Private Vorsorge:Der schwierige Weg zur Berufsunfähigkeits-Rente

Je nach Job kann eine Police für den Fall der Berufsunfähigkeit sehr teuer werden. Und wer beim Antrag Fehler macht, bekommt im Leistungsfall kein Geld.

Von Elke Dolle-Helms

Private Vorsorge für den Fall der Berufsunfähigkeit zählt zu den wichtigsten Policen. Doch die Hürden sind hoch, einen passenden Versicherungsvertrag und später die versprochene Leistung zu erhalten. Für einzelne Berufsgruppen ist es schwierig, überhaupt Versicherungsschutz zu erlangen.

Unbeschwert den Tag genießen ist das Privileg der Jugend. Da passt die Tatsache nicht, dass in Deutschland jährlich rund 180.000 Menschen schon in jungen Jahren aus dem Beruf ausscheiden müssen, weil Körper oder Seele nicht mehr mitmachen. Ein solches Schicksal bringt oftmals auch noch finanzielle Not mit sich. Der Grund dafür ist eine Reform aus dem Jahr 1999. Mit dem Stichtag 1. Januar 2001 wurden die gesetzlichen Berufsunfähigkeits-Renten für alle nach dem 1. Januar 1961 Geborenen gestrichen und durch Erwerbsminderungs-Renten ersetzt. Geld vom Staat gibt es danach nur noch, wenn die Betroffenen weniger als sechs Stunden am Tag arbeiten können. Beruf, Status und Zumutbarkeit spielen keine Rolle mehr. Nach der alten Regelung galt als berufsunfähig, wer seinen lange Zeit ausgeübten Beruf weniger als zur Hälfte ausüben konnte.

Jeder vierte Arbeitnehmer scheidet inzwischen vorzeitig aus dem Berufsleben aus, überwiegend im Alter zwischen 50 und 55. Anders als oft vermutet sind nicht Unfälle, sondern Erkrankungen die weitaus wichtigsten Ursachen für den Verlust der Arbeitskraft.

Nach einer Statistik des Verbandes der Rentenversicherungsträger (VDR) liegen psychische Erkrankungen bei Frauen mit 35 Prozent aller Fälle weit vorn, gefolgt von Erkrankungen des Skelettes, der Muskulatur und des Bindegewebes mit 23 Prozent und Krebserkrankungen mit 14 Prozent. Bei Männern dominieren Skelett-, Muskulatur- und Bindegewebserkrankungen mit 27 Prozent, gefolgt von psychischen Erkrankungen mit 22 Prozent und Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 16 Prozent.

Abgelehnt

Private Vorsorge für den Fall der Berufsunfähigkeit ist heute daher wichtiger als jemals zuvor. Dennoch hat nur etwa jeder fünfte Arbeitnehmer eine solche Police abgeschlossen. Nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Psychonomics sind ausgerechnet junge Leute ab dem Jahrgang 1961 schlecht abgesichert. Nicht immer freiwillig. Denn die Versicherer nehmen nicht jeden Interessenten auf. Nur rund 87 Prozent aller im vergangenen Jahr eingereichten Anträge wurden akzeptiert.

Antragsteller, die einen Beruf mit überwiegend schwerer körperlicher Arbeit ausüben, oder Kranke tun sich schwer, Berufsunfähigkeitsschutz zu akzeptablen Bedingungen zu erhalten.

Als besonders risikoreich gelten auch die Berufe Lehrer, Musiker und Fotograf. "Lehrerinnen ab Alter 35 nehmen wir grundsätzlich nicht mehr auf", sagt ein Mitarbeiter eines Lebensversicherers, der nicht genannt werden will. Zu groß sei das Risiko einer baldigen Berufsunfähigkeit wegen einer psychischen Erkrankung. Als riskant eingestufte Bewerber erhalten entweder eine Ablehnung oder ein Vertragsangebot mit reduzierten Leistungen. Jungen Antragstellern werden zuweilen Verträge mit kurzen Laufzeiten angeboten.

