Polizeiausbildung:Welche Polizisten braucht das Land?

Vereidigung von Kommissaranwärtern

Kommissaranwärter während ihrer Vereidigungsfeier in Dortmund (Archivbild)

(Foto: picture alliance / Caroline Seid)

Der Staat legt bei der Nachwuchssuche 30 Jahre alte Maßstäbe an. Einzelne Auszubildende bescheren der Polizei nun Skandale. Was ein Polizeilehrer darüber denkt.

Gastbeitrag von Thorsten Masuch

Bewirb dich jetzt, greif dir die Sterne und werde Polizist" - Berlins Polizei hat sogar schon mit einem eigenen Song um Nachwuchs geworben. Mittlerweile überlegt man dort, auch junge Menschen aus dem EU-Ausland anzusprechen. In ganz Deutschland ist die Situation ähnlich: Der Bedarf an neuen Polizisten ist groß. Die politische Forderung, doch mehr Polizisten auszubilden und einzustellen, ist schnell erhoben - die Suche nach neuen Kräften allerdings anspruchsvoll.

Der Beruf ist nach wie vor angesehen, doch sinkende Schulabgängerzahlen und die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt schlagen sich nieder. Die Kampagnen der Länder müssen schon originell sein, um mitzuhalten, von der "Nacht der Bewerber" über die Ansprache in sozialen Medien, über Postkarten und Plakate bis hin zur Kinowerbung.

Der Autor

Thorsten Masuch, 47, ist als Jurist im Polizeipräsidium Frankfurt tätig und unterrichtet Polizeianwärter an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung. Der Text gibt ausschließlich seine persönliche Ansicht wieder.

Die Anzahl der Interessierten für eine Polizeiausbildung ist bestimmt wichtig. Die generelle Eignung des Nachwuchses darf jedoch nicht aus dem Blick geraten. Welche Eigenschaften muss ein angehender Polizist unbedingt mitbringen? Welche gesundheitlichen, körperlichen und charakterlichen Voraussetzungen müssen Bewerber beziehungsweise junge Beamte aufweisen? Und worauf kann heutzutage verzichtet werden?

Ein Polizeibewerber bricht ein - das muss man ernst nehmen

Unerlässlich sind heute gerade die charakterlichen Aspekte. Dies zeigt sich in jüngster Zeit vermehrt. So war ein Polizeianwärter im Juni 2017 in eine tödliche Messerattacke in der Wiesbadener Innenstadt verwickelt. In Berlin gab es Vorwürfe, die Auszubildenden für den Polizeidienst seien von arabischen Clans unterwandert. Bei Krawallen in Darmstadt soll ein 22 Jahre alter Polizeianwärter versucht haben, seinen Polizeistatus zu nutzen, um festgenommene Freunde zu befreien.

In Sachsen-Anhalt sah sich der Innenminister nach einem Einbruch durch einen angehenden Polizisten dazu veranlasst, das Niveau der Ausbildung zu verteidigen. Fehlverhalten wird es immer geben, und solche Fälle stehen keinesfalls für die gesamte Polizeiausbildung. Aber sie sind ernst zu nehmende Hinweise, dass die generelle Eignung nicht vernachlässigt werden darf.

Denn im Polizeivollzugsdienst sind besonders hohe Anforderungen an die charakterliche Stabilität der Beamten zu stellen. Diese sind auch der Bevölkerung wichtig. Selbständig, ehrlich, durchsetzungsstark, zuverlässig, ausgeglichen, kooperationsfähig, respektvoll, loyal, belastbar, motiviert, sozial kompetent, deeskalierend - das sind nur einige der gewünschten Eigenschaften. Schon Konfuzius fragte: "Aufbrausend und charakterlos, dumm und unaufmerksam, unwissend und unehrlich - was kann man mit solchen Menschen anfangen?" Im Polizeivollzugsdienst haben sie jedenfalls nichts verloren.

