Süddeutsche Zeitung

Private Unis in Österreich:"Wir sind eine Familie"

Persönliche Betreuung und internationale Atmosphäre: Österreichs private Hochschulen verzeichnen Zuwachsraten.

Von Christiane Bertelsmann

Wenn Martin Muhr während einer Prüfung aus dem Fenster schaut, hat er ein postkartentaugliches Panorama vor Augen: Quasi ihm zu Füßen erstreckt sich der Wallersee, einer der größten Seen des Salzburger Alpenvorlandes. Auch Muhrs Uni ist ein echtes Schmuckstück: ein apricotfarben gestrichenes viergeschossiges Schlösschen aus dem 14. Jahrhundert, umgeben von einer Wehrmauer und knuffigen Ecktürmen. Muhr studiert im berufsbegleitenden Masterstudium an der Privatuniversität Schloss Seeburg unweit von Salzburg Betriebswirtschaftslehre. Nur während der drei Präsenzwochen pro Semester lebt er am Wallersee. Für 200 Euro die Woche mietet er sich beim Hirschenwirt in Seeburg ein, besucht Vorlesungen, legt Prüfungen ab, sitzt in Seminaren, geht ab und zu mal joggen oder mit den Kommilitonen nach Salzburg zum Kegeln.

Das Konzept dieser Privatuni war für ihn als Berufstätigen genau das Richtige: eine überschaubare Anzahl an Präsenzphasen pro Semester, den Rest des Studieninhalts kann er sich in Video-Vorlesungen oder virtuellen Seminaren aneignen. Semi-virtuell nennt sich diese Form des Studiums. "Die technische Qualifikation habe ich schon", sagt Muhr, "was ich will, ist die BWL-Komponente mit dem Schwerpunkt Innovationsmanagement als weiteren Türöffner im Berufsleben." An der Fernuni Hagen in Deutschland hatte er zuvor den Versuch gemacht, auf seinen Bachelor in BWL einen Master draufzusetzen. Doch nach zwei Semestern merkte er, dass das für ihn nicht funktionierte. "Man spricht mit niemandem, man trifft niemanden", sagt er, "der wissenschaftliche Diskurs fehlte mir." In Seekirchen am Wallersee ist das anders, diskursfreundlicher, familiärer. Kein Wunder bei gerade mal 500 Studenten. Das besondere Konzept kostet den 31-Jährigen 450 Euro pro Monat an Studiengebühren, dazu kommen Fahrtkosten, 200 Euro Hirschenwirt, und was man sonst noch so ausgibt als Student im Salzburger Land. Außerhalb der Präsenzzeiten lebt Muhr in Franken und arbeitet von dort aus für eine Münchner Firma als IT-Consultant. "Ich verdiene zum Glück genug, um mir das Studium leisten zu können", sagt er.

Studenten in Österreich müssen außer 18,70 Euro Beitrag an die Studentenvertretung (ÖH) pro Semester gar nichts zahlen - vorausgesetzt, man studiert an einer öffentlich-rechtlichen Uni. Dennoch verzeichneten die privaten Universitäten in Österreich in den vergangenen fünf Jahren laut Angaben von Statistik Austria mit 47,4 Prozent die höchste Zuwachsrate innerhalb der drei Hochschulsektoren. Zum Vergleich: An den staatlichen Unis erhöhte sich die Studentenzahl im selben Zeitraum gerade mal um 9,1 Prozent, an Fachhochschulen um 21,6 Prozent.

Allerdings entscheiden sich nach Angaben von Statistik Austria nur 2,8 Prozent der österreichischen Studenten für die vergleichsweise teuren privaten Hochschulen. Dafür ist der Anteil internationaler Teilnehmer mit 39 Prozent deutlich höher als an öffentlich-rechtlichen Universitäten, dort liegt der Anteil ausländischer Teilnehmer bei 27 Prozent.

Die größte Hürde bilden meist die Kosten. Doch lohnt es sich oft, nach einem Stipendium zu fragen

Die private Universität mit den meisten Studierenden ist - passend für das Mutterland der Psychoanalyse - die Sigmund- Freud-Privatuniversität (SFU) Wien, sie zählt derzeit etwas mehr als 3000 Studierende. Neben Psychologie und Psychotherapiewissenschaft kann man hier seit Herbst 2015 auch Humanmedizin und Zahnmedizin studieren, seit Februar 2016 sogar Jura. "Wir haben alte Zöpfe abgeschnitten und durch innovative Konzepte ersetzt", sagt Rektor Alfred Pritz, "beim Jus-Studium gibt es zum Beispiel einen Schwerpunkt Internetrecht."

Wie auch in staatlichen Universitäten zählt die Abiturnote nicht als Zulassungskriterium. Stattdessen absolvieren die Aspiranten einen Aufnahmetest. Beim neuen Fach Humanmedizin kostet allein die Teilnahme 650 Euro. Die Prüfung ist in drei Stufen aufgeteilt: Motivationsschreiben mit Lebenslauf, psychologische Tests und zum Schluss ein Assessment-Center, bei dem die sozialen und emotionalen Fähigkeiten genauer betrachtet werden. Hat man all das bestanden, darf man studieren - pro Semester kostet das 11 000 Euro fürs Medizinstudium, 6200 für Psychologie.

An der Danube Private University (DPU) in Krems-Stein direkt an der Donau und mitten in der Unesco-Weltkulturerberegion Wachau lassen sich zukünftige Zahnärzte ihr Studium noch ein wenig mehr kosten: 13 000 Euro pro Semester. Schlange- stehen im Phantomraum, wo die Studierenden an künstlichen Köpfen erste dentale Handgriffe lernen, muss hier keiner. Zudem steht jedem Studierenden ein erfahrener Zahnarzt als Betreuer zur Seite. Die Mitgliedschaft im Tennisklub ist inklusive. Die Immatrikulationsfeierlichkeiten finden im prachtvollen Kloster Göttweig statt. "Wir sind eine Familie", sagt Marga Wagner-Pischel, Präsidentin und Gründerin der DPU. Viele Zahnarztkinder studieren an der DPU, auch ehemalige Internatszöglinge oder Gewinner von "Jugend musiziert" oder "Jugend forscht". "Eine besondere Klientel an jungen Menschen", sagt Wagner-Pinschel. Elitär? "Nein, eher Mittelstand." Und es gebe ja auch Stipendien.

Martin Trappel, der im sechsten Semester an der Sigmund-Freud-Universität in Wien Psychotherapiewissenschaft studiert, hat Glück gehabt und ein Privatstipendium ergattert. "Bei den Privatuniversitäten ist immer das Geld die Hürde", sagt er. "Aber man findet einen Weg rein." Er hat sich auch an der staatlichen Universität probiert. "Der Massenbetrieb, diese Großgruppen, das ist mir schwer gefallen", fasst er seine Erfahrungen zusammen. An der privaten Universität schätzt er die familiäre Atmosphäre. "An der Uni Wien hatte ich das Gefühl, man wird hinausgeprüft. Hier wollen uns die Lehrenden für die Materie begeistern", sagt Trappel, "und: man ist gerne gesehen."

Insgesamt zwölf akkreditierte, also staatlich geprüfte private Universitäten gibt es derzeit in Österreich. Die Spannbreite der Studiengebühren ist erheblich - sie reicht von 300 Euro pro Semester bis 47 000 Euro pro Jahr. Nähere Informationen: www.privatuniversitaeten.at

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Quelle:
SZ vom 09.06.2016
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