Professionelle Fotografie:Sieg des Gefühls über die Vernunft

Trotz schwieriger beruflicher Perspektiven wollen viele Menschen ein Fotografie-Studium absolvieren. Um später von diesem Beruf leben zu können, muss man breit aufgestellt sein.

Von Joachim Göres

Niemals zuvor wurden so viele Fotos gemacht und verbreitet wie heute. Für professionelle Fotografen ist das nicht unbedingt ein Grund zur Freude - es werden immer mehr Bilder von nicht ausgebildeten Fotografen gedruckt, die Honorare sind seit der Verbreitung der Digitalfotografie gesunken. "Reich werden kann man als Fotograf nicht. Es ist definitiv schwerer als vor 20 Jahren, als die Fotografen viel mehr Zeit und Geld hatten. Doch das Jammern hilft niemandem", sagt Karen Fromm. Sie ist Professorin im Studiengang Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover - bundesweit die einzige universitäre Ausbildungsstätte mit Schwerpunkt Fotojournalismus. Sie veranstaltete unlängst in der niedersächsischen Landeshauptstadt das Fotofestival Lumix, auf dem sich Fotostudiengänge aus aller Welt vorstellten.

Wer als Fotojournalist überleben will, braucht heutzutage auch Aufträge aus der Werbung

Das auf acht Semester angelegte Bachelor-Studium an der Hochschule Hannover beginnt mit Veranstaltungen wie "Theoretische Grundlagen der Digitalen Fotografie", "Bildsprache", "Kurzzeitreportage" und "Bildbearbeitung". Später folgen Kurse zu den Themen "Fotobuch", "Fotojournalismus in PR und Unternehmenskommunikation" und "Marketing". Jedes Jahr gibt es circa 120 Bewerber, die Hälfte von ihnen wird zur Aufnahmeprüfung eingeladen. 35 Interessenten können danach zum Wintersemester mit dem Studium beginnen. Zwei Drittel sind männlich, ein Drittel weiblich.

"Die meisten haben klare Vorstellungen, die Zahl der Abbrecher bei uns ist gering", sagt Fromm. Zum Konzept gehört ein Praxissemester bei Zeitungen und Zeitschriften, durch das Kontakte zu potenziellen künftigen Arbeitgebern geknüpft werden sollen. Zudem entwickeln und realisieren die Studenten in den Seminaren für Auftraggeber Konzepte für Ausstellungen und Bildbände. "Die meisten Absolventen werden später freiberuflich als Fotografen arbeiten, darauf bereiten wir sie vor", sagt Fromm. Manche sind nach dem Bachelor-Studium als Bildredakteure tätig, unterrichten, organisieren Ausstellungen oder schließen ein zwei Semester dauerndes Master-Studium in Hannover an.

Professionelle Fotografie: Wie erzähle ich mit meinen Bildern auf individuelle Art Geschichten? Das gilt es im Studium der Fotografie zuallererst herauszufinden.

Wie erzähle ich mit meinen Bildern auf individuelle Art Geschichten? Das gilt es im Studium der Fotografie zuallererst herauszufinden.

(Foto: Michael Nitzschke/mauritius images)

Lutz Fischmann sieht die starke Berufsorientierung mit gemischten Gefühlen - dabei gibt er als Dozent in dem Kurs "Fotograf als Unternehmer" im vierten Semester selbst einen Einblick in den Berufsalltag. "Solche Veranstaltungen sollten erst später auf dem Lehrplan stehen. Es ist falsch, so früh an die Verwertbarkeit der eigenen Bilder zu denken. Erst muss man herausfinden, was man eigentlich mit seiner Fotografie will, und wie man Geschichten erzählt. Das braucht Zeit", sagt Fischmann, der Geschäftsführer von Freelens ist. Dieser Berufsverband der Fotografinnen und Fotografen mit Sitz in Hamburg hat mehr als 2400 Mitglieder.

Die Auswahl an Studiengängen für Fotografen ist groß, wobei die Schwerpunkte teils auf Journalismus liegen, teils sind die Studiengänge eher künstlerisch ausgerichtet. "Es gibt heute 60 Ausbildungsstätten für Fotografen mit 3000 Studierenden. Nicht alle werden vom Fotojournalismus oder künstlerischer Fotografie leben können", sagt Fischmann, der 20 Jahre als Fotojournalist unter anderem für Die Zeit, den Spiegel und Newsweek in aller Welt unterwegs war. Der 59-Jährige lobt den hohen Einsatz junger Fotografen, ihre gute Ausbildung und die Qualität ihrer Bilder. Er fügt hinzu: "Der Beruf ist vielfältiger geworden. Man fotografiert für Geschäftsberichte und versucht parallel, für ein ambitioniertes Buchprojekt Geld über Crowdfunding zusammenzubekommen. Ich bin froh, dass ich nicht mehr fotografiere."

