Pilot im Eurofighter:Wie ein Pfeil am Firmament

Pilot im Eurofighter: Kampfjetpilot Martin Zielinski

Kampfjetpilot Martin Zielinski

(Foto: Natalie Neomi Isser)
  • In den Achtzigerjahren wurden Kampfpiloten zu gefeierten Stars.
  • Im vergangenen Jahr bewarben sich immer noch 1424 Frauen und Männer als Kampfpiloten bei der Bundeswehr. Einer von Hundert schafft es ins Cockpit eines Kampfjets.
  • Weil eine Betriebsstunde im Eurofighter Typhoon 90 000 Euro kostet, müssen die Piloten jedoch immer häufiger in den Simulator.
  • Unterwegs mit Pilot Martin Zielinski, der mit dem Eurofighter Terroristen aufhalten soll.

Reportage von Christoph Dorner

An einem Donnerstag im Juni steigt Martin Zielinski in der Nähe von Augsburg in einen Eurofighter und fliegt ans Meer. Es ist kein simulierter Luftkampf wie sonst, hoch oben im Luftraum zwischen München und Stuttgart, der sich für einen Kampfpiloten ungefähr so groß anfühlt wie ein Schuhkarton für einen Hamster. Es ist nur eine Flugzeugüberführung. Busfahren, nennen das manche Kampfpiloten abfällig, weil sie die zivile Fliegerei mit Autopilot sterbenslangweilig finden.

Zielinski ist in der Luft ein Multitasker. Ein Klavierspieler. Er legt sich bei jedem Flug mit dem Jet einmal aufs Dach. So viel Pose muss sein, auch wenn sie Tausende Fuß über dem Boden kein Mensch sehen kann. "Dieses Gefühl von Freiheit ist unbeschreiblich", sagt Zielinski, als er auf dem Fliegerhorst Lechfeld vor dem Hangar aus dem Eurofighter steigt, den Rausch der Geschwindigkeit noch im Gesicht.

Kampfpiloten, das waren einmal Nachfahren des Ikarus - mit den Flügeln ihrer Maschinen meist der Erde zu nah. Jagdflieger, die in den Weltkriegen, in Korea oder Vietnam überlebten, wurden zur Legende - Zielinski kennt sie alle. Selbst als die Starfighter 1965 und 1966 zu Dutzenden vom Himmel fielen und die alte Bundesrepublik fassungslos mitzählte, lebte die Legende weiter.

Zielinski fliegt gemütlich ans Meer, knapp unter Überschallgeschwindigkeit

Mehr als hundert junge deutsche Soldaten starben bis in die Achtzigerjahre in dem unausgereiften Kampfjet, den der Volksmund "Witwenmacher" taufte, US-Piloten nannten ihn: "Der schöne Tod". Sie stiegen trotzdem weiter ein. Der Blockbuster "Top Gun" machte Kampfpiloten dann endgültig zu Popstars. Tom Cruise spielte damals - von Millionen bewundert - den übermütigen "Maverick". Die Werte, die er verkörperte, sind 30 Jahre später auch die von Martin Zielinski: Ehrgeiz, Disziplin, Kameradschaft.

Kampfpilot, das ist auch heute noch ein Traumberuf. Im vergangenen Jahr bewarben sich 1424 Menschen für den fliegerischen Dienst bei der Luftwaffe. Einer von hundert schafft es ins Cockpit, das ist die Faustregel. Es ist immer noch der schnellste Job, den Deutschland zu vergeben hat. Doch wer Martin Zielinski trifft, seinen kontrolliert vorgetragenen Schilderungen lauscht, der hat das Gefühl, dass vieles anders geworden ist seit "Top Gun".

Es ist ein milchig kühler Junitag, und Zielinski hat sich bei der Überführung des Eurofighters Zeit lassen können. Er ist die 640 Kilometer ans Meer gemütlich geflogen, knapp unter Überschallgeschwindigkeit, wie er sagt. Nach 50 Minuten ist er dann auf dem Fliegerhorst im ostfriesischen Wittmund gelandet. Hier packt Martin Zielinski den Pilotenhelm mit dem Visierschutz aus Tigerfellimitat in seine Fliegertasche und fährt wieder nach Hause. Regionalbahn bis Oldenburg, dort umsteigen in den ICE - ein Elitesoldat, abgebremst auf das Tempo eines Normalsterblichen.

Hatte er mehr erwartet? Das würde er nie sagen. Ein Elitepilot und Repräsentant der Bundeswehr jammert nicht, schon gar nicht im Interview. Er reiht geduldig Fakten aneinander, so sachlich und geordnet wie die Armatur in einem Cockpit, und doch ergibt sich am Ende eine Karriere, deren Treibstoff der Traum vom Fliegen war.

85 Kilo und ein Herz wie ein Ochse

Martin Zielinski, in Polen geboren, aufgewachsen in Nürnberg, der Vater Werkzeugmacher, die Mutter bei der Post. Als kleiner Junge ein Faible für Modellflugzeuge. Segelflugschein mit 14, Abitur, Auswahlverfahren zur Pilotenausbildung bei der Bundeswehr. 1,81 Meter, 85 Kilogramm. Ein Herz wie ein Ochse, sagen die Ärzte im Flugmedizinischen Institut.

