Büro:Wände hoch

BMW Zentrale in München, 2013

Muss man mögen: Großraumbüro.

(Foto: Florian Peljak)

Großraumbüros fördern Kommunikation und Kreativität - denken zumindest viele Führungskräfte. Wissenschaftliche Studien kommen zu einem anderen Ergebnis.

Von Sebastian Herrmann

Im Arbeitsalltag gilt die Massenhaltung von Angestellten fast schon als Wundermittel. Führungskräfte schwärmen, in freien, offenen Flächen verbessere sich das Miteinander der Bürobesatzung, weil mit den Wänden auch die Grenzen der Kommunikation niedergerissen würden. Jeder könne jederzeit mit jedem reden, ohne erst seine Einzelwabe verlassen zu müssen - das steigere die Produktivität eines Unternehmens ganz gewiss, so die Theorie. Natürlich schwingt bei solchen Aussagen immer der Verdacht mit, dass Bürobewohner in Einzelzimmern hauptsächlich prokrastinieren und Youtube-Filmchen ansehen oder Privattelefonate führen, statt mit den Kollegen im Gespräch profitable Ideen zu entwickeln.

Aber wie so oft, wenn sich Manager und andere Anzugträger etwas ausdenken, sträuben sich die Menschen und verweigern sich. So berichten Ethan Bernstein und Stephen Turban von der Universität Harvard im Fachjournal Philosophical Transactions B, dass Großraumbüros die Kommunikation hemmen, statt sie zu fördern - und dadurch die Produktivität einer Firma eher mindern. Für ihre Studie analysierten die Forscher das Verhalten von Mitarbeitern in zwei großen US-Unternehmen, die gerade ganze Abteilungen in offene Büroflächen verlegt hatten. Eine der Firmen bejubelte die Umgestaltung sogar als Teil eines markigen Programms namens "War on Walls".

Allerdings, das zeigen die Ergebnisse der Wissenschaftler, verzeichnet dieser Krieg gegen Wände vor allem hohe Verluste: Sobald sie in den Großraumbüros sitzen und arbeiten mussten, sprachen die Angestellten deutlich weniger miteinander. Die Gespräche von Angesicht zu Angesicht nahmen um etwa 70 Prozent ab. Die Mitarbeiter wichen auf E-Mail oder Messenger aus, deren Nutzung um etwa die gleiche Rate nach oben schnellte. Angesichts der täglichen Flut an elektronischen Nachrichten sollte klar sein: Produktivität lässt sich auf diese Weise sicher nicht steigern.

Überraschend sind die Ergebnisse der beiden Harvard-Forscher keinesfalls. Schon zuvor hat eine Reihe von Untersuchungen zahlreiche negative Wirkungen von Großraumbüros belegt. Im offenen Gehege unter den Augen zahlreicher Kollegen und Vorgesetzter zu arbeiten reduziert die Zufriedenheit vieler Angestellter. Sie lassen sich leichter ablenken und vermissen das Gefühl, wenigstens gelegentlich vom Radar zu verschwinden.

Wenn Rückzugsräume fehlen, "entwickeln Angestellte andere Strategien, um sich Privatheit zu verschaffen", sagen Bernstein und Turban. Statt unter den Blicken ihrer Kollegen aufzustehen und zwei Tische weiter mit dem Chef zu reden, schreiben sie also lieber eine E-Mail. In einem Büro geht es eben niemals nur um die Sache, sondern immer auch darum, wer wann mit wem redet, und wie Lästermäuler das Ganze dann durch die Flure tratschen. Welch ein Segen dagegen, wenn Gespräche in Einzelbüros stattfinden, ohne dass alle lauschen. Außerdem kann es nervtötend sein, dem Kollegen am Nebentisch zuzuhören, während dieser in penetranter Lautstärke in den Telefonhörer labert. Die Legende vom produktiven Großraumbüro müssen Leute erdacht haben, deren Platz im Einzelzimmer sicher ist.

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