Süddeutsche Zeitung

Pisa-Studie und die Lehrer:Eingepfercht und alleingelassen

Kein Telefon, kein Arbeitsrechner, kein eigener Schreibtisch: Lehrer werden in diesem Land wie Tagelöhner behandelt. Wenn das so bleibt, kann niemand große Sprünge beim nächsten Pisa-Vergleich erwarten.

Thorsten Denkler

Ein bisschen besser in Mathematik und in den Naturwissenschaften, leicht über statt deutlich unter dem Durchschnitt der Industriestaaten: Im Pisa-Vergleich holt Deutschland auf. Und schon glauben die Bildungspolitiker im Bund, alles richtig gemacht zu haben. Hier ein paar einheitliche Bildungsstandards, dort an der Lehrerausbildung geschraubt. Immerhin: Kitas sind jetzt auch Bildungseinrichtungen. Auch wenn die Erzieherinnen und Erzieher damit manchmal noch überfordert sind.

Wer das alles als großen Erfolg verkaufen will, der hat zu niedrige Ansprüche an die Bildung. Noch immer ist das Bildungssystem in Deutschland nicht auf dem neuesten Stand. Deutschland sei im Pisa-Ranking der OECD aufgestiegen von der zweiten Liga in die Bundesliga, sagt von Heino von Meyer, Leiter des Berliner OECD-Büros. Aber zur Champions League sei es noch ein sehr weiter Weg.

Das hat wenig mit Schulstrukturen und Klassengrößen zu tun. Aber sehr viel mit motivierten Lehrerinnen und Lehrern. Und da hat Deutschland wohl eines seiner größten Defizite. In allen erfolgreichen Bildungsnationen, ob in Asien oder in Nordeuropa, hat der Beruf des Lehrers einen besonderen Stellenwert in der Gesellschaft. Die Anforderungen an den Beruf sind hart. Die Anerkennung ist hoch, die Erwartungen sind es ebenso.

Umzusetzen ist das nur, wenn die Lehrerinnen und Lehrer endlich angemessene Arbeitsbedingungen bekommen. Heute müssen sie sich in den Pausen in Lehrerzimmern zusammenpferchen lassen - oder verzichten als Pausenaufsicht ganz auf die Auszeit. Noch nicht einmal auf einen eigenen Arbeitsplatz gibt es eine Garantie, geschweige denn auf einen eigenen internetfähigen Computer.

Obwohl die Anforderungen an Lehrer steigen, werden sie noch zu oft mit sich und ihrem Unterricht alleingelassen. Supervision gibt es kaum. Was ihre Kolleginnen und Kollegen im Klassenraum so treiben, davon bekommen nach wie vor die wenigsten Lehrer etwas mit. Fortbildung ist an vielen Schulen keine Anforderung, sondern Privatsache.

Vergleichstests haben ergeben, dass die Unterschiede von Schule zu Schule, ja von Klassenraum zu Klassenraum oft größer sind als von Bundesland zu Bundesland. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat deshalb völlig recht, wenn sie heute sagt: Dass Deutschland sich verbessert habe im OECD-Ranking, sei vor allem den einzelnen Schulen zu verdanken. Erfolgreich sind Schulen mit einer engagierten Schulleitung. Schulleiter müssen deshalb Führungspersönlichkeiten sein mit hoher Managementkompetenz. In den erfolgreichen Bildungsnationen werden Schulleiter besonders ausgebildet. In Deutschland werden diese Posten zu oft verschachert.

Lehrerinnen und Lehrer werden von ihren Arbeitgebern behandelt, als gäbe es sie gar nicht. Sie haben kein eigenes Telefon, keine Mailadresse. Sie sind außerhalb der Unterrichtszeit für Schüler schlecht, für Eltern so gut wie gar nicht zu erreichen - außer sie geben ihre private Telefonnummer weiter. Sonderengagement wird weder mit Zeit noch mit Geld ausgeglichen. Wenn Lehrer Glück haben, bekommen sie Lob von ihren Schülern.

Lehrer brauchen einen neuen Status. Der Job gehört in einer Bildungsnation wie Deutschland zu den wichtigsten, die das Land zu vergeben hat. Über Arbeitsplatzqualität muss auch politisch entschieden werden. Solange Lehrer von ihren Dienstherren behandelt werden wie Tagelöhner, wird es nur in Tippelschritten weitergehen.

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