Professor vor Gericht:Gute Noten gegen Sex

Ein Jura-Professor aus Hannover ist der Bestechlichkeit angeklagt: Er soll Doktoranden für Geld zu Titeln verholfen und im Austausch für Sex gute Noten verteilt haben.

Ralf Wiegand

Simone S. hatte sich viel vorgenommen für diesen Mittwoch. Im Saal 149 des Hildesheimer Landgerichts wollte sie die Sache endlich abschließen, diese verhängnisvolle Affäre mit ihrem früheren Jura-Professor. Ein Teilgeständnis hatte sie angekündigt, ihre Anwälte hatten mit der 11. Strafkammer des Landgerichts dafür abgemacht, dass alles ganz schnell gehen würde: Aussage, Geldbuße, fertig. Aber dann wird nichts daraus, die Anwälte der anderen Mitangeklagten erwirken mit einem juristischen Winkelzug eine Unterbrechung des Verfahrens, bevor Simone S., 30, aussagen kann. Die junge Frau verlässt den Gerichtssaal weinend, alles wird sich nächste Woche noch einmal wiederholen, die Kameras, die Fotografen, die Aufregung, die Scham.

Simone S.

Simone S.: Sie soll sich mit Sex eine Uni-Stelle verschafft haben.

(Foto: Foto: ddp)

Die Anklage gegen den 53-jährigen Prof. Dr. Thomas A. umfasst 76 Punkte, sie ist gut 200 Seiten dick, die Verlesung dauert mehr als eine Stunde. Zwei Staatsanwälte lösen sich beim Vorlesen ab. Die Ankläger sind überzeugt, dass sich der Jura-Professor von der Universität Hannover hat bestechen lassen, dass er Doktoranden für Geld zu ihren Titeln verholfen haben soll. In zwei Fällen soll er überdies Studentinnen bevorzugt behandelt haben, wenn die ihm sexuell entgegenkamen. Dazu gehört eben Simone S., die ebenfalls angeklagt ist, weil sie sich durch sexuelle Dienste bessere Klausurnoten und eine Anstellung als wissenschaftliche Assistentin verschafft haben soll.

Thomas A. tritt im Gericht leger auf, das Hemd unterm Sakko ist vielleicht einen Knopf zu tief geöffnet, leichter Schlafzimmerblick, überlegen. Beim Vorwurf, Studentinnen Seminarscheine angeboten zu haben, wenn sie ihm sexuell gefügig seien, schüttelt er sachte den Kopf. Er soll eine junge Frau mit einer Reise zu einem Kongress gelockt haben, mit einer anderen tatsächlich in Urlaub gefahren sein, Pauschalreise nach Tunesien. Allerdings soll der aus Bremen stammende, inzwischen in Hamburg lebende Mann sich finanziell übernommen haben, etwa mit einem Haus in einem teuren Elbvorort. Geld und Frauen, das ewige Verhängnis.

Lukratives Geschäftsmodell

Sex gegen Noten ist dabei zwar der schlüpfrigere, aber nicht der schwerwiegende Teil der Anklage gegen Thomas A. Vier Jahre Gefängnis oder mehr drohen ihm und dem mitangeklagten Betreiber eines "Instituts für Wissenschaftsberatung"aus Bergisch Gladbach für deren lukratives Geschäftsmodell. Demnach soll diese Firma mit promovierungswilligen Juristen - darunter viele Anwälte und sogar Richter - Verträge geschlossen haben. Sie bot ihnen die Vermittlung von Promotionsthemen und einen Doktorvater gleich dazu. Dafür nahm das Unternehmen Beträge um die 20.000 Euro.

69 dieser Doktoranden sollen bei Prof. Thomas A. in Hannover gelandet sein. Der habe, so die Staatsanwaltschaft, seinerseits für jeden Doktoranden einen Vertrag mit der Wirtschaftsberatungsfirma abgeschlossen. Die habe ihm in den neunziger Jahren zunächst 4000 Mark, später 2050 Euro für jeden angenommenen Doktoranden per Eilverfahren überwiesen. Bei erfolgreicher Promotion sei noch einmal der gleiche Betrag fällig gewesen. Die Dienste des Professors waren deswegen nützlich, weil all die Juristen ihre zum Teil lange zurückliegenden Staatsexamina eher schwach abgeschlossen hatten und in Hannover einen sogenannten Dispens zur Promotion brauchten, eine Ausnahmebewilligung.

13 dieser Juristen haben inzwischen ihren Dr. jur. in der Tasche und dürfen ihn wohl auch behalten. Die Arbeiten sind von Zweitgutachtern bewertet worden. Darauf baut auch die Verteidigung: Die Promotionsverfahren seien korrekt gelaufen. Der Prozess wird kommenden Mittwoch fortgesetzt.

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