Sinnvoll ist es, sich zunächst telefonisch bei mehreren Gesellschaften nach den gewünschten Versicherungsverträgen zu erkundigen. Schriftliche Anträge sollten anschließend möglichst parallel gestellt werden, weil Ablehnungen in einem neuen Antrag angegeben werden müssen.

Der schwierige Weg zur Berufsunfähigkeits-Rente

Selbst wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung besitzt, geht im Ernstfall zuweilen leer aus. "Bis zu 35 Prozent aller Rentenanträge werden im Leistungsfall abgelehnt", beobachtet Michael Franke von der Ratingagentur Franke & Bornberg, Hannover. Der Grund: Meist werden die Fragen im Rahmen der Gesundheitsprüfung nicht sorgfältig genug ausgefüllt. Dies kann sich im Ernstfall bitter rächen. Wer beispielsweise vergisst, seinen Heuschnupfen anzugeben, riskiert seinen Versicherungsschutz, wenn er seinen Beruf einige Jahre später wegen eines schweren allergischen Asthmas aufgeben muss.

Hermann Stötzel, Arzt für Neurologie und Gutachter aus Siegen, beobachtet immer wieder, dass Berufsunfähigkeitsversicherungen zu lax abgeschlossen werden. Viele Antragsteller wissen nicht, dass sie nicht nur frühere und aktuelle Erkrankungen angeben müssen, sondern auch riskante Hobbys wie Drachenfliegen oder Fallschirmspringen. Auch sollten die Angaben mit denen in anderen Versicherungsanträgen - etwa auf eine private Kranken- oder Lebensversicherung - übereinstimmen. Wichtig ist es, die unterschiedlichen Meldepflichten während der Laufzeit zu kennen. Etwa bei einem Berufswechsel oder bei einer gravierenden beruflichen Veränderung, zum Beispiel einem Auslandsaufenthalt oder dem Wechsel vom Innen- in den Außendienst.

Erste Anlaufstelle im Leistungsfall ist immer der Arzt, der eine Prognose über die Berufsunfähigkeit abgibt. Auch wenn sich eine dauerhafte körperliche Beeinträchtigung oft erst später herausstellt und auch erst dann vom Arzt bestätigt werden kann, muss die in den Versicherungsbedingungen genannte Meldefrist eingehalten werden. Der Versicherer sollte in so einem Fall auf eine mögliche Berufsunfähigkeit hingewiesen werden. Besonders wichtig ist es, an den vom Versicherer verlangten Gutachten aktiv mitzuwirken, genug Zeit für die Begutachtung durch den Facharzt mitzubringen und sehr präzise Angaben zu den Beschwerden und deren Auswirkungen auf den Beruf zu machen. Auch psychische Auswirkungen einer Erkrankung oder eines Unfalls sollten detailliert beschrieben werden.

Widerspruch ist möglich

Selbst wenn der Versicherer seine Leistung ablehnt, gibt es noch Chancen, auch ohne Rechtsstreit Geld zu bekommen. Erster Schritt ist ein Widerspruchsschreiben. Die Begründung des Widerspruchs sollte medizinische Argumente für die dauerhafte Berufsunfähigkeit enthalten und sich darauf konzentrieren, ob wirklich alle Auswirkungen der jeweiligen Erkrankung oder des Unfalls erfasst wurden. So kann eine Bandscheibenerkrankung beispielsweise auch neurologische Ausfälle nach sich ziehen, die der erste Gutachter nicht bemerkt und auch nicht dokumentiert hat. In diesem Fall empfiehlt es sich, ergänzende Facharztgutachten einzuholen.

Wichtig ist es auch hier, die vom Versicherer gesetzten Fristen einzuhalten. Daher empfiehlt es sich, notfalls zunächst formell Widerspruch einzulegen und die Begründung nachzuliefern. Wenn auch der Widerspruch nichts genützt hat, kann nur noch die Rechtsprechung helfen. Weil Sozialgerichtsverfahren oft sehr lange dauern, muss der Betroffene mit erheblichen finanziellen Engpässen rechnen und sollte rechtzeitig Geld auf die hohe Kante gelegt haben. Gutachter Stötzel rät außerdem aus Erfahrung: "Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen will, sollte auf den Rechtsschutz bei einem anderen Anbieter nicht verzichten."

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