Im Fußball ist es nichts Ungewöhnliches: Vereinstrainer, oft mit großem Presserummel von ihren Aufgaben entbunden, werden ein paar Jahre später beim selben Club wieder unter Vertrag genommen. Bestes Beispiel: Udo Lattek, einer der erfolgreichsten Fußballlehrer des Landes, führte Rekordmeister Bayern München zwischen 1970 und 1974 dreimal zur Deutschen Meisterschaft, um dann nach zehnjähriger Pause erneut in München anzuheuern - und wieder dreimal Meister zu werden.
In der Wirtschaft ist die Rekrutierung ehemaliger Mitarbeiter als "Boomerang Hiring" bekannt. Gerade in Zeiten eines sich verschärfenden Fachkräftemangels klopfen Arbeitgeber immer häufiger bei ihren Alumni an oder sehen es gerne, wenn ein Ex-Mitarbeiter sich aus eigener Initiative wieder bewirbt. "Mit Boomerang Hiring können offene Stellen, für die es nur sehr schwierig ist, geeignete Kandidaten zu finden, oft relativ leicht wiederbesetzt werden", sagt Tim Weitzel, Inhaber des Lehrstuhls für Informationssysteme in Dienstleistungsbereichen der Universität Bamberg.
Für die Studie "Recruiting Trends 2010" hat Weitzel Personalverantwortliche der tausend größten deutschen Unternehmen befragt. Demnach können über alle Branchen hinweg fast 37Prozent der offenen Stellen nur schwer besetzt werden. Etwa vier Prozent der Posten gelten als gar nicht besetzbar. In der IT-Branche sind sogar für 8,5 Prozent der Stellen keine geeigneten Bewerber zu finden.
"Verbreiteter denn je" sei diese Art des Recruitings, sagt Werner Schmidt, stellvertretender Geschäftsführer der deutschen Dependance der Personalberatung Harvey Nash. Vor allem in der Krise. "In schlechten Zeiten setzen viele auf Bewährtes und versuchen Risiken zu minimieren." Oft entspreche Boomerang Hiring aber auch einer Forderung der Betriebsräte, die verlangten, zunächst Mitarbeiter einzustellen, die infolge einer Krise entlassen wurden.
Unternehmen seien in jedem Fall gut beraten, wenn sie geeignete Ehemalige weiter im Auge behielten, sagt Weitzel. Nur selten liege der Kündigung eines Mitarbeiters ein tiefgehendes Zerwürfnis mit dem Chef zugrunde. Oft sei ein veränderungsbereiter Mitarbeiter unzufrieden mit den Karriere- oder Verdienstchancen in seinem Unternehmen oder suche einfach eine neue Herausforderung. Deshalb rät Florian Dylla, Leiter der Kreativabteilung von Kienbaum Communications, im Abschiedsgespräch die Gründe des Wechsels offen anzusprechen und auch gleich die Möglichkeit einer späteren Rückkehr ins Spiel zu bringen.
Nach der Studie "Bewerbungspraxis 2010" des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universitäten Bamberg und Frankfurt stoßen solche Kontaktangebote bei etwa 90 Prozent der 9000 befragten Jobsuchenden und Karriere-Interessierten auf offene Ohren. Nur gut neun Prozent gaben an, nicht interessiert zu sein. "Grundsätzlich sollte ein Unternehmen bestrebt sein, den Kontakt mit allen Ehemaligen aufrechtzuerhalten, es sei denn, sie haben goldene Löffel gestohlen", so Dylla.
Die attraktivsten Arbeitgeber:Die ganze Welt will zu Google
Der Software-Riese Google wurde jüngst von Studenten zum weltweit attraktivsten Arbeitgeber gewählt. In Deutschland führt ein anderes Unternehmen die Beliebtheitsskala an.
Um die Verbindung nicht abreißen zu lassen, bieten sich viele Möglichkeiten an. Weitzel nennt ein großes Unternehmen aus der IT-Branche, das alle ausgeschiedenen Mitarbeiter jedes Jahr zum ersten Einstellungstag mit einem Geschenk bedenke. "Die haben innerhalb von drei Jahren drei Viertel ihrer Top-Positionen wiederbesetzen können." Andere Unternehmen schicken ihren Alumni regelmäßig Grußkarten, laden frühere Mitarbeiter weiterhin zu Betriebsfesten ein, versenden ihre Firmenzeitschrift oder sogar ein Magazin, das sich gezielt an Alumni richtet - gespickt mit Neuigkeiten aus dem Unternehmen und interessanten Karrierewegen Ehemaliger. Ist der Kontakt einmal abgerissen, sei es möglich, Ex-Angestellte über Karrierenetzwerke wie Xing oder LinkedIn aufzuspüren.
