Schlechtes Benehmen im Büro:Intime Bekenntnisse im Fahrstuhl

Schniefende Kollegen ohne Taschentuch, zu kurze Röcke im Meeting, nervige Telefongewohnheiten im Großraumbüro: Manchmal lassen die Kollegen keine Gelegenheit aus, sich im Büro danebenzubenehmen. Autorin Nina Puri weiß, wieso.

Maria Holzmüller

Schniefende Kollegen im Aufzug, zu kurze Röcke im Meeting, nervige Telefongewohnheiten im Großraumbüro: Manchmal lassen die Kollegen keine Gelegenheit aus, sich im Büro danebenzubenehmen. Nina Puri setzt sich in ihrem Buch "Tischlein leck mich - Wie man sich anständig danebenbenimmt" mit unangebrachtem Verhalten ihrer Mitmenschen auseinander. Im Interview erklärt sie, welche Benimm-Patzer im Büro gar nicht gehen - und warum man manchmal trotzdem erfolgreicher ist, wenn man sich nicht an die Regeln hält.

sueddeutsche.de: Frau Puri, ist man im Beruf erfolgreicher, wenn man sich öfter danebenbenimmt?

Nina Puri: Klar. Alleine mit gutem Benehmen bringen es die Wenigsten vom lausig bezahlten Praktikanten zum überbezahlten Vorsitzenden. Ganz wichtig für den Aufstieg ist unter anderem der gezielte Einsatz des Wörtchens "Ich". Zum Beispiel, um sich bei der Präsentation einer Teamarbeit aufzuplustern:"Wer hatte die Idee?" - "Ich!" Steht wirklich Arbeit an, sollte man sich wiederum geschickt wegducken: "Wer hat am Wochenende Zeit?" - "Ich nicht."

sueddeutsche.de: In welchen Fällen ist schlechtes Benehmen Pflicht?

Puri: Auf keinen Fall pünktlich zum Meeting erscheinen! Pünktlich sind nur die Chargen, die im Unternehmen nichts zu sagen haben. Und wenn im Drucker mal wieder Papierstau herrscht: Einfach einen Stockwerk höher gehen anstatt beim Versuch, ihn zu reparieren, wertvolle Zeit verschwenden.

sueddeutsche.de: Welches Benehmen an Ihren Kollegen stört Sie persönlich am meisten?

Puri: Da gibt es die, die um sechs Uhr den Griffel fallen lassen, komme was da wolle. Oder die, die vor mir die Tür zufallen lassen, obwohl ich gerade einen zentnerschweren Bildschirm hinter ihnen herschleppe. Speziell sind auch die, die auf dem Boden ihrer Kaffeetasse seltene Schimmelpilze züchten. Oder die, die mittags im geschlossenen Büro fröhlich knoblauchgetränktes Tsatsiki vom Griechen essen oder nach der Zigarettenpause eine schöne kalte Nikotinwolke mit an den Schreibtisch bringen. Auch schön: der Kollege, dessen Handy während meiner Präsentation einen tierischen Brunftschrei von sich gibt - und er geht auch noch ran!

sueddeutsche.de: Haben Sie Ihr Buch aus Wut über das schlechte Benehmen Ihrer Mitmenschen geschrieben?

Puri: Es ist kein Wutbuch. Ich habe es eher aus Verblüffung darüber geschrieben, wie sehr man sich im Berufsleben danebenbenehmen kann und trotzdem damit durchkommt. In gewisser Weise ist das Buch selbsttherapeutisch, insofern als ich der klassische Fünf-Minuten-später-und-ich-wäre-cool-gewesen-Typ bin.

"Chefs haben Privilegien"

sueddeutsche.de: Wollen Sie die Leser erziehen?

Nina Puri

Nina Puri hat ein ganzes Buch über schlechtes Benehmen geschrieben. Im Job bringt einen Korrektheit oft nicht weiter, glaubt sie.

(Foto: privat)

Puri: In erster Linie sollen die Leser lachen - auch über sich selbst. Man benimmt sich ja oft auch aus Unsicherheit daneben und ist sich dessen gar nicht bewusst.

sueddeutsche.de: Zum Beispiel im Aufzug, da weiß man nie, wie man sich verhalten soll.

Puri: Besonders peinlich ist es, wenn man unfreiwillig an intimen Gesprächen der anderen teilhat. Plötzlich steht ein Kollege mit Handy neben einem und flüstert so was wie "Ja, ich küss dich" ... "Ja, da auch". Und man selbst steht da und starrt verzweifelt an die Decke.

sueddeutsche.de: In vielen Büros duzen sich Kollegen inzwischen aus Prinzip. Ist das schlechtes Benehmen?

Puri: Ach, wir duzen unseren Obsthändler und unseren Steuerberater, da ist es doch selbstverständlich, dass wir auch unsere Kollegen und unseren Chef duzen. Das gibt dem Ganzen so etwas Kumpelhaftes: "Du Ulf, ich hab da deine Kompetenzen etwas überschätzt" oder "Sorry, dass du das Wochenende durcharbeiten musstest, Susi" - klingt doch gleich viel netter.

sueddeutsche.de: Auch immer gut für Fettnäpfchen: die Garderobe.

Puri: Richtig. Unter angemessener Berufskleidung verstehen manche Frauen zum Beispiel transparente Spaghettiträger-Tops. Die bekommen dann durchaus auch positives Feedback - und zwar in Richtung: "Scharfes Teil, Frau Müller". Männer wiederum kombinieren gerne Business Chic mit einer Prise Neandertaler. Da thront dann ein stoppeliger Dreitagebart über dem ungebügelten Hemdkragen wie ein aufgegangenes Mohnbrötchen. Und unter der Dreiviertel-Hose blitzt ein fellbewachsenes Männerbein hervor. In vielen Büros hat der sogenannte Casual Friday sich inzwischen auf die ganze Woche ausgedehnt. Das hat auch Vorteile: Wer schon am Donnerstag so aussieht, als wäre er eigentlich schon im Wochenende, dem gibt keiner mehr Zusatzarbeit für die freien Tage.

sueddeutsche.de: Benehmen Chefs sich besser als ihre Untergebenen?

Puri: In der Chefetage wird inzwischen genauso geduzt und gekumpelt wie überall sonst. Chefs haben noch zusätzliche Privilegien, was ihr Benehmen angeht. Sie können Witze ohne jede Pointe erzählen und trotzdem mit dem Gelächter der ganzen Belegschaft belohnt werden. Oder sie können ihre Mitarbeiter ermutigen, auch mal Fehler zu machen - und sie dann beim erstbesten Fehler zu feuern.

Welche Benimm-Patzer leisten sich Ihre Kollegen im Büro? Berichten Sie uns von Ihren Erlebnissen.

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