Süddeutsche Zeitung

Schlagfertigkeits-Training:Im Rhetorik-Duell

Beine schulterbreit, stehen wie John Wayne und sich niemals rechtfertigen: Wie ein Trainer in nur drei Stunden die rhetorischen Fertigkeiten seiner Schützlinge auf Vordermann bringen will.

S. Siegfried

Zum Beispiel Karl-Theodor zu Guttenberg. Auf die Frage, ob er etwas gegen die steigende Arbeitslosenzahl tun könne, weist er in einem Stern-Interview darauf hin, dass zunächst einmal die Konjunkturprogramme wirken müssten: "Die Bagger rollen erst an." Und auf die Frage, was ihn denn eigentlich zum Wirtschaftsminister befähige, antwortet er, auch seine Kritiker würden anerkennen, dass er sich schnell in die neuen Themen eingearbeitet habe: "Ich glaube, wir tun alle gut daran, jeden Tag etwas dazuzulernen."

Das Beispiel zeigt, dass Politiker vor allem zwei rhetorische Grundregeln beherrschen müssen. Erstens: Lege bei einer Frage, die du nicht sofort beantworten kannst, die Lösung in die Zukunft ("Die Bagger rollen erst an"). Zweitens: Lenke den Blick auf das übergeordnete Ziel ("Alle sollen dazulernen").

Verbalangriffe von Vorgesetzten

Rhetorische Strategien, Kniffs und Tricks wie diese stehen im Zentrum eines dreistündigen Abendseminars mit dem Titel "Schlagfertigkeit - stets die passende Antwort" des Trainers Sven Sander. "Das ist lernbar", behauptet der Cuxhavener Motivator, der damit wirbt, "eine eigene Grammatik für Schlagfertigkeit" entwickelt zu haben. 16 Teilnehmer aus ganz unterschiedlichen Berufen - vom Marketingexperten bei Coca Cola über die Planerin für Inneneinrichtungen bis zur Anlageberaterin - haben sich in einem Konferenzraum eines Münchner Hotels eingefunden, um von Sander zu lernen, wie man mit kritischen Fragen und Verbalangriffen von Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden geschickt umgeht.

Lektion 1

Die Parameter der Körpersprache. "Wer schlagfertig sein will, muss Souveränität ausstrahlen", sagt Sander. Los geht es mit Übungen zur Körpersprache - schließlich kommunizieren wir noch mehr als mit Worten über unseren Körper. Also alle aufstehen und sich "baumstammgerade" hinstellen, beide Beine schulterbreit - und ein bisschen wie John Wayne dastehen. Um souverän zu wirken, braucht man eine aufrechte Haltung und muss den Blickkontakt des Gegenübers halten. Merke: Blickentzug ist Kommunikationsentzug! Also heißt es: blicken üben.

Dazu spielen die Seminarteilnehmer "Warten auf Godot", wobei es darum geht, dem Blick des anderen so lange standzuhalten, bis der erste lacht. Ein bewusster, stabiler Blick ist für eine souveräne Ausstrahlung ebenso wichtig wie eine klare, deutliche Stimme. Daher sollen sich alle noch einmal begrüßen: "Grüß Gott!", hallt es durch den Seminarraum.

Wie wirkt man bei einem Vortrag? Wohin nur mit den Händen? Hinter den Rücken, in die Hosentaschen? "Die Hände gehören in den sichtbaren Bereich und zwar zwischen Gürtelschnalle und Bauchnabel", erklärt Sander: Der Gürtel markiert die Nulllinie. Befinden sich die Hände unterhalb, wirkt das negativ, befinden sie sich leicht oberhalb, positiv. Hände hinter dem Rücken signalisiert: "Der nimmt sich zurück!"

Auf der nächsten Seite: Kniffs im alltäglichen Kleinkrieg - "Sie haben wohl ein schlechtes Gewissen?"

Den Kopf des Anderen in der Hand

Ein souveräner Referent steht immer in der Mitte des Raums: "Lassen Sie sich nicht von Powerpoint verdrängen", mahnt Sander wiederholt, was manchem Teilnehmer ein Fragezeichen auf die Stirn treibt. "Bei einem Powerpoint-Vortrag stehe ich immer neben der Leinwand, sonst verdecke ich dem Publikum die Sicht", sagt einer. "Falsch, Sie müssen direkt davor stehen", entgegnet Sander, "eine gute Folie benötigt einen guten Redner." Das Wichtigste sei der Redner selbst, betont er und zitiert Dieter Bohlen: "Wenn der Kuchen spricht, haben die Krümel Pause."

