Karrieretipps einer Diplomatin:"Die Trennung von Mensch und Funktion ist unnatürlich"

War Diplomatin, Regierungssprecherin und berät heute Manager: Gerlinde Manz-Christ

Sie war Diplomatin, Regierungssprecherin und berät heute Manager: Gerlinde Manz-Christ.

(Foto: Tres Camenzind)

Diplomaten sind Verhandlungsprofis. Dabei gehen sie immer fair mit Gesprächspartnern um. Die Ex-Diplomatin Gerlinde Manz-Christ will das auch Managern und Mitarbeitern beibringen.

Interview von Larissa Holzki

In Unternehmen kommt es ständig zu Konflikten. Weil Manager Gewinne erzielen müssen. Weil die Chefin nicht jeden befördern kann. Die ehemalige Diplomatin Gerlinde Manz-Christ hat beobachtet, wie Menschen unter diesen Bedingungen miteinander umgehen und setzt sich für einen sanfteren Wettbewerb ein. Sie berät Unternehmen in der Kommunikation und Konfliktlösung.

SZ: Frau Manz-Christ, wie kann eine ehemalige Diplomatin Managern helfen?

Gerlinde Manz-Christ: Nach meiner Diplomatenzeit war ich Regierungssprecherin in Liechtenstein. In dieser Funktion hatte ich viel mit Unternehmen zu tun. Ich habe einen Eindruck davon bekommen, wie sie funktionieren, und auch gemerkt: Der Umgang ist viel direkter als ich das von der Diplomatie kannte. Gerade bei Automobilzulieferern geht man teilweise sehr ruppig miteinander um. Hier kann die Diplomatie helfen, einen angenehmeren Umgang miteinander zu pflegen.

Diplomaten stehen genauso unter Druck wie Vertreter aus der Wirtschaft. Warum gelingt es ihnen besser, dabei fair zu bleiben?

Diplomaten verhandeln aktiv und oft unter großem Druck. Dabei sind sie aber immer darauf bedacht, dass die Beziehungen auch langfristig gut bleiben. Deshalb streben sie immer eine Win-Win-Situation an, bei der jeder etwas gewinnt und keine Kompromisse, bei denen jeder etwas verliert. Führungskräfte und Mitarbeiter stehen auch unter unglaublichem Druck. Sie haben in der Regel aber vor allem die kurzfristigen Ziele im Blick. Aber umso wichtiger ist das Miteinander. Auf lange Sicht steigert es die Produktivität, wenn die Leute besser miteinander umgehen.

Da werden Manager bestimmt fragen, wie Sie das bemessen wollen.

Das lässt sich leicht ausrechnen. Wenn das Vertrauen in einer Organisation sinkt, werden oft Kontrollinstanzen eingeführt und damit wird langsamer gearbeitet. Es wird Arbeit doppelt gemacht, die Kosten steigen. Es ist aber auch ein Irrtum, dass es in der Wirtschaft immer nur um Zahlen, Daten und Fakten geht. In Unternehmen wird oft mehr politisiert als in der Politik.

Wie meinen Sie das?

Es wird viel herumgeweibelt, sagt man auf Österreichisch. Die Leute arbeiten nicht nur fachlich. Sie schauen: Wie kann ich meine Position festigen? Mit wem muss ich mich gut stellen? Wem muss ich einen Gefallen tun, damit ich einen Stein im Brett habe? Und wen muss ich da ins Boot holen?

Das heißt, eigentlich verfolgt jeder nur seine eigene Agenda und um die Unternehmensziele geht es nur vordergründig?

Letztlich geht es immer um den Menschen. Ob in der Wirtschaft, in der Politik, in der Diplomatie. Der Mensch handelt, der Mensch will überzeugt werden und seine Interessen durchsetzen. Ob das ein Staatspräsident, der Zuarbeiter, der CEO ist. Mit dem Menschen hinter der Funktion muss ich Vertrauen bilden. Dann habe ich bessere Ergebnisse - sowohl für mich als auch für das Unternehmen.

Das müssen Sie an einem Beispiel erklären. Sagen wir, meine Vorgesetzte spricht nur noch im Befehlston mit mir und geht unfreundlich mit mir um.

