Süddeutsche Zeitung

Schule:Schwänzen nach Plan

Manche Eltern verkürzen einfach das Schuljahr und fahren mit ihren Kindern einige Tage vor Ferienbeginn in Urlaub. Der Bremer Schulsenator Willi Lemke droht ihnen nun mit Bußgeld.

Cathrin Kahlweit

(SZ vom 15.7.2003) Die Befreiung vom Schulunterricht ist präzise geregelt: Nur in "dringenden Ausnahmefällen" dürfen Eltern ihre Kinder beurlauben lassen. Aber Regeln laden dazu ein, sie zu umgehen. Wenn der Urlaubsjet leider schon fünf Tage vor Zeugnisausgabe abfliegt, oder wenn das Sommerhaus nun mal nur für die Woche vor den Ferien zu buchen war, dann haben urplötzlich Großeltern Goldene Hochzeit, oder Kinder werden schwer krank.

Viele Eltern formulieren ihre Bedürfnisse aber auch ganz unverblümt: Direktor Günter Miller vom Gymnasium Icking im Münchner Süden erinnert sich an den Anruf einer Mutter, die ihre Tochter für den Nachmittagsunterricht damit entschuldigte, dass ihr Kind zur Reitstunde müsse. Und ein Vater schrieb: "Wir wollen den Brückentag nutzen. Deshalb kann mein Sohn nicht zur Schule kommen." Der Direktor reagiert, wie die meisten seiner Kollegen, mit Galgenhumor: "Die Überraschung war groß, als ich auf den Grundsatz hinwies, der Unterricht gehe vor." Die Schulleitung entscheidet über die Beurlaubung.

Happige Geldstrafen

Was aber, wenn die Eltern ein Nein des Direktors ignorieren und ihre Kinder trotzdem nicht zur Schule schicken? Weil das nicht selten passiert, hat nun der Bremer Schulsenator Willi Lemke das leidige Thema der Befreiungen angesprochen. Offiziell hat Bremen seit dem Wochenende Sommerferien, aber auch für viele Kinder in der Hansestadt hat die schulfreie Zeit offenbar tatsächlich ein wenig früher begonnen. Lemke fordert daher ein "Bußgeld" für Eltern, die ihre Kinder aus Eigennutz zum Schuleschwänzen animieren. "Dagegen müssen wir viel konsequenter vorgehen, teils auch mit Geldstrafen."

Die Möglichkeit, eine Geldstrafe zu verhängen, gibt es in den Bundesländern durchaus - das weiß auch Lemke. In Sachsen beispielsweise kann ein Ordnungsgeld von bis 1200 Euro wegen notorischen Schulschwänzens verhängt werden, in Bremen sind es "ein paar hundert Euro", so genau kann das der Schulsenator selbst nicht sagen. Die Höhe des Ordnungsgeldes interessiert ihn aber auch nicht besonders, denn "das wird sowieso nicht verhängt, und wenn es verhängt wird, zahlen es die Eltern nicht".

Lemke geht es nach eigenem Bekunden bei seiner Forderung nach mehr Konsequenz nicht nur um jene Wohlstandseltern, die bloß wegen der leidigen Schulpflicht ihrer Kinder nicht den günstigsten Flug verpassen wollen. Ihm geht es auch um jene "Migranten, die drei Wochen vor Schulende nach Anatolien reisen und vier Wochen nach Ferienende zurückkommen". Gerade deren Kinder bräuchten den Unterricht oft besonders, und gerade ihnen dürften die Eltern das Recht aufs Lernen nicht entziehen.

Die bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier findet wiederum, der Bremer Bildungssenator müsse ein wenig erzogen werden, jedenfalls redet sie ihm ins Gewissen: "Ich halte die Art und Weise, wie Herr Lemke alle Schüler pauschal über einen Kamm schert, für unverschämt."

Empört ist auch der Bundeselternrat, aber aus anderen Gründen: Schule müsse so geplant sein, dass bis zum letzten Tag Unterricht sei, sagt dessen stellvertretender Vorsitzender Wilfried Steinert. Warum, fragt er, müssen Kinder noch in die Schule gehen, wenn sie die letzten Wochen kaum noch etwas lernen und der Notenschluss immer früher liegt?

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