Der Tag des Renteneintritts ist da, das Berufsleben endet - doch viele Menschen würden gerne weiter arbeiten. Für sie hat die Wienerin Klaudia Bachinger, 33, ein Jobportal mit dem etwas sperrigen Namen WisR (ausgesprochen "weiser") gegründet. Registriert haben sich bisher 4000 Menschen kurz vor oder nach dem offiziellen Renteneintrittssalter und 350 Arbeitgeber, die alle möglichen Beschäftigungsarten anbieten: Teilzeit oder Vollzeit, Projektarbeit, Werkverträge, saisonale oder freiberufliche Tätigkeiten.
SZ: Ihre Plattform wendet sich gezielt an Menschen über 60 Jahre. Warum?
Klaudia Bachinger: Menschen werden immer älter und haben, wenn sie in Pension gehen, noch ziemlich viele Jahre vor sich. Bei meiner Oma habe ich erlebt, wie schwierig es für einen gesunden, fitten Menschen ist, von einem Tag auf den anderen keine sinnvolle Aufgabe mehr zu haben. Sie hätte so gerne ihre Erfahrungen weitergegeben und noch einmal etwas Neues gelernt. Aber sie wusste einfach nicht, wie sie es anstellen sollte - darunter hat sie sehr gelitten.
Das brachte Sie auf die Idee, ins Jobvermittlungsgeschäft einzusteigen?
Die Initialzündung für unser Start-up war ein Besuch in Japan, gemeinsam mit meinen beiden Mitgründern Carina Roth und Martin Melcher: In vielen japanischen Städten und Gemeinden gibt es sogenannte Silver Human Resources Center. Sie vermitteln Tätigkeiten in allen möglichen Bereichen des öffentlichen Lebens an Menschen jenseits der sechzig. Dort haben wir mit eigenen Augen gesehen, wie Arbeit Menschen auch im Alter fit und gesund halten kann.
Wie funktioniert Ihre Plattform?
Wir bringen aktive Ruheständler mit Unternehmen zusammen. Bewerber können bei uns kostenlos ein Profil anlegen und werden in der Regel direkt von Firmen angesprochen. Unternehmen haben die Möglichkeit, ganz klassisch Stellenanzeigen zu schalten oder anhand eines Matching-Tools nach passenden Kandidaten zu suchen. Daneben bieten wir den Unternehmen auch eine firmeninterne Lösung für pensionierte Mitarbeiter an. Über diesen Weg bleiben Arbeitgeber in Kontakt mit ehemaligen Mitarbeitern und können sie bei Bedarf akquirieren.
Wie sieht es mit Jüngeren aus? Darf sich die Generation 50plus auch bei Ihnen melden?
Natürlich. Gerade in Deutschland melden sich viele, die erst Mitte 50 sind. Bei ihnen ist die Motivation meistens eine etwas andere: Während die 50-Jährigen eher Vollzeitstellen suchen, geht es den Älteren vor allem darum, ihre Erfahrungen und ihr Know-how weiterzugeben. Geld spielt dabei oft gar nicht so die Rolle. Es ist eher der Antrieb, noch irgendwo mitzumachen.
Wie kommt Ihr Angebot bei Unternehmen an?
Viele haben das Thema noch gar nicht auf dem Radar. Alle reden über den Fachkräftemangel und rufen laut nach Arbeitskräften. Aber dass Diversität auch die Dimension Alter betrifft, bedenken die wenigsten. In Gesprächen mit Personalverantwortlichen stellen wir fest, wie tief Vorurteile gegenüber Älteren verankert sind. Viele fragen nicht einmal, ob ihre Mitarbeiter vielleicht länger weiterarbeiten wollen. Unternehmen müssen begreifen, wie viel Geld es sie kostet, wenn ihnen all diese Erfahrung und dieses Wissen verloren gehen.
In welchen Bereichen sind Ältere denn besonders gefragt?
Im Vertrieb, in der Kundenbetreuung oder in der Unternehmensentwicklung. Sogar an digitale Start-ups haben wir schon Bewerber vermittelt. Gerade junge Gründer holen gerne Ältere mit an Bord, die schon viel gesehen haben und Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können. Auch uns war von vorneherein klar, dass wir für unser kleines Team erfahrene Leute brauchen, die uns in beratender Funktion zur Seite stehen. Inzwischen sind drei unserer Mitarbeiter Anfang 60, unser Buchhalter Edmund zum Beispiel. Er ist die Ruhe und Sorgfalt in Person, erinnert mich immer an meine Belege und verbreitet jeden Tag gute Laune.