Das brauchte er auch. Nicht für die Offizierschule in Fürstenfeldbruck, aber für die Kampfpilotenausbildung in Texas und Arizona. Beim Zentrifugaltest: ein Gesicht wie ein 80-Jähriger. Neun G hat sein Körper schon ausgehalten, doppelt so viel wie in einer extremen Achterbahn. Als Flieger heißt er "Botox". Wegen des makellosen Gesichts.

Der Spitzname war das kleinere Übel. Als Zielinski als junger Pilot nach Neuburg kam, wollten die Kollegen ihn nach dem Modedesigner Harald Glööckler benennen, wegen einer gewissen Ähnlichkeit. Er hat sich damals freikaufen müssen. Diese Art von Frotzeleien füllt die Mannschaftskasse der Elitetruppe.

Martin Zielinski Kampfjetpilot

74 000 PS stark: der Eurofighter.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

Zielinski fährt im ICE erster Klasse, sein Gehalt als Oberleutnant ist ordentlich, dazu kommt die Fliegerzulage. Er ist erst 27, sieht aber einige Jahre älter aus, wie immer, wenn er gerade Eurofighter geflogen ist. Er macht sich Sorgen wegen seines olivgrünen Pilotenanzugs, der "Libelle", hofft, im Zug nicht darauf angesprochen zu werden. Beim Karneval tragen Aufreißertypen gern eine Billigversion dieses Anzugs. Als "Pilot" landet man gut bei den Frauen im Partygetümmel, das Klischee ist also noch intakt. Es ist schon vorgekommen, dass Reisende ihn in seinem seltsamen Aufzug für einen Hochstapler hielten.

Heldengeschichten müssen nur zu 20 Prozent stimmen

Nach acht Stunden Zugfahrt ist Zielinski wieder zu Hause im oberbayerischen Neuburg an der Donau. Dort ist seine Einheit stationiert, das Taktische Luftwaffengeschwader 74, knapp über 1000 Soldaten, unter ihnen 35 Kampfpiloten. Zielinski fliegt in der "Zapata Staffel", benannt nach einem mexikanischen Revolutionsführer. Kampfpiloten mögen Heldengeschichten. Sie müssen auch nur zu 20 Prozent stimmen, sagen sie bei den "Zapatas".

Dreimal die Woche lenken sie ihre Eurofighter auf die Rollbahn, starten die 74 000 PS starken Triebwerke, ziehen die Steuerknüppel zum Körper, heben donnernd ab und werden nach Sekunden vom Himmel verschluckt. Kinder des Kalten Krieges erinnern sich in Neuburg noch an das Donnern und den Überschallknall der Tornados am Himmel. Längst gibt es ein weitreichendes Tiefflugverbot, die Tornados wurden in den Norden verlegt. "Hört man uns nicht, haben wir einen guten Job gemacht", sagt der Kommodore, der Chefpilot.

90 000 Euro kostet eine Stunde im Eurofighter. Weil der Bundeswehr das Geld fehlt, muss auch Zielinski immer öfter in den Simulator. Luftkrieg als Computerspiel. Bei der Luftwaffe gehen sie davon aus, dass der Eurofighter das letzte Jagdflugzeug sein wird. Bis 2025 soll die Bundeswehr Kampfdrohnen bekommen.

Die unbemannten Flugkörper kratzen am Selbstverständnis der Piloten. "Drohnen sind für viele von uns ein No-Go", sagt Zielinski. Und dass ihm heute die Anerkennung der Bevölkerung fehle. Es bleibt unklar, ob er die offene Bewunderung meint, die ihm bei der Ausbildung in den USA entgegenschlug. Er sagt: "Wir sind keine dunklen Rächer. Wir sind ein Schutzschild."

Testament nein, Lebensversicherung ja

Jede Woche sind die "Zapatas" binnen 15 Minuten in der Luft, wenn eine Passagiermaschine im süddeutschen Luftraum ihre Route verlässt oder der Kapitän wieder die falsche Funkfrequenz eingestellt hat. Es ist immer falscher Alarm, Zielinski und die Kollegen von der Alarmrotte sind trotzdem rund um die Uhr in Bereitschaft, um Terroranschläge zu verhindern.

Abschüsse von Passagierflugzeugen hat das Bundesverfassungsgericht verboten. Zielinski schießt nur im Simulator oder manchmal auf dem offenen Meer. "Kampfpilot ist eine Lebenseinstellung", sagt er, "aber wir fordern das Glück nicht heraus." Sie alle seien Sicherheitsfanatiker. Zielinski ist noch nie Fallschirm oder Bungee gesprungen.

Mit 41 Jahren wird er, wie fast alle Piloten, wegen der körperlichen Belastung in Rente gehen - mit einem schlauchartigen Herz, verzogenen Organen, vielleicht mit einem Bandscheibenvorfall. Ein Testament hat er nicht gemacht. Nur eine Lebensversicherung, die hat der Kampfpilot Martin Zielinski abgeschlossen.

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