Proteste gegen Schulpolitik:Bildungsbürden

In der Bevölkerung wird das Thema Bildung immer wichtiger. Die Schulminister der Länder geraten dafür immer häufiger in die Kritik - und reagieren mitunter dünnhäutig.

Birgit Taffertshofer

Manche Schüler retten sich trotz schlechter Noten gerade noch hinüber ins nächste Schuljahr. Jetzt, zum Beginn der Ferienzeit können sie erst mal durchatmen. Ähnlich erleichtert dürften sich in diesem Sommer einige Bildungsminister fühlen. Zwar war das Thema Bildung noch nie wichtiger, und die Stellung der Bildungspolitiker nie bedeutender, aber der Ärger über sie auch noch nie größer.

Demonstration gegen Bildungspolitik; dpa

Schüler protestieren gegen die Bildungspolitik von Kultusminister Siegfried Schneider (CSU). Im September wird in Bayern gewählt.

(Foto: Foto: dpa)

Gleich mehrere Kultusminister sahen sich in den vergangenen Wochen mit Rücktrittsforderungen konfrontiert: Barbara Sommer musste sich im Landtag wegen der Abitur-Pannen in Nordrhein-Westfalen rechtfertigen, ihr Stuttgarter Kollege Helmut Rau wegen der Klagen über das verkürzte Gymnasium G8, und Elisabeth Heister-Neumann, weil sie Niedersachsens Lehrer beim Überstundenabbau auf später vertrösten wollte. Und dann wollten Berliner Schüler auch noch Jürgen Zöllner, den dienstältesten Bildungsminister Deutschlands, ins politische Aus schicken.

Kern der Politik

Bisher genießen die in die Kritik geratenen Kultusminister von ihren jeweiligen Fraktionen noch Rückendeckung. Doch sobald der Unmut in den Schulen den Wahlerfolg einer Partei gefährdet, kann ein kalter, böser Abschied drohen, wie das Beispiel der hessischen Bildungsministerin zeigt. Besonders die Beschwerden über das G8 kosteten die CDU in Wiesbaden im Februar den Wahlsieg - und Ministerin Karin Wolff letztendlich das Amt.

Aber auch in Niedersachsen und Hamburg behielt nach den Landtagswahlen in diesem Jahr kein Bildungsminister seinen Posten: In der Hansestadt musste Alexandra Dinges-Dierig (CDU) platz machen für die Kandidatin des neuen grünen Koalitionspartners, Christa Goetsch. In Hannover wurde Bernd Busemann (CDU) ins Justizressort abkommandiert - er hatte sich mit Eltern und Lehrer überworfen.

Wichtig waren Schulen und Universitäten immer. Und viel Kritik müssen Kultusminister von je her einstecken. Es gibt immer jemanden unter den Millionen Eltern, Lehrern, Schülern und Professoren, der etwas auszusetzen hat. 1992 verlangte der Präsident des Hochschulverbandes, Hartmut Schiedermair, sogar den Rückzug aller 16 Minister, weil sie "den Ruf des Abiturs ruiniert hätten". So weit kam es bisher nicht. Doch dass die Masse der Wähler heute Bildung noch vor Wirtschaft oder innerer Sicherheit als ihre Hauptsorge bezeichnet, ist neu - und erhöht Erwartung und Aufmerksamkeit gegenüber den Amtsträgern.

Die Politik erkennt, dass Bildung kein Randthema, sondern Kern einer Politik ist, die über Wohlstand und Gerechtigkeit entscheidet. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Bildung deshalb zur zentralen Aufgabe des nächsten Jahrzehnts erklärt und lädt im Oktober zum Bildungsgipfel. Wer aber Schulen aufbauen will, in denen Kinder und Eltern besser gefördert werden können, der muss Geld, Geduld und vor allem Mut aufbringen.

Den Bildungsministern scheint von allem etwas zu fehlen. Die Länder beteuern zwar, die gesamtstaatliche Verantwortung wahrzunehmen und auch gemeinsame Initiativen auf den Weg zu bringen, aber bisher bleibt es oft bei Absichtserklärungen oder blindem Aktionismus. Das Gymnasium, das hektisch und ohne pädagogische Not auf acht Jahre verkürzt wurde, ist ein Beispiel.

Dünnhäutig und gereizt

Und wie antworten die Bildungsminister auf die Kritik? Sie ducken sich weg, reagieren dünnhäutig und gereizt. Insgeheim werfen sie ihren Gegnern vor, Hysterie zu verbreiten. Doch sie sagen lieber nichts, weil sie wissen, wie leicht es der Opposition fällt, nachzulegen. Mit Unterrichtsausfall, Pisa-Test und den Ängsten der Eltern lässt sich jedenfalls prima Wahlkampf machen - solange man nicht selbst die Verantwortung trägt.

Wie viele Bürger sich für die Bildung mobilisieren lassen, davon bekamen die Kultusminister in letzter Zeit einen Eindruck. Wie in anderen Ländern demonstrierten auch in Bayern, wo sich die CSU-Regierung im September dem Wähler stellen muss, Tausende für bessere Bildung. Der Rücktritt von Minister Siegfried Schneider wurde bislang nicht gefordert. Manche Oppositionelle verfolgen eine andere Strategie: Sie wollen die Bildungsminister lieber weidwund ins nächste Schuljahr weitertreiben.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: