Scheitern im Job:"Ich hab's total verbockt"

Wer ein wichtiges Projekt an die Wand fährt, schweigt oft aus Scham. Bei der Fuck-Up-Night in Düsseldorf ist das anders: Hier erzählen Menschen, wie sie im Job versagt haben. Vier Protokolle von hoffnungsvoll gescheiterten Gründern.

Von Anne Hemmes

Im Job zu scheitern kann einsam machen. Oft ist die Scham zu groß, um einzugestehen, dass die tolle neue Stelle in Wahrheit ein Albtraum ist oder das eigene Startup nie wirklich in die Gänge kam. Wer will schon vor Familie, Freunden und Bekannten als Versager dastehen - in einer Gesellschaft, die nach Erfolgsgeschichten giert?

Bei einer Fuck-Up-Night kann jeder über berufliches Scheitern sprechen - im besten Fall mit Mehrwert für die Zuhörer. Es muss ja nicht jeder die gleichen Fehler machen. Die Idee stammt aus Mexiko. Ein paar Freunde saßen abends zusammen und unterhielten sich über ihr Leben und das Unternehmer-Dasein. Nach und nach erzählte jeder von seinen Misserfolgen. Der Abend sei ihnen als eines der wichtigsten Gespräche ihres Berufslebens in Erinnerung geblieben und sie entwickelten ein Format daraus. So steht es jedenfalls in der "FuckUp-Anleitung" der Gründer. Die Organisatoren schreiben dort, dass sie überzeugt sind, aus Fehlern besser lernen zu können als aus Erfolgen.

Inzwischen gibt es Fuck-Up-Nights in mehr als zehn Ländern und 30 Städten. Organisator Benjamin Teeuwsen, selbst Gründer eines Startups, hat die Idee aus einem Urlaub in Mexiko nach Deutschland geholt. In Düsseldorf hören Freiberufler, Handwerker, Startup-Gründer - etwas mehr Männer als Frauen - Menschen zu, die ihre "FuckUps" offenlegen. Ihre Geschichten in vier Protokollen.

"Meine Motivation war: Ruhm, Reichtum und Flexibilität"

Mladen Panov, selbstständig:

Vor zwei Jahren habe ich mit Freunden ein Startup gegründet. Ich war damals noch Student an der Uni Köln, als ein Freund und ich eine App entwickeln wollten, mit der man Taxis buchen kann - ähnlich wie die MyTaxi-App, die es heute gibt. Ich fand die Idee so super, dass wir sofort losgelegt haben, ohne Plan. Wir sind zu Ikea gefahren und haben uns Schreibtische und Regale gekauft.

Meine Motivation war: Ruhm, Reichtum und Flexibilität. Man liest so viele Erfolgsstorys aus den USA von Startup-Gründern, die über Nacht Millionär geworden sind. Über die Herausforderungen für Gründer wird dagegen kaum gesprochen. Es hat aber nicht lange gedauert und wir haben die Realität kennengelernt.

"Das Startup war unser Baby"

Ein eigenes Startup zu gründen, ist verdammt hart. Familie und Freunde kommen zu kurz. Außerdem sollte ich auf einmal Experte in vielen Dingen sein, von denen ich vorher nur eine vage Ahnung hatte. Marketing, zum Beispiel, oder bei Steuern oder Betriebswirtschaft. Mir persönlich hat mein Studium da nicht weitergeholfen. Sich einzuarbeiten, hat wahnsinnig viel Zeit gekostet.

Viele Gründer machen sich zu wenig Gedanken, ob ihre Idee wirklich Potenzial hat. Erst neun Monate nachdem wir gestartet sind, haben wir potenzielle Nutzer befragt und festgestellt: Die Zielgruppe hat kein großes Bedürfnis von bestehenden Apps auf unsere umzusteigen. Die Änderungen, die wir im Vergleich zu den Apps, die es schon gab, angeboten haben, waren schlicht zu marginal.

Das Geld, das wir damals verloren haben - ein paar Tausend Euro -, war die Erfahrung wert. Einerseits war es traurig, denn das Startup war unser Baby, andererseits haben wir nicht viel verloren und dafür sehr viel gelernt. Heute beraten wir Unternehmen dabei, innovative Produkte zu entwickeln - ohne großes Risiko, also anders als wir es beim ersten Mal gemacht haben. So hilft mein Scheitern heute anderen Gründern.

"Ich dachte, ich werde der neue David Guetta"

Martin Kretschmer, Projektmanager:

2003 hatte ich die Idee, für ein paar kleine Bands aus Süddeutschland Coversongs zu machen. Ein befreundeter Musiker kam auf mich zu und sagte, dass er noch ein paar Songs rumliegen hätte. Ich habe gesagt: Okay, lass uns doch einfach eine Schallplatte machen. In den Niederlanden kann man günstig Platten pressen lassen, wir machten 200 Stück. Es gab damals eine kleine, aber sehr gut vernetzte Szene, deren Geschmack die erste Platte genau traf. Das Ding war ein Selbstläufer und ausverkauft, bevor es bei mir angekommen ist. Ich dachte: Geil, ich werde der neue David Guetta!

Dieser Erfolg hat mich übermütig werden lassen, ich habe mich verrannt. Ich habe es mit einer Mischung aus einem zielstrebig an der Masse vorbeikalkulierten Geschmack und dem dazugehörigen Pech geschafft, dass meine Platten am Ende für die Tonne waren. Es hat sich einfach kein Mensch dafür interessiert. Die Musik war ein wilder Stilmix, mit dem ich fast alle vergrault habe.

"Mein Haus, mein Auto, mein Pferd"

Irgendwann hatte ich 1500 Schallplatten auf dem Dachboden liegen. Da habe ich mir überlegt: Vielleicht verbrenne ich die einfach irgendwo, dann habe ich wenigstens noch einen Youtube-Hit.

