Schreibtisch:Verflixt und zugemüllt

Papierberge, Post-its, Zeitschriften und Büroklammern: Wenn der Schreibtisch mal wieder hoffnungslos vermüllt ist, muss man sich selbst austricksen - oder die Japaner fragen.

Maria Huber

Die Papierberge wachsen meterhoch, die Maus kann sich schon gar nicht mehr bewegen und welche Farbe die Arbeitsfläche hat, wissen Sie schon lange nicht mehr. Schon wieder liegt alles kreuz und quer auf dem Schreibtisch. Er scheint das Chaos magisch anzuziehen. Doch Chaoten können den Bann brechen: mit ganz einfachen Tricks oder einem japanischen Ordnungsprinzip.

Chaos-Schreibtisch, iStock

Hilfe! Wenn man im Büro-Chaos versinkt, ist es Zeit zum Aufräumen.

(Foto: Foto: iStock)

Damit die Einladungen, Pressemitteilungen oder Handyrechnungen überhaupt keine Chance haben, sich auf dem Schreibtisch zu stapeln, gilt das Prinzip: Gar nicht erst hereinlassen. Wer weiß, dass er Werbebriefchen und ähnliches nicht gleich in den Papierkorb befördert, kann zum Beispiel die Sekretärin bitten, dieses Chaospotential gar nicht weiterzuleiten.

Schreibtisch-Schlamper sollten unbedingt auch Kataloge oder Zeitschriften, die sie regelmäßig nur flüchtig durchblättern, abbestellen. Das gleiche gilt für die Handy-Rechnung: lieber auf Online-Rechnung umstellen. Falls ausnahmsweise doch mal die schriftliche Fassung nötig ist, schicken die Anbieter auch mal eine Fassung per Post.

Schnipsel mit Erinnerungsfunktion

Notizen, Merkzettel von den Kollegen und Post-its: Viele Papierschnipsel, die auf der vollgekritzelten Schreibtischunterlage herumfliegen, haben eigentlich nur einen Sinn: Sie sollen an eine Aufgabe erinnern, die noch zu erledigen ist. Bevor also die Zettelchen irgendwann unter den Papierbergen verschwinden und ihre Erinnerungsfunktion gar nicht mehr erfüllen können, erledigt man die Aufgabe besser gleich. Zum Beispiel eine Rechnung sofort bezahlen, bevor sie als stets präsente Ermahnung vor der Nase rumliegt. Für Zeitschriften, die zur zwingenden Fachlektüre zählen und schon in Stapeln den Schreibtisch zumüllen, sollte man sich einen zeitlichen Rahmen setzen: zwei Tage darin lesen, wegwerfen, das nächste Heft zur Hand nehmen.

Ist es überhaupt nicht zu schaffen, Zeitschriften und andere Artikel gleich abzuarbeiten, sollten sich chronische Chaoten ein Fach mit der Aufschrift "Zum Lesen" einrichten. Der Clou: Die Ablage sollte nach oben begrenzt sein. Dann ist man nämlich irgendwann zum Handeln gezwungen. Entweder die unterste Schicht wegwerfen oder mal einen Stapel in die Mittagspause mitnehmen. Vor Bahnfahrten oder absehbaren Wartezeiten kann man ebenfalls in das "Zum Lesen"-Fach greifen.

Wer die papierlose Lösung bevorzugt, kann das Material zu einem bestimmten Thema auch einscannen und ein Archiv im Computer anlegen. Doch wer den Schritt in Richtung papierloses Büro gehen will, muss auch hier Zeit investieren. Dafür bringt die Lösung aber auch einige Vorteile mit sich: Die Dokumente sind schneller auffindbar als auf dem vermüllten Schreibtisch, können bequem auf dem USB-Stick mitgenommen und per E-Mail an die Kollegen geschickt werden. Aber man muss auch hier darauf achten, dass nicht auch noch der PC vermüllt: Lieber nicht zu viele Verknüpfungen und einzelne Dokumente separat auf dem Computer-Desktop ablegen; auch hier können Ordner wie "Privat", "Tagung Mai" oder "Kulturprojekt" helfen.

