Süddeutsche Zeitung

Richtig reden:"Ähm ..."

Ein gelungener Vortrag sollte das Thema erschöpfen, nicht die Zuhörer. Doch viele Redner scheitern an Lampenfieber, quälen ihr Publikum mit Stottern und Nuscheln. Sprechtrainings helfen.

Julia Bönisch

"Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert bis zu dem Zeitpunkt, an dem du aufstehst, um eine Rede zu halten." Dieser Satz Mark Twains bewahrheitet sich jeden Tag in Hunderten von Meetings und Konferenzen.

Da haben Kollegen und Geschäftspartner Tage in die Vorbereitung aufwändiger Präsentationen gesteckt - doch wenn es daran geht, die vielen bunten Bildchen mit Worten zu erläutern, versagen selbst gestandene Manager kläglich. Sie zerstückeln ihre Vorträge mit überflüssigen "Ähs" und "Ähms", verhaspeln sich vor lauter Nervosität, piepsen in unnatürlich hoher Stimmlage oder bringen vor lauter Lampenfieber erst gar keinen vernünftigen Satz heraus.

Mit wenig Charme auf der Bühne

"Rund 90 Prozent der Zeit stecken Redner in die Produktion schöner Folien", bestätigt Ingeborg Grosz, die in ihrem Münchner Institut für Sprechkultur Führungskräften das Reden beibringt. "Aber auf den Vortrag und die Sprache wird viel zu wenig Wert gelegt."

Viele Redner seien so beschäftigt mit sich selbst, dass sie ihr Publikum völlig vernachlässigten. "Vor lauter Nervosität sieht der Sprecher nicht, dass die Zuhörer schon längst abgeschaltet haben." Die wenigsten sind sich darüber im Klaren, wie wenig Charme sie auf der Bühne versprühen. Deshalb nimmt Grosz ihre Kunden bei einer kleinen Rede auf Video auf.

Für viele ist das eine Offenbarung: Sie reihen ohne Pause Wörter aneinander, verbinden sämtliche Teilsätze mit "und", so dass eine zehnminütige Ansprache aus einem einzigen Satz besteht. Andere schauen aus dem Fenster oder an die Decke statt ins Publikum, während sie sich den nächsten Punkt überlegen. Wieder andere sprechen einfach zu leise oder nuscheln.

Stiefkind Rhetorik

Die Rhetorik wird in Deutschland seit langem stiefmütterlich behandelt. An weiterführenden Schulen unterrichten Lehrer die hohe Kunst der freien Rede höchstens in freiwilligen Nachmittags-Kursen. Auch an der Uni lernen Studenten nicht, wie sie packende Referate halten und Zuhörer fesseln. In Großbritannien dagegen sind Debattierklubs feste Einrichtungen, auch in den USA stehen Rhetorikseminare auf dem Lehrplan jeder Highschool.

Zu Recht, meint Sprachtrainerin Grosz. Denn selbst von einem Vortrag mit den schönsten Inhalten bleibt nichts hängen, wenn die Stimme nicht mitspielt. "Umgekehrt kann man aber mit einer tollen Stimme und einer guten Präsentationstechnik so manche inhaltliche Schwäche kaschieren", sagt sie. Der häufigste Fehler, den sie ihren Kunden austreiben muss, ist die Langeweile: Eine monotone Stimme, Redner, die in der immer gleichen Stimmlage präsentieren und so viel Energie wie eine Schlaftablette ausstrahlen.

Im zweiten Teil: Auf welche fünf Faktoren erfolgreiche Redner achten sollten.

Atemübungen und Stimmtraining

Um all diese Fehler zu korrigieren, stehen bei den meisten Sprechtrainings auch Atemübungen und Stimmtraining auf dem Programm. "Das Sprechen ist ein muskulärer Vorgang, also kann man die beteiligten Muskeln auch trainieren", erklärt Grosz. "Das ist wie bei Sportlern." Dazu erklärt sie etwa die Arbeitsweise des Zwerchfelles, die verschiedenen Resonanzräume im Schädel und das Sprechwerkzeug, zu dem nicht nur die Zunge zählt. Der Einsatz und die Stellung von Gaumen, Zähnen und Lippen ist ebenso entscheidend.

Artikulation und Konzentration müssen die Teilnehmer in anschließenden Übungen trainieren: Wer den Spruch "Jäh aus Schlingen und Schleifen schlüpfen geschmeidig, schnell verschwinden, schreckende Schlangen" langsam und deutlich sprechen kann, scheitert vielleicht an den H- und T-Lauten in folgendem Satz: "Helfe, Held, dem, der elend lebte, eh' er erkennend gelernt, fremder Herren Geld zu verwerfen."

Wechsel zwischen Anspruch und Unterhaltung

"Um die Zuhörer zu fesseln, sollte jeder Redner auf fünf Faktoren achten", erklärt Grosz, die Sprecherziehung an den Universitäten Bamberg und Passau gelehrt hat. "Entscheidend sind das Sprechtempo, die Betonung mit dem Wechsel zwischen leise und laut, sowie die Modulation, also der Wechsel zwischen hohen und tiefen Tönen. Am Satzende etwa sollte sich die Stimme senken." Darüber hinaus solle ein Sprecher inhaltlich zwischen anspruchsvollen und leichteren Textpassagen wechseln.

Zu guter Letzt gehe es auch um Körpersprache, mit der ein Redner das Gesagte unterstreichen könne. "Niemand sollte sich mit übertriebener Gestik behelfen oder andere imitieren", erklärt Grosz. "Ein Redner sollte nur Bewegungen ausführen, die ihm auch liegen."

Nervösen Sprechern empfiehlt sie, sich auf ihre ersten fünf Sätze zu konzentrieren. "Der Einstieg ist entscheidend", erklärt Grosz. "Wenn am Anfang alles sitzt, zieht ein Redner seine Zuhörer sofort auf seine Seite." Spätere Patzer verzeihe ein Publikum fast immer - vor allem, wenn sie von einem charmanten Lächeln begleitet würden. "Ein nettes Lachen schafft immer Sympathie."

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