Größere Unternehmen pflegen mit einigem Aufwand eigene Alumni-Netzwerke. Isabel Koch ist Alumni-Network-Managerin bei der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants. "Wir tun alles, um mit unseren Ehemaligen in Kontakt zu bleiben." Das beginnt schon, wenn ein Berater das Unternehmen verlassen will, um sich weiterzuentwickeln, etwa in der Industrie. "Häufig begleiten wir unsere Mitarbeiter auf diesem Weg, etwa durch ein spezielles Karriere-Coaching und interessante JobAngebote", sagt Koch.
Nach dem Ausscheiden werden die Ehemaligen ins weltweite Alumni-Netzwerk aufgenommen. Über eine Internet- Plattform hätten frühere Berger-Berater weiter Zugriff auf interne Informationen, etwa die Ressourcen der firmeneigenen Research-Abteilung, erläutert Koch. Alumni erhalten alle firmeneigenen Publikationen und werden zu regelmäßigen Alumni-Veranstaltungen eingeladen. "Das ist ein bisschen wie bei einem Klassentreffen", sagt Koch. Und sie können sich auch bei der Planung weiterer Karriereschritte an den früheren Arbeitgeber wenden. Wer nach einem Abstecher in die Industrie oder Wissenschaft wieder bei Berger einsteigen will, ist fast immer willkommen. "Mitarbeiter, die hautnah die Praxis in einem Unternehmen kennengelernt haben, sind sehr wertvoll für uns", sagt Koch. Allerdings sei das Boomerang Hiring insgesamt eher die Ausnahme als die Regel.
Die Wiederanwerbung ehemaliger Mitarbeiter habe Vorteile für Unternehmen jeder Größenordnung, sagt Kienbaum-Kreativleiter Dylla. Zunächst könne man sich eine erneute Stellenausschreibung und den entsprechenden Auswahlprozess schenken. Darüber hinaus falle eine lange Einarbeitungszeit ebenso weg wie aufwendige Schulungen. Schließlich seien Alumni vertraut mit der Firmenkultur und passten sich gut in Mitarbeiterteams ein. Außerdem seien sie oft hoch motiviert. "Sie betrachten ihre Anstellung als freien Entschluss und nicht als Notwendigkeit, zu der es möglicherweise noch Alternativen gegeben hätte", sagt Dylla.
Trotzdem sei Boomerang Hiring keine Gewähr dafür, eine Stelle in jedem Fall optimal besetzen zu können, warnt Werner Schmidt von Harvey Nash. "Ich halte den Grundsatz ,Einmal weg, immer weg' im Allgemeinen nach wie vor für den besseren Weg." Vor allem, wenn der Zeitpunkt des Ausscheidens und des Wiedereinstiegs zu lange auseinander lägen. "In dieser Zeit kann sich das Unternehmen stark gewandelt haben. Dann passen die Erwartungen oft nicht mehr zusammen." Schmidt rät deshalb, nicht mehr als ein Jahr verstreichen zu lassen. Problematisch sei es auch, wenn die Gründe für das Ausscheiden, etwa schlechte Karrierechancen, in der Firma noch nicht ausgeräumt seien. Außerdem, meint Schmidt, lebten manche Wiedereinsteiger in dem trügerischen Gefühl, im Unternehmen unentbehrlich zu sein.
Solcher Hochmut dürfte bei Kollegen und Vorgesetzten schlecht ankommen und das Betriebsklima belasten. Es sei denn, man heißt Udo Lattek. Oder Ottmar Hitzfeld. Auch Hitzfeld war ein erfolgreicher Boomerang. Zweimal stand er beim FC Bayern unter Vertrag und führte die Fußballer zu zahlreichen Siegen, einmal sogar als Nachfolger seines eigenen Nachfolgers Felix Magath.