Promotionsverfahren:Kampf den Schmalspur-Doktoren

Einheitliche Qualitätsstandards für Promotionen sollen einen nächsten Fall Guttenberg oder Koch-Mehrin verhindern. Die Kommission der Uni Bayreuth sprach bereits Empfehlungen aus - aber wird dadurch irgendetwas besser?

Maria Holzmüller

Der Kommissionsbericht zur Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg sollte ein abschließendes Urteil zur Plagiatsaffäre liefern - aber für die Universität Bayreuth ging es um mehr. Wo die Journalisten vor allem Details zu Guttenbergs Fehlverhalten hören wollten, bemühte sich Uni-Präsident Bormann, vor allem das Renommee der Hochschule wiederherzustellen und aus der Affäre Lehren für die Zukunft zu ziehen.

Universitaet Heidelberg will Koch-Mehrin Doktortitel aberkennen

"Deutschland kann es besser" proklamiert Silvana Koch-Mehrin von der FDP, die gerade wegen einer Plagiatsaffäre von ihren Ämtern zurückgetreten ist. Deshalb sollen vor allem die Promotionsverfahren in Deutschland künftig transparanter werden.

(Foto: dapd)

Allgemeingültige Standards für Doktoranden an Universitäten forderte der Naturwissenschaftler - und griff damit eine Qualitätsdebatte wieder auf, die schon in den ersten Wochen der Affäre Guttenberg entbrannt war. Mehr Transparenz in der Vergabe von Doktorgraden wurde gefordert, vergleichbare Standards. Der Kölner Jurist und Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen, wünschte sich "kritische Selbstreflexion" von den Universitäten. "Man kann den Fakultäten kein Einheitsmuster vorschreiben", sagte er, "wohl aber intensive Betreuung, die den Leistungsfortschritt dokumentiert."

Der Bonner Mathematik-Professor Matthias Kreck verfasste auf dem Höhepunkt des Guttenberg-Skandals mit sieben weiteren Hochschullehrern eine "Erklärung zu den Standards akademischer Prüfungen", der sich mehr als 3300 Akademiker anschlossen - bevor Kreck nach zwei Wochen die Liste wegen der Fülle der Briefe, die ihn erreichte, wieder schloss. Den Wissenschaftlern ging es um das Ansehen der wissenschaftlichen Forschung und das Verfahren bei der Vergabe von Doktortiteln.

Jetzt war es an der Bayreuther Kommission höchstpersönlich, Empfehlungen für die Wissenschaftswelt auszusprechen, um anderen Hochschulen eine Schmach wie nach der Affäre Guttenberg zu ersparen. Und tatsächlich setzt der Abschlussbericht einen Schwerpunkt auf nötige Veränderungen im Verfahren - nicht ohne jedoch zu betonen, dass ein Fall Guttenberg an jeder beliebigen Hochschule in Deutschland hätte passieren können, nicht nur in Bayreuth:

"Der Vorfall hat sich an einer bayerischen Universität ereignet. Derartige Vorfälle ereignen sich auch an jeder anderen Universität. Es gibt keinen 'Fall Bayreuth'. Vielmehr handelt es sich - wie auch die Erfahrung der zur Kommission hinzugezogenen Experten bestätigt - um einen Fall, der nicht auf strukturelle Defizite an der Universität Bayreuth zurückzuführen ist", heißt es in dem Gutachten.

So allgemein der Fall gewesen sein soll, so allgemein fallen dann auch die Empfehlungen aus: Eine "Sicherung der Standards guter wissenschaftlicher Praxis bei der Betreuung von Doktorandinnen und Doktoranden, insbesondere im Promotionsverfahren" fordert die Kommission - und spricht sogleich Empfehlungen aus, wie dies erreicht werden könnte. "Eine im Curriculum verpflichtend vorgeschriebene Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten zu Beginn des Studiums" wird angemahnt, ebenso wie das Urteil eines externen Professors, sollte der Doktorvater die Note "summa cum laude" vergeben.

"Externe Gutachter für 'summa' begrüße ich mit Nachdruck" sagt Mathematikprofessor Kreck dazu. "Wissenschaftliches Arbeiten sollte man natürlich bereits im Studium lernen. Wenn es um eigene Forschung geht, lernt man das am Besten in der Praxis. Dabei ist ein kontinuierlicher Kontakt zwischen Doktorand und Doktorvater unerlässlich. Ich treffe mich mit meinen Doktoranden einmal in der Woche."