Fischmann sagt über sich, dass er früher wie viele seiner Kollegen gut vom Beruf leben konnte und zum Beispiel nie auf Werbefotografie angewiesen war - darum kommen heute die meisten jungen Fotografen nicht herum. Sein Rat an alle, die im Entscheidungsprozess für oder gegen diesen Beruf stecken: "Wer für die Fotografie brennt, der sollte es machen. Und dabei nicht zu defensiv auftreten. Viele wagen es nicht, über Geld zu reden, weil sie befürchten, dann Aufträge zu verlieren."

Klassische Fotografie-Ausbildung

Nach wie vor gibt es den dreijährigen Ausbildungsberuf Fotograf. Laut Hans Starosta, Präsident des Centralverbandes Deutscher Berufsfotografen (CDB), fangen jedes Jahr circa 800 junge Menschen mit dieser Ausbildung in Deutschland an. Trotz geringer Ausbildungsvergütung - im ersten Jahr werden vom CDB 360 Euro monatlich empfohlen - bewerben sich mehr Schulabgänger als es Plätze gibt. Dabei gehe die Zahl der Bewerber mit Abitur zurück - sie würden sich immer häufiger für ein Foto-Studium entscheiden. Die wenigsten ausgelernten Fotografen werden laut Starosta von den bundesweit etwa 13 000 Fotostudios übernommen. Während die Nachfrage nach den Diensten der auf Porträtfotografie spezialisierten Studios stabil sei, habe die Werbefotografie mit Auftragsrückgängen zu kämpfen. "Man muss pfiffig und flexibel sein. Vor allem in Großstädten kann man als guter Fotograf etwas finden", sagt der Präsident des CDB.

Näheres zur beruflichen Ausbildung unter www.cvfoto.de. Einen Überblick über Foto-Studiengänge in Deutschland gibt es unter www.foto-studium.de. Joachim Göres

Für geeignete Studiengänge kann es zehn Mal so viele Bewerber wie Plätze geben

Schätzungsweise ist es kein Zufall, dass nicht wenige Studenten bereits eine andere Ausbildung hinter sich haben. Janosch Boerckel hat Verfahrensmechaniker für Kautschuk und Kunststoff gelernt, Marcel Maffei hat Ingenieurwesen studiert. Zwei Berufsfelder mit guten Aussichten und einem geregelten Einkommen, aber wenig Platz für die eigene Kreativität. Der eine studiert inzwischen Fotografie an der Fachhochschule Bielefeld, der andere an der Fachhochschule Dortmund. In Dortmund, wo der Bachelor Fotografie sieben Semester dauert, stehen den Studierenden nach einer zweisemestrigen Einführung die Felder Fotojournalismus, Werbefotografie, Dokumentarfotografie, Editorial Fotografie, Künstlerische Fotografie und Neue Medien offen. "Man legt sich nicht so schnell auf einen Schwerpunkt fest. Das ist ein Vorteil", stellt Maffei fest. Er würde nach dem viersemestrigen Master-Studium in Dortmund am liebsten für Langzeitfotoreportagen im Ausland arbeiten, finanziert durch Stipendien. "So etwas zu realisieren, ist aber utopisch. Vielleicht versuche ich, später an einer Hochschule zu unterrichten", beschreibt er seine Pläne in Kurzform.

Der 29-Jährige hat einen Teil seines Studiums in Aarhus in Dänemark absolviert, ist für eigene Fotoreportagen unter anderem längere Zeit in Georgien gewesen, hat seine Bilder in zahlreichen Ausstellungen gezeigt und präsentiert sich im Internet wie seine Kommilitonen mit einer eigenen Homepage. Nach seinen Angaben gab es zu Beginn seines Studiums 700 Bewerber auf einen der 38 Bachelor-Studienplätze in Dortmund.

In Bielefeld kommen laut Boerckel 300 Interessenten auf 20 bis 30 Plätze. "Es ist am Ende des Studiums meist nicht der formale Abschluss wichtig, sondern die Qualität der eigenen Arbeiten zählt", betont der Fachhochschulstudent. Wie in Dortmund wird in Bielefeld viel Wert auf Buchprojekte wie Ausstellungskataloge und Bildbände gelegt. Neben der klassischen Fotografie spielt das Bewegtbild in der Ausbildung eine Rolle - immer mehr Fotojournalisten liefern mit ihrer Kamera Filmaufnahmen, die über das Internet verbreitet werden.

Vermutlich braucht man als Fotostudent nicht nur ein gutes Auge, viel Kreativität und Ehrgeiz, sondern auch eine stabile Psyche, um die Diskrepanz zwischen eigenen Wünschen und der Realität auszuhalten. Der erfahrene Fotojournalist Fischmann empfiehlt eine gewisse Unbekümmertheit: "Es kommt doch immer anders als man denkt."

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