Angehende psychologische Psychotherapeuten verdienen im praktischen Teil ihrer Ausbildung außerordentlich wenig. In drei von vier Fällen wird das sogenannte Psychiatriejahr, das die Auszubildenden in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses ableisten, als Praktikum angesehen, für das es entweder wenig oder gar kein Geld gibt.
Wie prekär die Lage vieler junger Menschen ist, zeigt eine neue bundesweite Umfrage unter 3700 Auszubildenden. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, hat sie von ihrem Büro durchführen lassen, die Ergebnisse liegen der Süddeutschen Zeitung exklusiv vor. Demnach beträgt die durchschnittliche Vergütung während der Praktischen Tätigkeit I, wie der Lernabschnitt heißt, lediglich 639 Euro.
Etwa 14 Prozent der Befragten erhalten überhaupt kein Geld, die Hälfte muss mit weniger als 500 Euro auskommen. Nur einem Drittel der Befragten reicht das Geld zum Leben. Mehr als die Hälfte wird während des Psychiatriejahrs von der Familie oder dem Partner finanziell unterstützt, zudem brauchen viele in dieser Zeit ihr Erspartes auf. Etwas weniger als die Hälfte der Befragten gab zudem an, sich nur dank einer Nebentätigkeit über Wasser halten zu können. Vereinzelt helfen Bildungskredite oder Privatdarlehen dabei, die zwölf Monate zu überbrücken.
Der Inhalt konnte nicht geladen werden.
Angesichts dieser Zahlen fordert Maria Klein-Schmeink, dass die nächste Bundesregierung "endlich eine faire Bezahlung" der angehenden Psychotherapeuten sicherstellen müsse. Die Auszubildenden würden bereits psychotherapeutische Leistungen erbringen und verfügten in dieser Zeit schon über einen Universitätsabschluss. "Die prekäre Situation vieler ist nicht hinnehmbar und erschwert den Zugang zu diesem Berufsfeld", sagt Klein-Schmeink. Dabei würden in Zukunft eher noch mehr Psychotherapeuten gebraucht als heute. Derzeit durchlaufen schätzungsweise knapp 3000 Psychologen jedes Jahr die Ausbildung zum Psychotherapeuten, seit einiger Zeit werden es jedes Jahr immer mehr. Die meisten kommen in etwa vier Jahren zum Abschluss.
Weiterbildung für Psychologen wird mit Praktikum verglichen
Der Streit über die prekäre Bezahlung schwelt schon lange. Vor etwa zehn Jahren hatten sich 1000 angehende Therapeuten in einer Petition an den Bundestag gewandt und die Abgeordneten aufgefordert, für das Psychiatriejahr eine gesetzliche Bezahlung festzuschreiben. Der zuständige Ausschuss wies die Forderung allerdings zurück, Begründung: Die zwölf Monate seien "am ehesten mit den auch im Medizinstudium vorgeschriebenen Praktika oder Famulaturen vergleichbar", die ebenfalls nicht vergütet werden. Man könne die Psychiatrie-Auszubildenden in Kliniken nicht mit Assistenzärzten vergleichen, weil diese ihre ärztliche Ausbildung im Studium bereits abgeschlossen hätten.
An diesem Punkt setzt die Bundespsychotherapeutenkammer an. Sie fordert, dass Universitäten ein Psychotherapie-Studium anbieten sollen, das - wie in der Medizin - mit einer Approbation endet. Damit wären die Absolventen berechtigt, den Beruf des Psychotherapeuten auszuüben. Anstatt nach der Uni eine Ausbildung draufzusetzen, würden sie analog zu den Ärzten in eine bezahlte Weiterbildung gehen.
Dass Psychotherapeuten auch nach dem Abschluss ihrer Ausbildung gegenüber den Ärzten finanziell im Nachteil sind, zeigen die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts. Demnach kommen niedergelassen Ärzte abzüglich der Kosten auf Jahreseinnahmen von durchschnittlich 260 000 Euro je Praxis, Psychotherapeuten erzielen 66 000 Euro. Die Deutsche Psychotherapeuten-Vereinigung sieht darin eine "Benachteiligung" ihrer Zunft. Zudem rügt sie, dass die Einkommenskluft zwischen Therapeuten und Ärzten immer größer werde.