in großen Klassen sinke die Konzentration der Schüler, und die Belastung der Lehrer steige. Kleine Klassen erlaubten einen offenen, weniger lehrerzentrierten Unterricht, sagt der Siegener Schulforscher Hans Brügelmann. Statt einer generellen Reduktion der Klassenstärke sei aber zu überlegen, ob man nicht lieber gezielt die Ausstattung sozial besonders belasteter Schulen verbessere.

© SZ vom 16.7.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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