Wenn ich mir selbst keiner Schuld bewusst bin, würde ich mir überlegen, die Chefin in einem Vieraugengespräch darauf anzusprechen. Den Menschen hinter der Funktion zu sehen, heißt dann zu fragen: Ich habe den Eindruck, Sie gehen plötzlich sehr barsch mit mir um. Habe ich etwas Falsches gesagt? Oder gibt es da etwas, das ich wissen sollte?

Das kann aber doch schnell schief gehen. Nicht jeder Vorgesetzte wird sich damit wohlfühlen, wenn ein Mitarbeiter ihn durch die Blume fragt, ob er aktuell dem Druck nicht gewachsen ist.

Ich würde sagen, ich beobachte das und das - sehe ich das richtig? Und dann genau zuhören, was er oder sie sagt. Es geht darum, den anderen oder die andere das Gesicht wahren zu lassen, auch oder gerade wenn Sie eine vermeintliche Schwäche zu erkennen glauben. Signalisieren Sie: Ich bin auf Ihrer Seite, ich bin ein vertrauensvoller Unterstützer. Was glauben Sie, warum Kollegen oft Golf spielen gehen oder zusammen beim Fußball sitzen?

Warum der CEO und der Manager so gerne zusammen golfen

Gute Frage - jedenfalls halten sie nach dem Stadionbesuch zusammen. Das ist im Zweifel nicht gut für diejenigen, die nicht dabei waren.

Das ist die menschliche Seite! Da geht nicht der CEO mit dem Manager. Da geht der Robert mit dem Erwin. Auch wenn die beiden im Büro wieder in ihre Rollen schlüpfen, werden Sie merken: Die begegnen sich als Menschen, die kennen und vertrauen sich.

Vielen Menschen ist es heute sehr wichtig, Berufliches und Privates zu trennen. Reicht es nicht, dass meine Chefin meine Chefin ist? Ich muss tun, was sie sagt. Sie muss mich fair behandeln - ganz einfach?

Dieses Verhalten gilt heute ja gemeinhin als professionell. Ich sehe das anders. Wer den ganzen Tag eine Rolle spielt, muss sich nicht wundern, wenn er abends einen Coach oder Therapeuten braucht. Die Trennung von Mensch und Funktion ist unnatürlich, führt zu Stress und Konflikten.

Aber das ist doch frustrierend. Nicht jeder will und kann mit dem Chef Golfen gehen.

Das müssen Sie auch nicht. Wichtig ist, dass Sie sich Klarheit darüber verschaffen: Ich sehe, da sind Allianzen. Ich bin nicht in diesem Zirkel drin. Wäre ich gern dabei? Was müsste ich tun, um da reinzukommen? Muss ich da auch am Samstag Golf spielen gehen? Oder mich ein bisschen über Fußball informieren? Und ist es mir das wert? Oder sage ich: Das will ich nicht. Dann kann ich entscheiden, ob ich bleibe und mit der Enttäuschung lebe oder ob ich das Unternehmen lieber verlasse.

Haben Frauen überhaupt eine Chance, in solche Allianzen reinzukommen? Es ist ja kein Zufall, dass Sie Veranstaltungen nennen, zu denen vor allem Männer gehen.

Schauen Sie mich an. Ich war im diplomatischen Dienst in Österreich zu einer Zeit, in der es nur ganz wenige Frauen dort gab. Diplomatie hat mich total fasziniert. Ich hätte zwar nichts getan, was mit gegen den Strich geht. Aber ich habe mich gefragt: Was muss ich tun und wie kann ich das auf meine Weise tun? Und als ich eine gute Position hatte, habe ich selbst Frauen gefördert. Heute sind etwa genauso viele Frauen wie Männer unter den österreichischen Diplomaten.

Sie coachen auch angehende Führungskräfte. Gibt es eine spezielle Übung, um Konfliktsituationen mit Kollegen und Vorgesetzten zu verstehen und zu lösen?

Ich mache sehr gerne Rollenspiele. Die Teilnehmer sollen zum Beispiel die Rolle ihres Vorgesetzten übernehmen. Sie haben dann sein Geld, seine Macht, aber und auch seine Probleme und sollen beschreiben, wie es ihnen geht. Danach sind sie oft noch nicht zufrieden. Aber sie sehen die Situation mal aus der anderen Perspektive. Das kann viel Verständnis für den anderen bewirken.

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