Auf der nächsten Seite: Aufräumen mit Toyota

Verflixt und zugemüllt

Ordner mit der Aufschrift "Chaos"

Die Einladungen, Tagungsunterlagen und unbeantworteten Briefe müssen ebenfalls nicht zu Schreibtisch-Leichen werden. Für alles, was zu einem bestimmten Termin aktuell wird, eignen sich Hängeregister mit Monatsbeschriftung besonders gut. Andere Register können mit "Adresslisten", "Finanzen" oder ähnlichem beschriftet werden. Allround-Ordner mit ominösen Namen wie "Verschiedenes" oder "Sonstiges" vermeidet man dagegen besser, denn deren Inhalt wird bald eher die Aufschrift "Chaos" verlangen.

Die Register, die nur noch selten gebraucht werden, heftet der Ordnungsprofi dann nach einiger Zeit in Leitz-Ordner um. Der nächste Schritt wäre dann das "Wegwerfen auf Probe": Unterlagen, die schon lange nicht mehr benutzt wurden, kommen in einen großen Karton in den Abstellraum. Blieb der ein Jahr lang verschlossen, wird die Sachen auch niemand mehr brauchen und die Müllabfuhr kann die Kiste mitnehmen.

Wer seinen Aufräumarbeiten lieber ein ganzheitliches Konzept zugrunde legen möchte, kann auf das japanische "Kaizen"-Prinzip zurückgreifen: Kaizen (kai: ändern, zen: das Gute, kaizen: Verbesserung) wird seit über 50 Jahren beim japanischen Autohersteller Toyota eingesetzt. Das Konzept rückt nicht das Ziel der Arbeit, sondern den Prozess in den Mittelpunkt. Eine typische Kaizen-Frage wäre also: "Wie kann ich meine Umgebung so verändern, dass sie mich in meinem Tun unterstützt?"

Dabei sollen keine kleinen Einzelaktionen vorgenommen werden, Kaizen sieht als ersten Schritt eine komplette Entrümpelungsaktion vor, bei der alle im Büro mitmachen sollen und gnadenlos alles wegwerfen, was nicht mehr gebraucht wird. Wenn dann wieder Platz ist, bekommen die öfter benutzten Dinge einen Platz auf dem Schreibtisch, die weniger benutzen Werkzeuge wie die Briefwaage verschwinden im Schrank. Alle Zettel und Notizen kommen bei Kaizen in ein "Superbuch". Außerdem sollte man mit Farben arbeiten: Reiseunterlagen in gelbe Mappen, Präsentationen in grüne und so weiter.

Die Vorstellung, man richte für den Kunden - sich selbst - einen kleinen Supermarkt ein, kann helfen: Das Angebot ist übersichtlich, es ist nur da, was man wirklich braucht und das ist ohne lange Wege auffindbar. Die umklappbaren Preislisten an der Kasse können sich im Büro als Adress- oder Telefonlisten wiederfinden. Der letzte wichtige Kaizen-Schritt ist das Vorschlagswesen. Wer eine Verbesserungsmöglichkeit sieht, muss sie mitteilen und dafür auch gewürdigt werden. Wen zum Beispiel nervt, dass ständig das Druckerpapier ausgeht, der entwirft am besten einen Zettel: "Wer den letzten Stapel Papier nimmt, muss fünf neue bestellen und diesen Zettel auf den untersten legen."

Traumreise ins Büro

Doch wann ist überhaupt der beste Zeitpunkt zum Aufräumen? Wenn man gerade Stress hat. Was sich im ersten Moment unlogisch anhört, ist äußerst effizient, denn in Stresszeiten sind Sie am unproduktivsten. Wer zwei Dinge gleichzeitig erledigen soll, tut in der Regel nichts davon. Also sollte man gerade diese Stoßzeiten zum Aufräumen nutzen und die Wut und den Ärger in Aufräumenergie verwandeln. Nie bringt der neu gewonnene Platz so viel Arbeitslust wie in Stressphasen.

Wer dieses Konzept nicht verwirklichen kann und zum Aufräumen absolute Ruhe braucht, sollte es mal mit der Urlaubs-Methode versuchen. Natürlich sollte man nicht wirklich wegfahren, sondern sich nur so verhalten als ob. Für den nächsten Monat wird eine einwöchige Reise in den Terminkalender eingetragen und die Zeitung abbestellt, vorher werden alle anstehenden Aufgaben abgearbeitet. Am Abreisetag fährt man dann aber nicht zum Flughafen, sondern ins Büro und entrümpelt den Schreibtisch.

Wer sich trotz allem nicht zum Aufräumen motivieren kann, gehört vermutlich zu der unverbesserlichen Gruppe derer, die sich immer noch einreden, dass Chaos kreativ ist.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: