Vorwurf Rassismus:Wie rechts ist die Polizei?

Bereitschaftspolizei

Die Polizei sieht sich derzeit vermehrt Vorwürfen ausgesetzt, Rechtsextreme und Rassisten in ihren Reihen zu haben.

(Foto: dpa)

Kritik an der Polizei - insbesondere in Sachsen - wird in diesen Tagen immer lauter. Polizeilehrer Rafael Behr hält es für notwendig, den Vorwürfen nachzugehen.

Interview von Larissa Holzki

Die Polizei passe lieber auf Ausländerfeinde auf als auf ihre Gegendemonstranten; es herrsche ein "rechter Korpsgeist" unter den Beamten; die Behörden würden von Rechten unterwandert. Kritik dieser Art an der Polizei - insbesondere in Sachsen - wird in diesen Tagen immer lauter. Befeuert wird sie auch durch Einzelfälle. Ein LKA-Mitarbeiter, der bei Pegida mitläuft und Journalisten anpöbelt, mag das dem Gesetz nach dürfen. Dennoch ist er ein Warnsignal.

Ist die Polizei ein Spiegel der Gesellschaft, in der es Sympathisanten und Mitglieder von AfD und Pegida gibt? Oder verorten sich ihre Mitglieder stärker am rechten Rand als die Mitte der Gesellschaft gutheißen sollte? Und wenn ja: Wie kann das sein? Der Polizeilehrer und Soziologe Rafael Behr kennt die Strukturen.

SZ: Herr Behr, sind rechte Demonstranten den Polizisten lieber als linke?

Rafael Behr: Wir wissen, dass Polizisten härter reagieren, wenn ihre Autorität in Frage gestellt wird. Wenn jemand die Polizei verhöhnt, dann ist er ein potenzieller Gegner, egal ob von rechts oder von links. Aber traditionell wird der Staat eher von links in Frage gestellt, spätestens seit der Studentenbewegung. Wenn dagegen früher die NPD aufmarschiert ist, dann ist die ordentlicher marschiert als die Polizei. Die hatte mehr Ordnungskriterien. Deshalb ist das Radarsystem für Gefahr von links intensiver aufgebaut als von rechts, das macht die Sache aktuell nicht leichter.

Rafael Behr

Rafael Behr ist seit 2008 Professor für Polizeiwissenschaften mit den Schwerpunkten Kriminologie und Soziologie am Fachhochschulbereich der Akademie der Polizei Hamburg. Er lehrt dort angehende Polizisten und forscht unter anderem zur Organisationskultur.

Sind unter den Polizeibeamten so viele AfD-Wähler, CDU-Mitglieder und Linke wie im Rest der Bevölkerung?

Nein, es gibt seit jeher wenige Linke und Grüne bei der Polizei. Ihre Mitglieder sind in langer Tradition entweder fest im sozialdemokratischen Lager verankert und dort mittig oder am rechten Rand zu verorten, oder aber in der CDU und rechts davon. Die Polizei insgesamt ist eine wertkonservative Organisation. Das ist aber erst mal nichts Schlechtes, das heißt ja auch, dass sie beständig ist.

Mittlerweile scheinen auch viele Polizisten Funktionen bei der AfD zu übernehmen.

Auch das ist kein Verbrechen. Es zeigt aber, dass die Tendenz, sich rechte, rigidere Denkmuster anzueignen, größer ist als ins Bunte, ins Grüne, ins Internationale zu denken.

Rigidere Denkmuster - Sie meinen Ausländerfeindlichkeit? Steht die Polizei dem rassistischen Lager nahe?

Da bin ich vorsichtig. Aber mich irritiert sehr, dass der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter nun drakonische Maßnahmen fordert, um Rechtsextremismus in der Gesellschaft vorzubeugen. Er wäre sehr gut beraten, diese Diskussion im Inneren der Polizei zu führen und seinen sorgenvollen Blick auf die eigene Organisation zu richten, um zu fragen: Was können wir tun, um festzustellen, wie viele rechtsextrem verführbare Polizisten wir haben? Und wie können wir verhindern, dass es mehr werden?

Da steckt jetzt aber doch die Vermutung dahinter, es könnten viele sein.

Wie viele das genau sind, weiß man nicht, aber ich vermute schon, dass es einige sind. Viele Schutzpolizisten arbeiten an Vergeblichkeitserfahrungen. Ihr Job ist oft frustrierend. Sie nehmen Leute fest, die von Gerichten wieder entlassen werden, ohne dass jemand ihnen die Gründe erklärt. Sie treffen auf Menschen, mit denen nicht mehr zu reden ist. Das kann natürlich dazu führen, dass die zynisch werden und sich dem rechten Gedankengut annähern. Dass sie Leute rausschmeißen wollen, die hier nach Meinungen bestimmter Gruppen nicht hingehören.

"Stellt euch dem Vorwurf, nur nach Hautfarbe zu kontrollieren"

Sie meinen, der Job des Polizisten macht aus manchen Rassisten?

Automatisch sicher nicht. Aber es wird Zeit, dem Rechtsradikalismus- und Rassismusvorwurf nachzugehen und nicht auf die Gesellschaft zu zeigen. In den 80er Jahren hatten wir eine ähnliche Debatte um die Republikaner und Polizisten, die dort Mitglied wurden. Damals hat die Polizei darauf reagiert.

Die Republikaner wurden vom Bundesamt für Verfassungsschutz wegen des Verdachts auf rechtsextreme Bestrebungen beobachtet. Welche Maßnahmen wurden ergriffen?

Die Ausbildung wurde pädagogisiert. Der politische Unterricht wurde intensiviert. Nach meiner Erfahrung wird heute im Studium über Rassismus gesprochen: Was ist das? Wie zeigt sich das? Ich sage im Unterricht zu meinen Studenten: Stellt euch diesem Vorwurf, nur nach Hautfarbe zu kontrollieren. Stimmt das? Was macht ihr denn tatsächlich? Können wir dem auch etwas Intelligentes entgegensetzen? Etwa, dass wir nach Ort und Zeit und so weiter entscheiden.

Offenbar reicht Pädagogik nicht aus.

Nein, Demokratie muss auch gelebt werden. Die gesamte Führungskultur, der Umgang mit Mitarbeitern muss widerspiegeln, dass wir in einer wertschätzenden Organisation und nicht in einem bürokratischen Apparat leben. Viele Polizisten der unteren Dienstränge erleben sich als kleine Rädchen im Getriebe, da kann es dann schon zu abweichenden Wertvorstellungen kommen.

Viele Polizeibeamte teilen also das Gefühl des Abgehängtwerdens, von dem auch mit Blick auf AfD- und Trumpanhänger immer wieder gesprochen wird?

Strukturell gesehen sind Mitarbeiter am unteren Ende einer Hierarchie dafür anfälliger. Mit mehr Wertschätzung könnte man dem entgegenwirken. Wohlgemerkt: Wertschätzung - und auch Mitsprache - im Innern der Polizei.

Muss im Innern der Polizei auch darüber geredet werden, was die Leute fordern, die etwa in Chemnitz aufmarschieren und ob etwa die Vorwürfe von Pegida-Anhängern gegen Journalisten gerechtfertigt sind?

Im Einsatz ist es hilfreich, wenn sich die Polizisten gar nicht so viel Gedanken um die Inhalte machen. Sie müssen nicht sagen, ich habe was gegen Pegida oder ich bin für die Integration von Flüchtlingen. Sie begleiten Versammlungen, weil sie das Versammlungsrecht schützen und nicht, weil sie die Demo gut finden. Ob ein Polizist konservativ ist oder grün, rechts oder links - das ist egal, wenn er seinen Job so macht, wie es im Gesetz steht.

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