Vor fünf Jahren riefen Holm Friebe, 38, und Sascha Lobo, 36, die digitale Boheme aus: Möglichst freies Arbeitsdasein mit moderner Technologie. Jetzt sitzen sie in Berlin auf bequemen Sofas im Soho-Club, in der ehemaligen Parteizentrale der SED. "Lange nicht gesehen", sagt Friebe zu Lobo zur Begrüßung. Ihre Berufswege trennten sich ein wenig: Während der gelernte Werbetexter Lobo als Interneterklärer durch Talkshows und Konzernzentralen tingelt, konzentriert sich Ökonom Friebe auf die Zentrale Intelligenzagentur, einem Mix aus Literatur, Veranstaltungen und Firmenprojekten, deren Kunden von Daimler bis zum Ingeborg-Bachmann-Preis reichen.
Sascha Lobo (Bild) und Holm Friebe pfeifen auf einen festen Job. Sie arbeiten lieber selbstbestimmt und kreativ.
(Foto: dpa)SZ: Ihr Buch erntete abwechselnd Ablehnung, Interesse und Häme. Wie ist die Bilanz?
Holm Friebe: Wir haben einen Nerv getroffen, nachdem erst einmal 14 von 15 Verlagen die Buchidee abgelehnt hatten. Wir bekamen viele Rückmeldungen von Leuten, die sagten: Das war der Anstoß, den wir brauchten, jetzt schmeißen wir unseren Job hin und machen uns selbständig. Insgesamt wächst die Zahl der Selbständigen, nachdem sie lange zurückging.
Sascha Lobo: Im 20. Jahrhundert hat die Individualisierung, das Selbstbestimmte, vor allem in der Freizeit oder beim Konsum stattgefunden. Jetzt soll es sie auch bei der Arbeit geben.
SZ: Das sind große Worte.
Friebe: Ob freie Jobs oder Festanstellung, es geht darum, diesen Präsentismus der Anwesenheit am Schreibtisch von neun bis 19 Uhr abzulehnen . . .
Lobo: . . . und den Sinn anzuzweifeln, denn es geht gar nicht nur um Produktivität. Deutsche Chefs neigen dazu, sich über die Kontrolle ständig präsenter Mitarbeiter zu definieren. Home-Office-Tage oder gar Teilzeit sind für die Karriere riskant.
Friebe: Weiter sind amerikanische Firmen wie der Online-Verkäufer Best Buy, wo es in großen Teilen nur noch Vereinbarungen über die Ergebnisse der Arbeit gibt. Wann und wo jemand die erbringt, ist egal. Aber das passt nicht zum männlichen Leistungskult, bei dem Karrieristen stolz sind, abends als Letzter im Büro das Licht auszumachen. Dabei lassen sich mit solcher Arbeit weder Familie noch soziales Engagement oder ernsthafte Hobbys verbinden.
SZ: Für viele Arbeitnehmer klingt der Begriff Flexibilität nach Ausbeutung ohne Festanstellung, Sozialschutz und Feierabend.
Lobo: Natürlich hat der Begriff beide Seiten, wie ungefähr alles. Einerseits verspricht Flexibilität ein selbstbestimmtes Leben nach eigenen Prioritäten, ein Pluspunkt, der in der hiesigen angstbestimmten Diskussion viel zu kurz kommt. Andererseits kommen einige Freiberufler nicht über die Runden: 150.000 Selbständige stocken ihren Verdienst mit Hartz IV auf, wirtschaftlich gesehen gibt es ein Ich-AG-Prekariat.