Süddeutsche Zeitung

Private Kontakte bei der Stellensuche:Wie man mit "Vitamin B" den Traumjob bekommt

Rudern, Tennis, Golf - das alles sind angenehme Freizeitbeschäftigungen. Und es sind gute Wege, Menschen kennenzulernen, ein Netzwerk zu spinnen und zu pflegen. Das kann sich im Arbeitsleben auszahlen.

Verena Wolff

Anzeigen, Online-Stellenbörsen, die Arbeitsagenturen: Es gibt viele Wege, an einen neuen Job zu kommen. Doch keine ist so effektiv wie das eigene Netzwerk. Ein Viertel aller im Jahr 2010 neu besetzten Stellen wurde über die Nutzung persönlicher Kontakte vergeben, wie eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg ans Licht gebracht hat.

In keinem Land ist das Prinzip so weit verbreitet wie in den USA: In den Vereinigten Staaten hat meist ausgesorgt, wer seinen Uniabschluss in Harvard, Stanford oder Yale gemacht hat. Zwar kostet das eine Menge Geld - doch zahlt sich das im späteren Berufsleben doppelt und dreifach aus. Denn die Absolventen der sogenannten Ivy-League-Unis und anderer Elitehochschulen sind ein erlesener Kreis: Sie teilen die wirklich guten Jobs unter sich auf. Die Stellen, die niemals per Inserat ausgeschrieben werden und für die die Unternehmen hochqualifizierte Leute suchen. Und sie entsprechend bezahlen. Das ist eine durchaus akzeptierte und geschätzte Nachwirkung des elitären US-Studiums.

Zwar sind Alumni auch in Deutschland keine unbekannte Masse mehr - doch das Vitamin B (B wie Beziehung) bei der Bewerbung ist noch immer negativ behaftet. "Vitamin B ist etwas ganz Schönes - wenn man es hat", sagt Tim Ackermann, Assistant Professor an der International School of Management in München und Personaler in Großunternehmen wie Microsoft und der Deutschen Bank. Ganz und gar nichts Anrüchiges sei daran, private und berufliche Netzwerke bei der Suche nach dem nächsten Job zu instrumentalisieren.

Man kennt einen, der kennt einen ...

Nach ihrer Erfahrung werden tatsächlich die meisten Jobs auf diesem Weg vergeben, sagt auch Personalberaterin Doris Brenner. "Man braucht sich nur im privaten Umfeld mal umzuhören, wer diese Hilfe in Anspruch genommen hat." Meist ist der Weg allerdings nicht direkt. "Man kennt da einen, der kennt einen anderen", beschreibt Brenner das. Solche Kontakte zu nutzen, habe nichts mit Seilschaften zu tun. "Die meisten Leute haben sich diese Kontakte redlich und über einen längeren Zeitraum erarbeitet", sagt sie.

Wege gibt es viele, sich ein solches Netzwerk aufzubauen: Familie und Freunde, Bekannte aus der Schule und dem Studium, Kunden und Kollegen, Menschen, die man aus dem Verein oder dem Sport kennt. Auch Berufsverbände seien als Plattform für Kontakte interessant, sagt Beraterin Brenner. "Wer sich im beruflichen Umfeld in Verbänden engagiert, kann darüber gezielt ein Netzwerk aufbauen." Das zeige noch dazu, dass sich ein solcher Arbeitnehmer über das normale Maß mit seinen Arbeitsthemen identifiziert.

Auch die Größe des Unternehmens hat Auswirkungen auf die Besetzungswege, sagt IAB-Sprecher Wolfgang Braun. "Während Kleinstbetriebe rund die Hälfte ihrer freien Stellen über persönliche Netzwerke vergeben, ist dies bei Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern nur bei etwa einem Zehntel der Neueinstellungen der Fall." Das sei plausibel, weil mit wachsender Größe einer Organisation auch deren Arbeitsteilung steigt, sich an der Auswahl der Bewerber verschiedene Organisationseinheiten beteiligen und Auswahlprozesse häufig formaler strukturiert sind.

Auch bei der Art der Stellen haben die Autoren der Nürnberger Studie Unterschiede ausgemacht: "Bei Ungelernten wird sogar jeder dritte Job über persönliche Netzwerke vergeben", sagt Braun. Bei den Hochqualifizierten mit Hochschulabschluss stehe dagegen das Recruiting per Internet an erster Stelle - bis es um die wirklich hochdotierten Posten geht: Im Management geht nichts ohne gute Kontakte. "Je höher die Positionen sind, umso mehr zählt das Netzwerk und zahlt sich das Image aus", sagt Brenner. Denn gerade dann gehe es nicht mehr nur um Können und Wissen, sondern ganz stark um Vertrauen.

Wer sich ein Netzwerk aufgebaut hat, kann durchaus an vielen Stellen auf einen Vertrauensvorschuss setzen. Als Türöffner sieht Personaler Ackermann das gute Wort eines Kollegen, der etwa schon seit längerer Zeit in dem Unternehmen mit der vakanten Stelle arbeitet. "Mit meinen guten Unterlagen und meiner Persönlichkeit muss ich dann allerdings selbst durch die Tür marschieren."

Nur ein Türöffner

Und da liegt auch eine der Risiken des Vitamin B: "Man muss sich größte Mühe bei der Bewerbung geben und den Eindruck vermitteln, dass man die entsprechende Kompetenzen auch wirklich hat", sagt Ackermann. Allzu sehr raushängen lassen sollte man die Bekanntschaft nicht. "Dann ist man schnell in einer Schublade." Am besten funktioniere der Vorsprung durch Freundschaft oder Empfehlung, wenn es nur wenigen Leuten bekannt ist.

Doch nicht nur für Bewerber ist eine Empfehlung ein großer Schritt zu einem Traumjob. Auch die Arbeitgeber profitieren davon und pflegen Beziehungen: "Wenn ich jemanden aus der realen Arbeitssituation kenne, einen Praktikanten, Werkstudenten oder früheren Mitarbeiter, weiß ich als Unternehmen, was ich an ihm habe", sagt Brenner. Das sei den Betrieben die beste Empfehlung.

Auch die Tipps aus der Belegschaft helfen oft - sie sind oft sogar so gut, dass viele Firmen ein "Kopfgeld" zahlen, wenn es tatsächlich zu einer Einstellung kommt. "Die Leute werden nur Bekannte empfehlen, von denen sie sicher sind, dass sie für eine Stelle geeignet sind - denn das fällt schließlich auf sie zurück." Die Beziehung der Bekannten geht oft über mehrere Ecken - das ist aus der Sicht von Doris Brenner auch gut so. "Vorsicht ist geboten bei Empfehlungen im engsten familiären Umfeld - denn da setzt der Verstand aus und die Liebe ist allzu überschwänglich."

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