Promotion:"Dr. Bratislava" befriedigt die Eitelkeit

Promotionen sind anfällig für Mauscheleien: Wie ein berüchtigter Berater über 1500 Kandidaten auf dunklen Wegen zum Titel verholfen hat.

H. Horstkotte

Schon zum fünften Mal haben die Gerichte den Präsidenten der Leibniz-Universität Hannover enttäuscht: Ungeliebte Absolventen, die mit der Hilfe eines gewerblichen Promotionsberaters an den Doktortitel kamen, bleiben straflos. Zwar hat der Berater den Doktorvater mit einem Teil seines fünfstelligen Honorars bestochen, und beide wurden zu drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt (der Vermittler bislang nicht rechtskräftig). Aber den Doktoranden ließ sich keine Beihilfe zur Bestechung nachweisen.

Promotion: Promotion: Das Geschäft mit den richtigen Promotions-Adressen boomt seit zehn Jahren.

Promotion: Das Geschäft mit den richtigen Promotions-Adressen boomt seit zehn Jahren.

(Foto: Foto: ddp)

Nun sucht die Universität einen anderen Weg, den Titel abzuerkennen: Doktorvater Thomas A. sei wegen seiner Bestechlichkeit befangen gewesen, das Prüfungsverfahren daher hinfällig. Zudem hätten die Kandidate n in "grob fahrlässiger Unkenntnis" übersehen, dass bei einer Promotion mit Geld an einen privaten "Berater" etwas schief laufe.

Stolz mit dem Doktorhut winken

Demgegenüber beharrt der Verteidiger der meisten Betroffenen - unter ihnen neun Anwälte, ein Richter und ein hoher Beamter - auf angeblicher Ahnungslosigkeit seiner Mandanten. Und sollte einer der Prüfer befangen gewesen sein, müsse die Prüfung eben wiederholt werden. Der Streit könnte die Gerichte auf Jahre beschäftigen - so lange können die umstrittenen Absolventen weiterhin stolz mit ihrem Doktorhut winken.

Sie gehören zu den letzten von etwa 1500 Kandidaten, die ein berüchtigtes Beratungsunternehmen in den vergangenen 30 Jahren zum Erfolg geführt haben will. Wegen Überschuldung der GmbH läuft mittlerweile ein Insolvenzverfahren. Der Geschäftsbetrieb ist stillgelegt, teilte der Insolvenzverwalter der SZ mit. Der Bankrott geht aber nur zum Teil auf einen Nachfrageeinbruch im Zuge des Strafverfahrens gegen den einen von zwei Kompagnons zurück. Durch ein Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofes im vergangenen Herbst lasten auf der Firma außerdem nachträgliche Gewerbesteuern für mehrere blühende Jahre.

Der zweite Teilhaber der Consulting-Firma ist vom persönliche Fehlverhalten des anderen bislang nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Er gilt nach wie vor als unbescholtener Unternehmer - wie viele andere in dem Gewerbe auch. So hat die Medizinische Fakultät der Uni Münster 2006 einen zeitweilig in der nunmehr bankrotten Agentur beschäftigten und heute selbständigen Promotionsberater sogar zum außerplanmäßigen Professor gekrönt, wohlwissend um seinen gewerblichen Hauptberuf.

Zwischen Kreta und dem Nordkap

Das Geschäft mit den richtigen Promotions-Adressen boomt seit zehn Jahren tatsächlich mehr denn je. Um in Deutschland den regulären Doktortitel (ohne eine verräterische Herkunftsangabe in Klammern) führen zu dürfen, ist es mittlerweile auch egal, wo er im "gemeinsamen europäischen Hochschulraum", wie die Politiker es nennen, mit seinen allseits anerkannten Abschlüssen erworben wird - also irgendwo zwischen Kreta und dem Nordkap, Gibraltar und Osteuropa.

Ein am Ammersee tätiger, williger Helfer für promotionswillige Kandidaten sagt auf seiner Internetseite: "Oft ist eine Platzierung des Kandidaten im EU-Ausland einfacher als in Deutschland." Defizite wie ein Fachhochschul-Abschluss (statt eines Uni-Diploms) oder ein schlechter Notenschnitt ließen sich bei einer Promotion in anderen Staaten "durchaus kompensieren".

Auf der nächsten Seite: Warum auch die deutsche Promotion überschätzt wird und wie Bundestagsabgeordnete von im Ausland erworbenen Titeln profitieren.

Ein Titel für die Eitelkeit

Ein "kleiner Doktor" aus Bratislava

Lange galt zum Beispiel die Slowakei als günstige Adresse für Doktoranden. Dort gibt es neben dem wissenschaftlichen Doktor ein weniger mühseliges "Berufsdoktorat", das nach internationalen Standards eher einem Master-Abschluss entspricht. Wer diesen "kleinen Doktor" allerdings vor 2007 etwa in Bratislava erworben hat, genießt in Bayern und Berlin nach wie vor Vertrauensschutz für den vollwertigen Namenszusatz "Dr.".

Davon profitiert beispielsweise auch ein bayerischer Bundestagsabgeordneter. Nach einem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Düsseldorf von diesem Februar ist die Titelführung jedoch außerhalb der beiden verständnisvollen Bundesländer oder auch im Internet unzulässig (Az. 12 O 284/06).

Womöglich wird aber auch die deutsche Promotion überschätzt. Denn laut wiederholter Kritik des Wissenschaftsrates ist zumindest der deutsche "Dr. med.", also der Doktor der Medizin, oft auch nur ein Berufsdoktorat mit Studien, die eher "Diplomarbeiten in naturwissenschaftlichen Fächern entsprechen als den dort üblichen Dissertationen". Der Titel diene weniger der Wissenschaft als der beruflichen und gesellschaftlichen Anerkennung oder der Eitelkeit.

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