Die Angst vor "Zwergerl-Cops" ist unbegründet

Zur charakterlichen Eignung gehören auch die Fähigkeit und die Bereitschaft, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten. Die Eignung setzt damit auch voraus, dass der Dienstherr von dem Beamten die Erfüllung der Beamtenpflichten erwarten kann.

Dies umfasst, dass sich Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Sie haben dem ganzen Volk zu dienen und ihre Aufgaben im Interesse des Wohls der Allgemeinheit unparteiisch und gerecht zu erfüllen. Ansonsten würde das für einen funktionstüchtigen Rechtsstaat unabdingbare Vertrauen der Bevölkerung in eine der Werteordnung des Grundgesetzes entsprechende Arbeit der Polizei schwinden.

Charaktermängel können sich dabei sowohl im dienstlichen als auch im außerdienstlichen Verhalten zeigen. So wird ein Polizeivollzugsbeamter bei einer eigenen außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt der Achtung und dem Vertrauen nicht gerecht, die sein Beruf erfordert. Denn er wird gerade zur Verhinderung und Verfolgung von Verkehrsdelikten im Zusammenhang mit relevantem Alkoholkonsum eingesetzt. Ebenso ist Drogenkonsum nicht hinnehmbar. Ein hartes Vorgehen gegen Drogen ist für die Allgemeinheit nur nachvollziehbar, wenn die Polizei einen Umgang mit Drogen in ihren Reihen nicht verharmlost.

Wird ein Polizist nur als neutral angesehen, wenn er keine Tattoos hat?

Doch sind Polizeibeamte auch Menschen und machen somit Fehler. Eignungszweifel können nach der Rechtsprechung folglich nicht auf ein "einmaliges persönlichkeitsfremdes Fehlverhalten" gestützt werden. Bleiben die Bereiche, die möglicherweise nicht mehr ganz der heutigen Zeit entsprechen. Bringt etwa eine Tätowierung im sichtbaren Bereich noch eine "überzogene Individualität" zum Ausdruck? Erkennt die Bevölkerung einen Polizeibeamten nur dann als neutral, seriös und korrekt an, wenn er nicht (nennenswert) tätowiert ist? Es macht die Nachwuchssuche nicht leichter, Bewerber an Maßstäben von vor 30 Jahren zu messen.

Das Land Berlin hat seine Dienstvorschriften wohl auch deshalb entsprechend geändert und erlaubt nun Tätowierungen im sichtbaren Bereich. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts muss der Gesetzgeber insoweit eine grundsätzliche Entscheidung treffen. Bayern hat dies bereits umgesetzt und das Beamtengesetz entsprechend ergänzt. Die Frage, ob angesichts der zunehmenden Verbreitung von Tätowierungen weiterhin von einer allgemeinen Ablehnung oder Gefährdungen für die Repräsentations- oder Neutralitätsfunktion der Uniform ausgegangen werden kann, bedarf jedenfalls einer aktualisierten Prüfung.

Schließlich steht die notwendige Körpergröße von Polizeibeamten immer wieder in der Diskussion. Die unterschiedlichen Grenzen im Bund und in den Ländern werden teils heftig kritisiert. Das Spektrum geht von einem völligen Verzicht auf eine Größenvorgabe bis hin zu genauen Grenzen - teilweise unisex, ansonsten differenziert, manchmal aber auch ausgesetzt oder mit Toleranzen.

Zwar ist die Festlegung einer Mindestgröße als Voraussetzung für eine Einstellung in den Polizeivollzugsdienst grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings kommt in Betracht, ganz auf diese Grenzwerte zu verzichten und allein auf eine gesondert festgestellte körperliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst abzustellen. Bedeutsam wären dann ausschließlich individuelle Merkmale wie die körperliche Leistungsfähigkeit, Fitness und Abwehrfähigkeiten. So verfährt beispielsweise das Bundesland Bremen. Ähnlich wird seit der Dienstrechtsnovelle 2011 in Österreich gehandelt. Dass die Polizei dort heute tatsächlich eine "Räuberleiter" braucht oder "Zwergerl-Cops" eingestellt werden, ist nicht überliefert.

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