Portal zur Bewertung von Praktika:Kampf dem Kaffeekochen

Bis zur Mittagspause fünf Aktenordner kopieren und nebenbei die Kaffeemaschine am Laufen halten: Damit Studenten ihre Zeit nicht mit sinnlosen Praktika vergeuden, gründeten ein paar von ihnen ein Portal zur Bewertung von Praktikanten-Jobs.

Johann Osel

Praktika sind im Lebenslauf von Studenten heutzutage quasi Standard. Sie können Wissen und Praxis vermitteln und Grundstein einer Karriere sein - oder auch einfach nur zu Frust führen. Stefan Peukert, 26, Wirtschaftsstudent an der Uni Witten-Herdecke, und sein Kompagnon Daniel Pütz, 27, wollen anderen Studenten Entscheidungshilfen geben - in ihrem Portal meinpraktikum.de kann man Unternehmen nach Faktoren wie Aufgaben, Betreuung oder Atmosphäre bewerten und Erfahrungsberichte verfassen. Aus dem Studentenprojekt wurde eine Geschäftsidee: Seit drei Wochen ist sie am Netz, wie Gründer Daniel Pütz berichtet.

Portal zur Bewertung von Praktika: Jeder Student soll Praktika finden, die genau zu ihm passen - das wollen Daniel Pütz (links) und Stefan Peukert mit ihrer Seite erreichen. Auch sie persönlich hätten schon schlechte Erfahrungen gemacht.

Jeder Student soll Praktika finden, die genau zu ihm passen - das wollen Daniel Pütz (links) und Stefan Peukert mit ihrer Seite erreichen. Auch sie persönlich hätten schon schlechte Erfahrungen gemacht.

(Foto: privat)

SZ: Wie sieht denn in Ihren Augen das ideale Praktikum aus?

Pütz: Pauschal mit gut oder schlecht ist das gar nicht zu beurteilen, deswegen setzen wir mit unserer Seite auf Differenzierung. Es kommt ja immer auf die persönliche Situation und die gewünschte Perspektive an. Am Anfang eines Studiums braucht man als Praktikant sicher noch enge Betreuung, später oder kurz vor der Abschlussarbeit will man eher freier arbeiten und vielleicht schon selbständig Projekte ausführen. Grundsätzlich schlecht ist natürlich der Klassiker, den ich selber auch mehrmals erlebt habe: an der Kaffeemaschine stehen oder Aufgaben zu bekommen wie etwa bis Mittag fünf Aktenordner zu kopieren.

SZ: Solche Meldungen hört man ja nach Praktika immer wieder. Wie kam es zur Idee für das Portal?

Pütz: Das hat als kleines studentisches Projekt begonnen und ist mittlerweile gewachsen, aktuell liegen wir bei 1200 Bewertungen. Wir haben unsere Master-Arbeit vorerst wegen des Portals aufgeschoben. Die Idee kam, als wir im letzten Jahr mal zusammen in Hamburg in einer Kneipe saßen und uns über unsere Praktika unterhalten haben. Schnell erkannten wir, dass man da mal ein Forum schaffen müsste, auf dem man seine Erfahrungen schildern kann und so anderen Studenten behilflich ist. Im besten Falle ist man dann schon vor einem Kaffeekochpraktikum informiert - beziehungsweise gewarnt. Letztlich soll jeder das Praktikum finden, das genau zu ihm passt und seinen Fähigkeiten und Berufswünschen förderlich ist. Es kann ja einiges schieflaufen bei einem Praktikum: Man bekommt keine Aufgaben übertragen, sitzt den ganzen Tag rum und liest Zeitung, die Kollegen sind im Stress und keiner fühlt sich für den Praktikanten zuständig. Im schlimmsten Fall werden dann noch Fehler abgewälzt, wenn was schiefläuft. Nach dem Motto: "Das muss bestimmt der Praktikant vergeigt haben."

SZ: Es gibt aber das glatte Gegenteil: Ausbeutung als reguläre Arbeitskraft.

Pütz: Genau das ist ja die Definition der "Generation Praktikum". Da wird der Berufseinstieg in Form einer echten Anstellung hinausgezögert, und die Grundidee eines Praktikums sozusagen missbraucht. Da unsere Hauptzielgruppe aber Studenten sind, nicht Absolventen, haben wir solche Klagen kaum. Ohnehin gibt es ja nicht nur Beschwerden über Praktika, viele Studenten sind zufrieden und empfehlen ihre Stelle weiter. Das ist meist dann der Fall, wenn die Atmosphäre im Betrieb gut ist und die Studenten ins Team integriert werden.

Rachsüchtige Praktikanten

SZ: Läuft so ein Forum nicht Gefahr, dass sich jemand nur rächen will für etwas; oder sogar Firmen ihren Konkurrenten online eins auswischen?

Pütz: Prinzipiell ist diese Gefahr natürlich da. Wir können das aber eingrenzen, von einem E-Mail-Account kann zum Beispiel nur eine limitierte Zahl von Berichten versendet werden. Und jede Bewertung wird überprüft, es dürfen keine Beschimpfungen dabei sein, Kollegen namentlich genannt oder Betriebsgeheimnisse ausgeplaudert werden. Die Rückmeldungen der Arbeitgeber sind übrigens positiv. Man kann das für Qualitätsmanagement nutzen und sehen, wenn es irgendwo hapert. Bei internen Feedback-Bögen lügen Praktikanten oft, ich kenne das aus persönlicher Erfahrung. Denn solche Bewertungen füllt man meist aus, bevor man sein Zeugnis bekommt.

SZ: Das Portal ist auch eine Geschäftsidee: Wie wird es finanziert und können Sie schon rentabel damit arbeiten?

Pütz: Bisher haben wir das privat finanziert, also unsere Ersparnisse zusammengekratzt, um das Konzept zu verwirklichen. Inzwischen gibt es auch Anzeigen auf der Seite - allerdings welche mit Nutzwert für den User. Firmen können Profile veröffentlichen, Videos, Fotos, die Firmengeschichte oder Interviews mit ihren Personalern - alles aber ohne Einfluss auf die Bewertungen. Das deckt momentan gerade so die laufenden Kosten für den Betrieb der Seite. Es könnte natürlich ein gewinnbringendes Projekt mit unserer eigenen Firma werden, wenn es weiter wächst. Praktika haben wir jedenfalls im Laufe unserer Studienlaufbahn schon genügend gemacht.

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