Wenn man die Betreuung ernst nehme, reduziere sich die in den Bayreuther Empfehlungen angesprochene Zahl der Doktoranden automatisch. Je nach Fach könne es darüber hinaus sinnvoll sein, Höchtgrenzen festzulegen. "Insgesamt ist es problematisch, die gleichen Gesichtspunkte bei allen Fächern zugrunde zu legen. Die Empfehlung, die einige gute Gedanken enthält, scheint mir etwas zu sehr auf die Geisteswissenschaften fokussiert", sagt Kreck. Dass dort Doktoranden mitunter nahezu unbeaufsichtigt arbeiten, gibt ihm zu denken: "Was da abläuft, ist mit den Naturwissenschaften oft nicht vereinbar. Da gibt es auch Geläster", sagt Kreck.

Die Bayreuther Kommission verweist in Bezug auf die Betreuungsqualität explizit auf die nach US-Modell entstehenden Graduiertenkollegs. Georg Schreyögg, Professor am Institut für Management der Freien Universität Berlin, leitet das Graduiertenkolleg "Pfade organisatorischer Prozesse". Er glaubt, dass sich diese Form des Promovierens in Zukunft durchsetzen wird.

"Die Einführung strukturierter Doktorandenprogramme sehe ich als zwingende Notwendigkeit an. Die externen Doktoranden, die nur mit dem kleinen Finger promovieren wollen, sind damit aus dem Rennen. Jeder muss sich mindestens eineinhalb Jahre Zeit nehmen, um das Programm zu durchlaufen", sagt er.

Im Berliner Graduiertenkolleg gibt es nicht mehr nur einen Doktorvater, sondern ein Betreuungsteam aus bis zu drei Professoren. "Dadurch ist eine stärkere Kontrolle gewährleistet", sagt Schreyögg.

Kreck wiederum sieht das Modell des Graduiertenkollegs nicht als umfassende Lösung. "Nicht jedes Graduiertenkolleg sieht einen regelmäßigen Austausch zwischen Professoren und Doktoranden vor - ein Fall Guttenberg ließe sich dort nicht grundsäztlich verhindern", sagt er.

Um eine gute Betreuung von Doktoranden wirklich zu gewährleisten, sollte laut Kreck schon zu Beginn der Promotion festgelegt werden, wie häufig es zu persönlichen Treffen kommt. "Wir Professoren haben so viel um die Ohren, dass man so etwas leicht schleifen lässt, wenn es keine feste Vereinbarung gibt." Im Graduiertenkolleg an der FU Berlin sind sie bereits Standard. Zu Beginn der Promotion legen Professor und Doktorand fest, wie viele Stunden im Monat gemeinsam gearbeitet wird.

Auch an der Humboldt-Universität gibt es bereits erste Änderungen im Promotionsablauf. Uni-Präsident Jan-Hendrik Olbertz zieht Konsequenzen aus der sich ausweitenden Affäre um gefälschte Doktorarbeiten und verschärft das Promotionsrecht an seiner Hochschule. "Ich dringe darauf, dass es künftig eine Rahmenpromotionsordnung gibt, die vorschreibt, dass Abschlussarbeiten immer auch in elektronischer Form abgegeben werden", sagte Olbertz der Berliner Morgenpost.

So bestehe "wenigstens immer die Möglichkeit", jede abgegebene Dissertation in Bezug auf unerlaubte Übereinstimmungen mit anderen Arbeiten zu überprüfen. "Das muss man nicht in jedem einzelnen Fall machen, aber wenn es gute Regel ist, dass man sich stellt, kann das sogar eine vertrauensbildende Maßnahme zwischen Professor und Doktorand sein", sagte Olbertz.

Grundsätzlich hätten die bekanntgewordenen Betrugsfälle von Prominenten dem Ansehen des Doktorgrades in Deutschland "ganz bestimmt" geschadet, sagte Olbertz. Er fürchte, dass es im Umgang mit geistigem Eigentum anderer "mindestens eine fahrlässige Routine" zu beklagen gebe. Die soll sich jetzt ändern. Das Ende der Affäre Guttenberg ist für die Universitäten erst der Anfang.

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