Süddeutsche Zeitung

Rauchverbot am Arbeitsplatz:Gefahr in der Zigarettenpause

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Zu teuer, zu unproduktiv: Der Mittelstand will die Raucherpausen streichen. Die Gesetze sind auf der Seite von Arbeitgebern und Nichtrauchern - doch der Vorschlag birgt auch Gefahren. Ein Arbeitsrechtler erklärt, wo die Tücken eines Verbots liegen.

Verena Wolff

Der Albtraum jedes Rauchers? Die Zigarette nur noch in der Pause, keine Kippe zwischendurch im Raucherraum oder vor der Tür. Rauchende Mitarbeiter der Stadtwerke Köln erleben schon jetzt, was auch in anderen deutschen Büros bald harte Realität sein könnte. Frühstücks- und Mittagspause, mehr Zeit ist nicht für den blauen Dunst: Die Domstadt hat damit einen rigiden Kurs gesetzt - andere Unternehmen könnten folgen. Die EU will ebenfalls einen strengeren Nichtraucherschutz - die Umsetzung kann allerdings noch dauern.

Auch die Wirtschaftsverbände des Mittelstands haben die Einführung komplett rauchfreier Arbeitszeiten in Deutschland gefordert. "Raucherpausen kosten die Betriebe bares Geld und stören den Arbeitsablauf", sagt etwa Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW). Über den Tag gerechnet kämen leicht 20 bis 30 Minuten für Raucherpausen zusammen. "Deshalb schlagen wir vor, Raucher hängen diese Zeit dran und arbeiten entsprechend länger."

Raucher haben kein Recht auf Qualm

Der Gesetzgeber in Deutschland sieht die Lage ganz klar: Raucher haben weder einen Anspruch auf Raucherpausen während der Arbeitszeit noch auf einen Raucherraum. Das hat das Oberverwaltungsgericht in Münster entschieden. "Raucher meinen immer, sie hätten irgendwelche Ansprüche oder Rechte", sagt Michael Felser, Rechtsanwalt aus Brühl. "Um das ganz klar zu sagen: Alle Gerüchte, die da herumwabern, stimmen nicht."

Zwar gebe es die Möglichkeit, im Unternehmen zu rauchen, wenn das alle Mitarbeiter befürworten und der Chef es erlaubt. "Aber sobald der Erste dagegen protestiert, gilt der Nichtraucherschutz." Denn nach der Arbeitsstättenverordnung steht allen Beschäftigten ein rauchfreier Arbeitsplatz zu.

Der Arbeitgeber hat Rauchern gegenüber weitreichende Rechte: "Er kann das Rauchen am Arbeitsplatz komplett verbieten und muss auch nicht dafür sorgen, dass irgendwo ein Raucherraum oder ein irgendwie geschütztes Areal für die Raucher zur Verfügung steht", so Felser. Selbst unbezahlte Raucherpausen muss der Arbeitgeber nicht gewähren. Wenn dieses Verbot klar ausgesprochen ist, sind auch Vergehen dagegen recht klar zu ahnden.

"Wer trotz des Verbots qualmt, riskiert eine Abmahnung oder sogar - bei hartnäckiger Missachtung - eine fristlose Kündigung", sagt Felser. Und da verstehen die Richter keinen Spaß, wie er aus der Praxis berichtet: "Die Gerichte sind sehr kleinlich, wenn ein Raucher entgegen einer Anweisung das Ausstechen in der Arbeitszeiterfassung versäumt, weil es sich dann um Arbeitszeitbetrug handelt - und darauf steht die fristlose Kündigung." Arbeiten Betriebe mit der Stechuhr, ist der Nachweis vergleichsweise einfach - schwieriger wird es, wenn die Arbeitszeit nicht erfasst wird.

Zahlreiche Berechnungen zeigen den Schaden für die Wirtschaft auf, den die Raucher verursachen: Einer Studie der Universität Hamburg zufolge kosten die Qualmpausen deutsche Unternehmen im Jahr mehr als 28 Milliarden Euro. Ohoven verweist auf Schweden, wo "sehr gute Erfahrungen mit der rauchfreien Arbeitszeit gemacht werden" - dort werden die Kosten für die außerplanmäßigen Pausen auf rund 3500 Euro pro Raucher und Jahr geschätzt. Der Verband rechnet etwas vorsichtiger und veranschlagt rund 2000 Euro. Neben den Kosten sieht Ohoven noch andere Gründe, weswegen die Raucherpausen überflüssig sind: "Sie stören den Arbeitsablauf - und das über die eigentliche Pause hinaus. Denn Raucher müssen sich zuvor mental darauf einstellen und sich danach erst mal wieder einfinden." Und: Raucher ziehen die Nichtraucher mit - wenn auch nicht vor die Tür. "Nichtraucher schalten während der Raucherpausen ihrer Kollegen auch auf 'Pausen-Modus'."

Ein schlechtes Vorbild

Dass die Debatte um Raucher und den Nichtraucherschutz immer wieder hochkocht, sieht Felser der Zeit geschuldet: "Es hat einen kulturellen Wandel gegeben", sagt er. Der Gesundheitsschutz hat während der vergangenen Jahre deutlich an Wichtigkeit gewonnen und der Unmut unter den Nichtrauchern wächst. "Der Wind wird härter und nikotinfreier."

Arbeitsrechtlich helfe es da kaum, wenn der Raucher sich während der Arbeitszeit vor die Tür stellt und sich eine Zigarette genehmigt: "Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber den Einsatz seiner Arbeitskraft und kann den Arbeitsplatz nicht nach Belieben verlassen", sagt Felser. Die einzige Ausnahme sind Pausen, die - eigentlich - dem Gesundheitsschutz dienen. In den Pausen allerdings kann sich jeder aufhalten, wo er möchte - und natürlich auch Rauchen. Zumindest, so lange Kollegen nicht beeinträchtigt werden. Aber das kann unter Umständen ganz eigene Gefahren bergen: Nach Auffassung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung stehen nämlich "Verrichtungen im Zusammenhang mit dem Rauchen" nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. "Das bedeutet, dass man zum Beispiel auf dem Weg in den Raucherbereich nicht unfallversichert ist", sagt Felser. Sicherer und versichert ist dabei der Vorschlag, den BVMW-Präsident Ohoven macht: Er plädiert für Gymnastik statt Glimmstängel.

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