Lektion 2

Das richtige Verhalten bei kritischen Fragen. Wer schlagfertig sein will, vermeidet Füllwörter wie "eher", "eigentlich", "irgendwie", "vielleicht". Sie sind "Weichmacher", das heißt, sie weichen die Aussage auf. Statt dessen sollen die Seminarteilnehmer eindeutige und verbindliche Antworten geben.

Zwei Möglichkeiten nennt Sander nun, um bei kritischen Fragen gut auszusehen. Wie gesagt - Guttenberg! -, bei der Antwort die Lösung in die Zukunft legen. Und mit einem höheren, übergeordneten Ziel antworten. Zum Beispiel: Ein Kunde reklamiert etwas. "Nehmen Sie den Kopf des anderen gedanklich in die Hand", fordert Sander auf, "und vergessen Sie dabei bloß den Namen nicht", also in etwa so: "Das verstehe ich sehr gut, Herr Fischer. Ich habe eine Idee. Wir trommeln eine Projektgruppe zusammen und kommen in 14 Tagen mit einer Lösung auf Sie zurück."

Zweitens: Grundsätzlich gilt es, auf das gemeinsame Ziel zu verweisen - der passende Satz hierzu: "Im Kern geht es doch darum, dass ..." Ein alter Politikertrick, schließlich soll man ja trotz der vielen kleinen Probleme den Blick für das Wesentliche nie verlieren. Diese Strategie lässt sich im Übrigen auch gut bei dummen Bemerkungen von Kollegen anwenden. Beispiel: "Frau Haupt, Sie sind zu spät gekommen!" Antwort: "Entscheidend ist doch, dass ich überhaupt da bin." Angriff pariert, Konter geglückt.

Lektion 3

Keine Erklärungsversuche. "Wir rechtfertigen uns viel zu häufig", erklärt Sander, "und laufen so Gefahr, fremdgesteuert zu werden." Eine seiner Lieblingstechniken sei es daher, dem Vorwurf des anderen unerwartet zuzustimmen. Beispiel: "Sie haben da vorne einen Fleck auf der Hose!" Antwort: "Ja, hinten auch!" Weitere mögliche Standardantworten: "Gut beobachtet."

Weitere Kniffs im alltäglichen Kleinkrieg sind laut Trainer Definitions- und Konkretisierungsfragen. Beispiel: "Sie haben wohl ein schlechtes Gewissen?" Antwort: "Wie definieren Sie Gewissen?" Oder: "Nennen Sie mir doch mal ein konkretes Beispiel." Darüber hinaus, so Sander, lasse sich auch gut kontern mit Sätzen, die mit "Sie scheinen ..." beginnen. Hier gibt man dem Gegenüber ein Feedback, indem man mit seinem Angriff über sich selbst aussagt: "Sie könnten wieder mal ihr Auto waschen." Antwort: "Sie scheinen großen Wert auf Sauberkeit zu legen."

Lektion 4

Die Seminarteilnehmer üben das Gehörte, indem sie ihrem Gegenüber eine kleine Gemeinheit an den Kopf werfen: "Sie haben ja schon wieder ein neues Kleid", sagt einer. "Gut beobachtet", pariert die Angesprochene.

Bei gemeineren Angriffen empfiehlt es sich, den anderen mit ins Boot zu holen. Beispiel: "Sie sind inkompetent!" Antwort: "Dann haben wir schon eine Gemeinsamkeit." Schwieriger wird es bei vorwurfsvollen Warum-Fragen. Hier seien Gegenfragen durchaus erlaubt, sagt Sander, der eloquent und unterhaltsam durch den Abend führt.

Zwar bleibt vieles an der Oberfläche, aber das Seminar bietet eine Auffrischung rhetorischen Basiswissens und verdeutlicht noch einmal, wie wichtig die Körpersprache ist. "In drei Stunden habe ich mehr gelernt als bei einem früheren Wochenendseminar zum selben Thema, das mich wesentlich mehr gekostet hat", sagt ein Teilnehmer hinterher.

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Quelle:
SZ vom 16.5.2009/bön
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