Burn-out ist ein Begriff, der für alle möglichen Arten von Stress, Antriebslosigkeit und Formen der Depression verwendet wird. Dennoch: "Burn-out ist ein Begriff, der nicht klar definiert ist", sagt Mazda Adli, Leiter des Forschungsbereich Affektive Störung an der Charité in Berlin. Jeder stelle sich etwas anderes darunter vor. Allgemein gültig ist allerdings die Annahme, dass es sich beim Burn-out "um einen Erschöpfungszustand handelt, der arbeitsassoziiert entstanden ist". Es gebe viele Überlappungen zur Depression - viele Mediziner sehen in den Symptomen des Burn-outs auch eine Vorstufe oder einen Sonderfall der Depression. "80 bis 85 Prozent der Menschen, die wir mit einem vermeintlichen Burn-out sehen, leiden an einer Vorstufe einer Depression", sagt Adli.
"Burn-out ist ein ernstzunehmendes, relevantes Problem für die Arbeitswelt", sagt Gabriele Freude. Die promovierte Biologin leitet bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die Arbeitsgruppe "Mentale Gesundheit und kognitive Leistungsfähigkeit". Unstrittig sei, dass das Phänomen einen engen Bezug zur Arbeitswelt habe - auch gehe ein hoher Anteil von Krankschreibungen auf die emotionale und oft auch körperliche Erschöpfung zurück. "Es gibt diesen Spruch, dass man erst mal brennen muss, um dann auszubrennen", sagt sie. Er beschreibe, dass häufig sehr großes Engagement und mitunter übertriebener Ehrgeiz Ursache für das Burn-out sein können.
Michael Marwitz, promovierter Psychologe und Leiter Therapie in der Schön Klinik Roseneck beschreibt den Burn-out als "Ergebnis einer lang anhaltenden Überforderungssituation". Allerdings gebe es bislang mehr als 150 verschiedene körperliche Symptome, die mit Burn-out in Zusammenhang gebracht werden - ein schwer einzugrenzendes Syndrom also. "Burn-out ist keine Diagnose, sondern ein Syndrom, unter dem sich viele unterschiedliche Dinge verbergen können." Genau das mache eine Definition so schwierig. "Man geht von einer berufsbedingten Depression aus, die vor allem durch beruflichen Stress erzeugt wird."
Burn-out ist ein schleichender Prozess, entsteht nicht von heute auf morgen. "Die Burn-out-Depression zieht sich eher über Jahre hin und wird oftmals nicht bemerkt", sagt der Berliner Mediziner Adli. "Man hat den Eindruck, dass man in seiner Leistungsfähigkeit nachlässt, leichter abgelenkt ist und sich nicht so schnell erholt." Doch statt sich Ruhe und eine Auszeit zu gönnen, "legen viele Menschen noch eins drauf, um den gleichen Output abliefern zu können."
Als erstes werden also die Erholungsressourcen beschnitten, die man hat, sagt Adli. "Man leidet ohnehin an Schlafstörungen, steht aber eine Stunde früher auf, um ins Büro zu gehen". Denn vielen Arbeitnehmern sei es immens wichtig, eine intakte Fassade möglichst lange aufrecht zu erhalten. Sie machten oft den Fehler, die Anzeichen herunterzuspielen, sagt Nadja Behling, Ärztin am Psychosomatischen Fachzentrum Falkenried in Hamburg. "Viele reden die Symptome klein und denken: 'Das geht schon von selbst weg. Gerade hab ich zu viel zu tun, um mich darum zu kümmern.'" Gefährlich werde es, wenn dann ein zweiter Stressfaktor hinzukommt, etwa Konflikte mit dem Partner: "Bei einem Burn-out kommen häufig Belastungsfaktoren aus zwei oder mehr Lebensbereichen zusammen. Das Haus brennt dann an zwei Ecken gleichzeitig."
Gerade davor warnt auch Gabriele Freude. "Es trifft sehr häufig Menschen, die nicht in der Lage sind, selbst die Notbremse zu ziehen und die Symptome als das zu erkennen, was sie sind."
Denn offenbar gibt es tatsächlich Menschen, die anfälliger sind für den Burn-out als andere: "Der Burn-out trifft oft Menschen mit hohem Selbstanspruch und einer perfektionistische Ader, die ihr Selbstbewusstsein über Erfolg im Job definieren", sagt Freude. Das Perfide am Burn-Out ist, dass er häufig Menschen mit Eigenschaften trifft, die einen guten Mitarbeiter auszeichnen - einen, der ehrgeizig ist und die Kontrolle haben möchte.
Allerdings sei es ein Vorurteil, dass der Burn-out eine Manager-Krankheit sei. "Frauen sind häufiger betroffen - weil sie häufig mit Familie und Beruf mehrere Vollzeit-Jobs gleichzeitig machen", sagt Freude. Auch Führungskräfte leiden häufig unter der Erschöpfungsdepression - "allerdings trifft es selten das Top-Management", sagt Adli. Betroffen sei eher die zweite Linie, "die von oben und von unten viel Druck bekommt". Zur Risikogruppe gehören zudem Vertreter der IT-Branche, die oft alleine und eigenbrötlerisch arbeiten müssen sowie Selbstständige, die hohe Verantwortung und ein hohes Risiko tragen.
Erstmals beschrieben wurde das Phänomen vor etwa drei Jahrzehnten an sozialen Berufen: Krankenschwestern, Ärzten, Lehrern und Sozialarbeitern. "Das ist auch heute noch ein Bereich, in dem Burn-out sehr häufig vorkommt", sagt Adli. Allerdings nicht nur: "Es trifft häufig Menschen, die in einem sehr hoch getakteten Berufsumfeld arbeiten." Auch Freude sagt, der Burn-out sei schon lange nicht mehr nur ein Problem der helfenden Berufe. Tätigkeiten seien betroffen, in denen es eine hohe Arbeitsbelastung in Kombination mit einem hohen Anspruch an sich selbst gebe. Und: Bereiche, in denen häufige und starke Veränderungsprozesse auftreten, bergen ebenfalls große Gefahren.