Pro und Contra Schulschwänzer:Trotz Schule in den Urlaub?

Gestresste Eltern fordern: Gleitzeit für Schüler! Andere finden, dass Lügen nicht in Ordnung ist, nur weil man 200 Euro spart. Ein Pro und Contra zum Thema Urlaub schon vor Ferienbeginn.

S. Buchwald und K. Stroh

Pro: Gestresse Eltern fordern - Gleitzeit für Schüler!

Schulferien, dpa

Letzer Tag vor den Schulferien: Mehr Flexibilität - oder lieber Verantwortung und Schulpflicht?

(Foto: Foto: dpa)

Von Sabine Buchwald

Die allgemeine Schulpflicht ist eine Errungenschaft, an der Eltern durchaus Zweifel haben können. Denn sie ist, wie der Ausdruck impliziert, auch ein Zwang, der die Freiheit von Millionen von Vätern, Müttern und ihren Kindern beschneidet und sich nicht zuletzt auch finanziell auswirkt.

Wenn Familien, die erst nach Schulbeginn aus dem Urlaub zurückgekommen sind, von der Polizei überprüft und mit einer Buße belegt wurden wie im vergangenen Herbst in Nürnberg, dann ist das eine grobe Beschneidung des privaten Handlungsspielraums. Deshalb wird schon im letzten Kindergartenjahr heftig über die Lasten diskutiert, die die Familie während der kommenden neun oder mehr Jahre Schulzeit trägt. Vorbei die warmen Sommerabende im Biergarten - die Schule beginnt um acht Uhr morgens, obwohl die Wissenschaft längst bewiesen hat, dass die Kinder zu dieser Zeit noch nichts leisten können. So werden also maulende Schulkinder durch die Abendsonne nach Hause geschoben, vielleicht mit dem Versprechen: In den Ferien darfst du länger aufbleiben.

Mit ein bisschen mehr Flexibilität ließen sich auch andere Probleme lösen: Millionen bayerische Schüler bekommen am Freitag ihre Zeugnisse. Von mittags an wird es wieder kilometerlange Staus geben, wenn Familien die Autobahnen Richtung Süden verstopfen. Und genauso ist es kurz vor dem 16. September, wenn sich in Bayern wieder die Schultüren öffnen.

Rücksicht auf Freizeitbedürfnisse

Schüler von privaten Schulen haben oft das Privileg, am 17. September anfangen zu dürfen. Warum dürfen Eltern ihre Kinder nicht nach Ermessen ein paar Tage nach offiziellem Schulbeginn zum Lernen schicken, oder ein paar Tage früher in die Ferien? Firmen nehmen doch auch Rücksicht auf die Freizeitbedürfnisse ihrer Angestellten. Also bitte: Gleitzeit für Schüler! Das würde Autobahnen und Geldbeutel entlasten.

In unserer mobilen Gesellschaft sind Freunde und Verwandte in alle Himmelsrichtungen verstreut. Cousins und Cousinen, die weit entfernt voneinander in Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz aufwachsen, haben keine Chance, ihre Sommerferien gemeinsam zu verbringen. Die Ferien in den beiden letztgenannten Bundesländern enden, wenn sie in Bayern gerade beginnen. Und wäre es nicht auch schön, wenn sich berufstätige Eltern nicht jedes Jahr mit den Kollegen um die begehrten Wochen streiten müssen, die sie mit den Kindern verbringen? In der Schweiz gibt es sogenannte Jokertage, die Eltern nach Wunsch nehmen können, für ein verlängertes Wochenende oder einen früheren Start in den Urlaub. Die letzten Tage vor den Ferien, wenn die Zeugnisse längst geschrieben sind, wenn nur noch Wanderungen und Projekttage auf dem Programm stehen, würden so zum Geschenk für gestresste Familien. Die Schulpflicht in Ehren, wichtig ist aber auch gemeinsame Freizeit für die Familie.

Auf der nächsten Seite: Contra - eine Trauerrede auf den wunderbaren letzten Schultag

Trotz Schule in den Urlaub?

Contra: Trauerrede auf den wunderbaren letzten Schultag

Von Kassian Stroh

An dieser Stelle müsste eine Trauerrede stehen, denn wir nehmen Abschied. Abschied vom letzten Schultag. Für viele Schüler existiert er nicht mehr und ist abgelöst worden von einem anderen Tag: dem Notenschluss. Kaum sind keine Arbeiten und Klausuren mehr zu schreiben, liegen in den Schulen auch das Lehren und Lernen darnieder. Das mag aus Sicht eines Schülers mit dem natürlichen Drang nach Faulheit zu erklären sein. Nicht zu entschuldigen ist aber, wenn auch die Lehrer und vor allem die Eltern diesen Drang befeuern. Die einen führen in den letzten Wochen nur noch Filme vor, die anderen holen ihre Kinder mit falschen Sommergrippe-Attesten aus der Schule, um vorzeitig in den Urlaub zu fahren. Beide machen den gleichen Fehler. Sie bläuen den Kindern ein: Schule ist nur wichtig, wenn es Noten gibt, gelernt wird nur für Zensuren. Die Folge ist Jahr für Jahr jene zwei- bis dreiwöchige Schuljahres-Schluss-Öde im Juli. Sie ist besonders widersinnig, da ständig über die angebliche Überlastung der Schüler geklagt wird. Lehrpläne werden gekürzt, Stundentafeln reduziert - aber ohne Not verzichtet das Land im Sommer auf beinahe ein Zehntel der jährlichen Unterrichtszeit.

Hat jemand einen vernünftigen Grund - eine Beerdigung zum Beispiel -, so gibt es in Bayern keinen Direktor, der die Kinder dafür nicht vom Unterricht befreien würde. Dass Flugtickets vor dem Ferienbeginn billiger sind, zählt aber nicht dazu. Da Viele freie Fahrt und Freizeitvergnügen für grundrechtsartig verbrieft halten, hier nur zur Erinnerung: Kein Mensch ist verpflichtet, sich in einen Ferienanfangsstau zu begeben oder am Roten Meer Urlaub zu machen. Deshalb ist es unverschämt, wenn Eltern ihre schulpflichtigen Kinder schwänzen lassen und jetzt schon in Urlaub fahren.

Lernen ist nicht an Noten geknüpft

Es ist aber viel mehr noch verantwortungslos von den Eltern: Die Schulpflicht ist aus guten Gründen Gesetz; es geht hier nicht um eine kleine Schwindelei, sondern um einen Gesetzesverstoß, zu dem Eltern ihre Kinder anleiten. Was, bitte, steckt da für ein Selbstverständnis der Erziehenden dahinter? Liebe Kinder, Lügen ist in Ordnung, wenn man sich zwei Stunden Stau oder 200 Euro spart? Wollen Eltern solch ein Vorbild sein?

Nein, die Lehrer müssen sich bemühen, auch im Juli noch guten Unterricht zu machen. Gerade die Zeit ohne Notenstress wäre dafür ideal, weil sie eine Nische auch für andere Unterrichtsformen wie Exkursionen oder Projektarbeit böte. Und die Eltern müssen ihren Kindern klarmachen, dass Lernen nicht an Noten geknüpft ist. Am Ende könnten beide den Kindern etwas Großartiges erhalten: die Freude am letzten Schultag. An keinem anderen Tag schmeckt das Eis besser, an keinem ist der Sprung in den Weiher schöner, an keinem anderen das Gefühl von Freiheit wunderbarer. Darauf Trauerreden halten zu müssen, macht keinen Spaß.

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