Rettungspaket für Hochschulen:Unis zum Abwracken

Tausende unbesetzte Lehrstühle, marode Gebäude, dazu ein Studentenansturm: Die Hochschulen warten auf ein Rettungspaket der Politik, das sie vor einem Kollaps bewahren soll.

T. Schultz

Nie zuvor gab es in Deutschland so viele Schüler, die das Abitur und damit das Recht zum Studieren erworben haben. Im vergangenen Jahr waren es 441.000 Jugendliche - das sind 45 Prozent des Jahrgangs. An die Hochschulen drängen immer mehr Bewerber, in den kommenden Jahren könnte es zu einem regelrechten Ansturm kommen. Die Hochschulen warten deshalb auf ein Rettungspaket der Politik, das sie vor einem Kollaps bewahren soll: An diesem Montag wollen die Fachminister von Bund und Ländern in Berlin über Finanzhilfen für Forschung und Lehre entscheiden.

Rettungspaket für Hochschulen: Medizin-Vorlesung in Leipzig: Bis zum Jahr 2015 sollen 275.000 zusätzliche Studienplätze entstehen.

Medizin-Vorlesung in Leipzig: Bis zum Jahr 2015 sollen 275.000 zusätzliche Studienplätze entstehen.

(Foto: Foto: ddp)

Im Gespräch für den geplanten "Hochschulpakt" sind etwa sieben Milliarden Euro, je zur Hälfte finanziert von Bund und Ländern. Mit dem Geld sollen die Unis ausgebaut und mehr Dozenten eingestellt werden; bis 2015 sollen 275.000 zusätzliche Studienplätze entstehen. Doch noch streiten die Minister verbissen über die Verteilung des Geldes, jeder will möglichst viel Bundeszuschüsse einstreichen. Einig ist man sich, dass die ostdeutschen Länder selbst dann Geld bekommen sollen, wenn sie die Zahl ihrer Studienplätze stabil halten oder sogar leicht abbauen. Denn im Osten ist der demographische Wandel bereits zu spüren, die Abiturienten-Zahl sinkt; künftig sollen deshalb mehr Schüler aus dem Westen zum Studieren in den Osten gehen.

Bisher ist die innerdeutsche Mobilität der Studenten eher gering. Es gibt allerdings einige Bundesländer, die vergleichsweise viele Abiturienten aus anderen Regionen aufnehmen und mit ihren Hochschulen nicht nur den Bedarf ihrer "Landeskinder" decken. Das betrifft vor allem die Stadtstaaten und Rheinland-Pfalz, wo viele Abiturienten aus Hessen und Baden-Württemberg studieren.

Zeitraubendes Hickhack

Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) beansprucht dafür nun eine Belohnung. Sie will ein Prinzip mit dem Namen "Geld folgt Studierenden" durchsetzen und hat dafür viele komplizierte Formeln vorgelegt, die alle auf eines hinauslaufen: Rheinland-Pfalz bekäme mehr Geld. Doch die Union und vor allem Bayern und Baden-Württemberg weisen dies scharf zurück. Sie warnen davor, den Hochschulpakt zu einem zweiten Länderfinanzausgleich umzufunktionieren.

An den Hochschulen sieht man das Hickhack mit großer Sorge. Sollten sich die Minister nicht einigen, liefe die Zeit davon. Eigentlich sollen die Ministerpräsidenten schon Anfang Juni das fertig verhandelte Rettungspaket für die Wissenschaft billigen. Gelingt das nicht, könnten die Finanzkrise und die nahende Bundestagswahl das ganze Programm gefährden. Und das beträfe nicht nur den Hochschulpakt. Die Minister beraten am Montag zugleich über eine Fortsetzung der Exzellenzinitiative für die Spitzenforschung und über Geld für außeruniversitäre Institute; dabei geht es noch einmal um je zwei bis drei Milliarden Euro.

Professoren und Rektoren befürchten bereits, die Finanzminister könnten auf das jüngste Konjunkturpaket verweisen und zusätzliches Geld verweigern. Doch das Konjunkturpaket enthält streng genommen gar keine Investitionen in Bildung, sondern nur in Bauten. Die Sanierung der Universitätsgebäude ist zwar nötig und hilfreich, den Hochschulen fehlt jedoch auch Personal und Geld für Geräte. Ein langer, auswegloser Streit der Wissenschaftsminister könnte den Haushaltspolitikern da ganz gelegen kommen. Denn sie haben das Geld des Staates ja schon weitgehend für Schrott (Abwrackprämie) und faule Papiere (Bankkredite) verplant.

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