Requisiteure:Suchen, finden, filmen

Ein Filmausstatter schafft heran, was das Drehbuch von ihm verlangt.

Georg Etscheit

(SZ vom 21.9.2001) Ein schlichtes Einfamilienhaus im Stadtteil Trudering. Gutbürgerlicher Münchner Vorstadtdurchschnitt, nichts Aufregendes. Der Hausherr bittet hinein in die gute Stube, die auch alles andere ist als kreativ gestylt. Hier lebt ganz offensichtlich jemand, der sich von nichts, aber auch gar nichts trennen kann. Ein enthusiastischer Jäger und Sammler, freilich ohne erkennbares Fachgebiet. Es gibt Leute, die sammeln Bilder, Zinnsoldaten, Briefmarken, alte Waffen, Porzellan. Der Hausherr hier sammelt alles - sozusagen von Berufs wegen.

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Job-Info Requisiteur

Peter Dürst ist Requisiteur für Film und Fernsehen, einer der besten, wie gesagt wird. Und seine Wohnung, das gibt er zu, sieht ein bisschen so aus wie der Fundus eines Filmstudios: "Hier hat alles schon mal irgendwo mitgespielt."

Der Name von Peter Dürst erscheint immer erst im Abspann, wenn die Leute im Kino schon nach ihren Mänteln grabbeln. Dabei ist sein Job nicht weniger kreativ als der des Regisseurs oder Schauspielers. Vielleicht braucht es sogar mehr Einfallsreichtum, um, zum Beispiel, einen ausgestopften Schäferhund zu organisieren, als einen Dialog auswendig vor der Kamera herzusagen.

Die Sache mit dem Schäferhund hat sich übrigens wirklich abgespielt. Vor etlichen Jahren, erzählt Dürst, hat er die Ausstattung für Hans-Jürgen Syberbergs eigenwilligen Streifen "Hitler, ein Film aus Deutschland" übernommen, in dem Hitlers Lieblingshund "Blondi" eine tragende Rolle spielte: kein lebendiges Tier, sondern ein ausgestopftes.

Im Allgemeinen rühmt sich Dürst, es gebe kein Requisit, das er nicht in vertretbarer Zeit zu vertretbarem Preis besorgen könne: "Das Wort unmöglich steht nicht in meinem Wörterbuch", zitiert er Napoleon. Doch die Sache mit dem Schäferhund war schwierig: "Da bin ich schier verzweifelt." Denn Tierpräparatoren, das hat er erfahren, wollten in der Regel keine Hunde ausstopfen. "Die sehen danach immer anders aus als im Leben, und die Besitzer sind enttäuscht. Deshalb lassen sie die Finger davon."

Hund, verzweifelt gesucht

Natürlich fand er in seinen zahlreichen, mit nützlichen Adressen vollgeschrieben Kladden einen Fachmann, der irgendwann einmal einen Schäferhund präpariert hatte. Dessen "Herrchen" ausfindig zu machen, erforderte allerdings fast kriminalistischen Spürsinn. Eine alte Rechnung führte auf die Fährte des Ex-Polizisten und Hundezüchters am Bodensee, der sich den Stammvater seiner Zucht hatte ausstopfen lassen. Erst nach längeren Telefonaten und persönlicher Vorsprache erlag der widerspenstige Mann Dürsts Überredungskunst. Die Produktion war gerettet.

Solche abenteuerliche Expeditionen sind natürlich nicht der Alltag eines Requisiteurs - meistens heißt der einfach: sehr, sehr viel Arbeit. Drehbuchstudium, Besprechungen mit Regisseuren und Szenenbildnern, Kontaktpflege mit Museen, Sammlern, Fachgeschäften aller Art, Recherchen am Telefon, in Zeitungen, Fachzeitschriften, im Internet, auf Flohmärkten.

Dann nächtelange Bastelarbeiten im Keller, Experimente mit unterschiedlichsten Materialien, nicht zu vergessen die Kalkulationen, die Einkaufsfahrten, die Abrechnung. 80 Wochenstunden während eines Drehs sind normal, sagt Dürst. "Da lebt man nur für die Produktion, da gibt es kein Familienleben mehr." Solch ein Leben ist wohl der Preis für einen nicht alltäglichen Job in einer klassischen Kreativbranche.

Tiere, Autos, Waffen, Äpfel

Gerade hat Dürst in Schleswig-Holstein den ARD-Zweiteiler "Der blaue Vogel" abgedreht, nach einem Rührstück von Uta Danella. Zuerst ging er wie immer das Drehbuch durch, setzte die geschriebenen Dialoge und Szenenanweisungen in reale Bilder um. Mit rotem Stift streicht er dabei Passagen an, die Requisiten voraussetzen, für die er Spezialisten braucht: Tiere, Autos, Waffen. Um alles grün unterlegte kümmert er sich selbst. "Winnie isst stumm Telses leckere Bratkartoffeln", steht im Drehbuch. "Also brauche ich einen Herd, der funktioniert, eine Pfanne, Bratfett, gekochte Kartoffeln". Wenn von grünen Äpfeln die Rede ist, besorgt er auch rote und gelbe. "Weiß ja nie, ob der Regisseur nicht eine andere Sorte will, weil die besser rüberkommt."

Weiter im Drehbuch: "Christine kommt herein. Hat einen Packen Post dabei." - "Post hasse ich, vor allem, wenn die Umschläge aufgemacht werden", sagt Dürst. Weil jede Einstellung zig mal wiederholt wird, bevor sie "im Kasten" ist, besorgt Dürst nicht einen, sondern zwanzig Umschläge, versehen mit der fiktiven Anschrift und einer frisch abgestempelten Briefmarke.

Beste Kontakte zur Polizei

Alles soll realistisch aussehen. "Auch wenn es der Zuschauer vielleicht gar nicht merkt. Ich bin halt ein 150- prozentiger Perfektionist." Leider weigert sich die Post in Deutschland, Briefe, die nicht verschickt werden, "blanko" abzustempeln. Dann ist wieder Dürsts Überredungskunst gefragt. Oder sein Basteltalent. Im Allgemeinen hat Dürst keine Probleme mit den Behörden, erfreut sich, im Gegenteil, bester Kontakte etwa zur Münchner Polizei, die schon mal echte Beamte mit echten Waffen zum Dreh abstellt.

Seine Arbeit als Außenrequisiteur ist mit der Abnahme am Set beendet. Mit spontanen Wünschen und Wutausbrüchen des Regisseurs muss sich danach die Innenrequisite herumschlagen, die für das Arrangement der Szenen während des Drehs verantwortlich ist. In der Regel fängt man, wie Dürst selbst, seine Berufslaufbahn "innen" an, richtet die tausend Sachen, die der Außenrequisiteur zusammen mit Szenenbildner und Regisseur ausgeknobelt und herangeschafft hat, am Drehort ein. Aber die Außenrequisite, die eigentliche optische Umsetzung des Drehbuchs, sei schon die anspruchsvollere, weil kreativere Arbeit, meint der 65-Jährige.

Ob man in seinen Filmen, in "Das Boot", der "Unendlichen Geschichte" oder "Rechtsanwalt Abel" eine persönliche Handschrift des Requisiteurs Peter Dürst erkennen könne? Dürst überlegt ein wenig. Wenn man so etwas wie einen Stil bei ihm erkennen könne, dann sei es Detailliertheit, Genauigkeit, Authentizität. Das Drehbuch in reale Bilder umsetzen, der erzählten Zeit angemessen, aber unabhängig vom eigenen Geschmack. "Wenn ich verwirklichen würde, was nur mir gefällt, hätte ich etwas falsch gemacht."

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