Rückblickend muss ich sagen: Ich hatte überhaupt keinen Plan. Ich hatte mich nicht schlau gemacht, wie das mit der Gema funktioniert, mit dem Vertrieb und überhaupt. Ich fand meine Geschäftsidee total super und 13 andere Leute auch - aber das war's. Ich dachte, ich brauche keine Hilfe von anderen, ich wollte es alleine schaffen.

2003 ist lange her, ich kann ganz gut mit dem Scheitern umgehen und auch sagen: Es ist schon lustig, was damals alles passiert ist. Natürlich kostet es Überwindung, zu sagen: "Es ist schlecht gelaufen aus den folgenden Gründen und ich bin mit daran schuld." Aber wenn man es unter den Teppich kehrt, wird es auch nicht besser. Menschen, die scheitern, finde ich interessanter. Wenn man etwas super macht, klopfen einem die Leute bloß auf die Schulter. Es ist so wie "Mein Haus, mein Auto, mein Pferd", das will doch keiner hören.

"Es war wie in einem schlechten Film"

Anna Bidowetz, Projektmanagerin:

Meine damalige Geschäftspartnerin und ich wollten in Köln Arbeitsplätze für Freelancer und Startups anbieten. Mit 520 Quadratmetern fingen wir an, nach spätestens zwei Jahren wollten wir die Fläche verdoppeln. Wir sind davon ausgegangen, dass es sich nur finanziell trägt, wenn wir groß denken. Ich hatte damals einen Job, habe studiert, es war alles fein - aber ich wollte unbedingt mitmachen.

Wir haben uns bei unserem Konzept am "Betahaus" in Berlin orientiert. Das ist ein Ort, an dem Freiberufler, kleine Agenturen oder Kreative Arbeitsplätze mieten können. Die Infrastruktur, also Schreibtisch, Telefon und so weiter, wird gestellt. Zusätzlich gibt es dann noch Bereiche für Veranstaltungen und Gastronomie. In Berlin lief das sehr erfolgreich, das wollten wir in Köln auch umsetzen.

Wir haben einen Businessplan geschrieben, aber keine Kredite bekommen, weil unser Geschäft als "hoch risikoreich" eingestuft wurde. Das hätte uns warnen sollen. Wir haben dann im privaten Umfeld Leute gesucht, die uns mitfinanzieren wollen. Darüber kam viel Geld zusammen. Aus meinen Bekanntenkreis gab es einen Darlehensgeber, der uns in Geldfragen betreuen wollte.

"Wir wollten eine Erfolgsstory schreiben"

Wie in einem schlechten Film ist er von heute auf morgen verschwunden und hat sich nicht mehr gemeldet. Mit ihm war natürlich auch ein Großteil unserer Finanzierung verloren. Aber wir hatten zu dem Zeitpunkt schon mit dem Umbau angefangen. So mussten wir die Investitionen nach unten schrauben und haben in einem Team von fünf, sechs Leuten viel selber gemacht. Renoviert, geputzt, Teppich verlegt. Wir wollten so schnell wie möglich eröffnen.

Aber wir haben die Miete unterschätzt - und dass unser Unternehmen von Tag eins an durch die Decke hätte gehen müssen. Das haben wir nie kommuniziert, weil wir eine Erfolgsstory schreiben wollten. Ich war naiv, wollte die Kölner Arbeitswelt ein bisschen revolutionieren. Wir haben nicht bedacht, dass Köln konservativer ist als Berlin und dass die Szene eine andere ist.

Kurz nachdem wir geschlossen hatten, wollte ich weglaufen. Umziehen in eine andere Stadt, wo mich niemand kennt. Inzwischen ist es in Ordnung. Ich habe meine Masterarbeit noch über unser Startup geschrieben. Das hat mir geholfen hat, mein Scheitern zu versachlichen. Direkt danach wäre es zu schmerzhaft gewesen, darüber zu sprechen.

"Die Reaktionen waren verheerend"

Stefan Lange-Hegermann, Angestellter:

Es war grausam. Als ich vor ein paar Tagen recherchiert habe, wie es damals war, hatte ich ein Déjà-vu und dachte: "Oh mein Gott, wie schrecklich war das alles."

Ich hatte 2008 zu Hause angefangen, eine App im Auftrag meines Arbeitgebers zu entwickeln, die folgendes konnte: Voicemail, Anruflisten, Kontakte bei Sipgate und im iPhone archivieren, Sms versenden und empfangen, Faxe empfangen und sogar Faxe versenden. Faxe? Das klingt heute fast skurril.

Wir haben die App in den Appstore gestellt und die ersten Reaktionen waren verheerend. Unsere Kunden konnten die App zwar runterladen, aber nicht benutzen. Also haben wir Version 1.1 gebaut. Die Reaktionen waren verheerend - wieder.

"Es war ein sehr teures Experiment"

Später haben wir unsere App auch für den amerikanischen Markt aufgesetzt. Aber auch hier: furchtbare Reaktionen. Man konnte sich mit den amerikanischen Accounts nicht einloggen, wir wussten nicht warum.

Irgendwann mussten wir uns eingestehen: Die App kann viel, aber sie stürzt auch unheimlich oft ab. Das war's dann wohl. Am Ende blieb uns einfach nichts anderes übrig, als dieses sehr teure Experiment zu beenden.

Wir haben daraus gelernt, dass man Dinge erstmal im kleinen Rahmen ausprobieren sollte. Und wichtig ist auch, dass man sich einprägt: "Du bist nicht dein eigener Kunde." Oft hilft es schon, Freunde und Bekannte zu fragen, ob sie die Idee überhaupt spannend finden.

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