Süddeutsche Zeitung

Raus aus der Arbeitslosigkeit:Nur nicht verunsichern lassen

"Wer wirklich will, findet auch einen Job" oder "Man muss flexibel sein, dann klappt es auch": Solche gut gemeinten Tipps bekommen Arbeitslose häufig. Doch oft machen sie die Situation nur noch schlimmer.

Arbeitslose müssen sich eine ganze Menge anhören. Sie seien bloß zu faul. Zu unflexibel. Zu unkreativ beim Bewerben. Auch an vermeintlich klugen Ratschlägen von anderen fehlt es ihnen nicht: "Probier doch was Neues aus!" heißt es dann zum Beispiel. Je länger das geht, umso verzweifelter werden manche. Und klammern sich dann an jeden Strohhalm.

Dabei ist das genau der falsche Weg. Arbeitslose bewerben sich besser auf keine Stelle, die nicht ihrer Qualifikation entspricht, warnt die Psychologin Madeleine Leitner, die als Coach in München arbeitet. Denn solches Streufeuer erhöht nicht die Trefferquote - im Gegenteil: "Man erhöht dadurch nicht seine Chancen, sondern erzielt mehr Ablehnung, weil die Konkurrenz noch größer ist." Und die ist ohnehin schon groß genug, wie Leitner vorrechnet: Von 100 Bewerbungen würden 24 näher angeschaut, sieben Bewerber erhielten eine Einladung zum Vorstellungsgespräch - und nur einer bekomme schließlich den Job.

Der Rat, flexibel zu sein, hilft daher nicht immer weiter. "Es macht natürlich keinen Sinn, auf einen ganz anderen Beruf umzusatteln, von dem man keine Ahnung und für den man kein Faible hat", sagt Kurt Eikemeier von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Generell sei bei der Arbeitssuche vor allem eines wichtig: ein funktionierendes Netzwerk unter Bekannten, Freunden und früheren Kollegen. "Sich mit seiner eigenen Arbeitslosigkeit zu verstecken, ist gar nicht gut", sagt Eikemeier. "Wir raten immer, offen darüber zu sprechen und im Bekanntenkreis zu fragen."

Viele Arbeitslose tun das aber nicht, weil sie sich wegen ihrer Situation schämen, wie Madeleine Leitner beobachtet hat. Doch das sei genau der falsche Weg. "Wer nicht aus sich herausgeht und aktiv wird und vielen Menschen von seiner Arbeitslosigkeit erzählt, der hat auch weniger Chancen auf dem Markt." Es sei daher ein Fehler, allein im stillen Kämmerlein Blindbewerbungen zu schreiben und darauf zu hoffen, dass eines Tages eine Zusage im Briefkasten liegt. "Nur ein Drittel aller Stellen in Deutschland wird über das klassische System durch Annoncen vergeben - und zwei Drittel laufen über den verdeckten Stellenmarkt", erklärt Leitner.

Das heißt: Von vielen Stellen erfahren fleißige Bewerbungsschreiber nie, weil sie gar nicht annonciert werden. Und manche Stelle aus einer Anzeige ist womöglich längst vergeben. Sich zeigen statt sich zu verstecken, ist also die Devise, wie der Buchautor Alexander von Schönburg erläutert: "Die Legende des Kapitalismus, der uns ständig einbläute 'Jeder kann!', hat sich als unhaltbar erwiesen. Es kann eben nicht jeder - Karrieren werden geknickt, es gibt Gewinner und Verlierer, und die Verlierer werden immer mehr." Wer heute arbeitslos ist, müsse das nicht als persönliches Scheitern ansehen.

Auch das Motto "Viel hilft viel" gilt bei der Arbeitssuche nicht. Denn die Annahme, dass mehr Bewerbungen zu mehr Jobchancen führen, sei ein Trugschluss, sagt der Karriereberater Martin Wehrle aus Jork bei Hamburg. Wichtig sei, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen und von sich aus auf Unternehmen zuzugehen. Initiativbewerbungen müssten dabei passgenau auf die Eigenarten einer Firma und Branche zugeschnitten sein.

Dafür müssen Bewerber deren Bedürfnisse analysieren und sich selbst als Problemlöser präsentieren. "Telefonieren Sie mit der Firma, sammeln Sie Informationen und verfassen Sie für jede Bewerbung ein individuelles Anschreiben", rät Wehrle. Mit einer individuellen Bewerbung könne man mehr erreichen als ein Massenversender mit 100 Blindbewerbungen. "Eine Top-Bewerbung ist ein maßgeschneiderter Aschenputtel-Schuh: Sie darf nur an den Fuß dieser einen Firma passen", sagt Wehrle.

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