Professoren-Rache im Internet:"Studenten - ich mag sie nicht"

Amerikanische College-Dozenten wehren sich mit einem eigenen Internet-Portal gegen Beleidigungen im Netz: In kurzen Videoclips zeigen sie sich nicht minder schlagfertig als die Studenten.

Julia Bönisch

Kein Lehrer, Pädagoge oder Dozent lässt sich gern sagen, er sei nicht besonders sexy, seine Vorlesung langweilig oder seine Vorbereitung miserabel. Der souveräne Umgang mit Kritik und Lästereien ist eben nicht jedermanns Sache. So klagen sich zwei nordrhein-westfälische Lehrerinnen durch alle Instanzen, um das Online-Bewertungsportal spickmich.de verbieten zu lassen.

Profs strike back

David Linton vom Marymount Manhattan College: "Wir alle haben doch diesen Wunsch nach ein bisschen Ruhm in uns."

(Foto: Screenshot: mtvu.com/professors_strike_back)

Kollegen aus den USA dagegen haben einen weit gelasseneren Weg gefunden, auf Schmähungen und Rügen ihrer Studenten zu reagieren. Auf einer Seite namens "Professors Strike Back" (zu Deutsch: Professoren schlagen zurück) wehren sich die Wissenschaftler gezielt gegen fiese Bemerkungen, die im amerikanischen Pendant zu spickmich.de oder meinprof.de stehen.

"Bringt euch ein Kissen mit"

Dort, auf ratemyprofessor.com, haben Studenten mittlerweile über 6,8 Millionen Noten zu einer Million Lehrbeauftragte abgegeben. Bei der Planung ihres Semesterstundenplanes können sich die Hochschüler auf der Seite darüber informieren, wer besonders leichte Prüfungsaufgaben stellt, ein Zuspätkommen nicht verzeiht oder sterbenslangweilige Vorlesungen hält. "Bringt euch ein Kissen in diese Vorlesung mit", rät ein Student dort etwa seinen Kommilitonen. Über die Veranstaltung eines anderen Profs heißt es: "Ich würde mir lieber die Augen mit einer Nadel ausstechen, als noch einmal diese Vorlesung zu belegen."

Ratemyprofessor.com gehört zum amerikanischen College-Sender mtvU, der sein Programm online an mehr als 750 Universitäten ausstrahlt. Das Programm läuft in Speisesälen, Fitnesscentern und Wohnheimen und kann damit theoretisch 7,5 Millionen Studenten erreichen.

Auch "Professors Strike Back", die Racheseite der Dozenten, gehört zum gleichen College-Sender. Das Angebot besteht erst seit einigen Monaten, ist aber bereits die erfolgreichste Show des kompletten Angebotes. Auch den Seitenaufrufen nach zu urteilen lieben es die Studenten, wenn ihre Profs sich mit spitzen Bemerkungen gegen Kritik wehren.

In kurzen Videoclips blendet mtvU zunächt die gemeinsten Sprüche der Studenten ein, untermalt mit rockigen Gitarrenriffs. Dann stellt sich der angegriffene Professor vor die Kamera - und antwortet oft nicht minder gemein auf die Beleidigungen.

Professor mit wallender Mähne

Der Dozent David Linton vom Marymount Manhattan College etwa entschuldigt sich zunächst förmlich bei einem Studenten, der sich darüber beklagt, Linton mache sich permanent über die Hochschüler lustig und provoziere sie. Eine andere Bemerkung lässt der Wissenschaftler, der einen wirren Lockenkopf trägt, dagegen nicht auf sich sitzen: "Er ist so aufgeblasen. Er denkt, sein Gehirn ist so groß wie sein Haar." Linton jedoch ist stolz darauf, in seinem Alter noch so volles Haar zu haben. "Zu meiner Zeit sagte man: Wenn du's hast, lass es wehen! Also komm drüber weg."

Professor Peter Fettner von der Temple University in Philadelphia beschäftigt sich mit einem Studenten, der auf ratemyprofessor.com schreibt, er hasse seine Vorlesung: "Offensichtlich war nicht ich das Problem, sondern der Stoff. Das heißt, es gibt noch Hoffnung. Oder es bedeutet, du mochtest die anderen Studenten in der Vorlesung nicht. Dann lass dich trösten: Ich auch nicht."

Auf der nächsten Seite: Warum andere Wissenschaftler dagegen sind, im Netz zurückzuschlagen.

"Studenten - ich mag sie nicht"

Der Mensch hinter dem Titel

Doch längst nicht alle Professoren wollen sich auf solche Scharmützel mit den Studenten einlassen. Einige Wissenschaftler befürchten, durch "Professors Strike Back" leide die Seriosität des Berufsstandes und ihre wissenschaftliche Arbeit. Im Internet würden Dozenten ohnehin schon viel zu viel von sich preisgeben. Gehe es auf privaten Homepages und in Blogs um fachliche Diskussionen oder die neuesten wissenschaftlichen Veröffentlichungen, sei solch eine Zurschaustellung gerade noch in Ordnung, doch Fotos von Haustieren oder des letzten Urlaubes gingen niemanden etwas an.

Professoren wie David Linton, die das Netz nutzen, argumentieren dagegen anders: Selbstdarstellung im Internet sei heute ein unverzichtbares Element des eigenen Marketings. Außerdem helfe es, die Person hinter dem Professorentitel sichtbar zu machen. Einen Dozenten, der seinen Elfenbeinturm verlasse und menschlich wirke, bitte man eher um Hilfe und zusätzliche Erklärungen.

So möchte Linton seine Internet-Präsenz noch ausbauen. Wie er der New York Times anvertraute, träumt er von einer Serie, in der er nicht nur seine wissenschaftliche Arbeit, sondern auch seine persönlichen Hobbys vorstellen könne: Eis- und Rollschuhlaufen. "Wir alle haben doch diesen Wunsch nach ein bisschen Ruhm in uns."

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