Süddeutsche Zeitung

Professor Peter Häberle:Guttenbergs verzweifelter Doktorvater

Er gilt als Adam Riese des internationalen Rechts: Mit Peter Häberle als Doktorvater hat Guttenberg die Reputation eines angesehenen Staatsrechtlers missbraucht. Guttenbergs Plagiat ist für den fast 77-Jährigen eine schwere Kränkung.

Heribert Prantl

Prof. Dr. jur. Dr. h.c. mult. Peter Häberle ist ein großer Wissenschaftler, ein großer Rechtslehrer - und ein großer Menschenfreund: Er vertraut den Menschen, die mit ihm und bei ihm arbeiten, er vertraut ihnen ohne Arg und ohne jede Einschränkung. Er lädt sie zu sich ein, er diskutiert mit ihnen mit enthusiastischer Ernsthaftigkeit, er macht sie zu seinen geistigen Partnern. Dass einer von ihnen gegen die Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen könnte, auf so einen Gedanken ist Häberle nie gekommen. Es hatte ihn bisher auch keiner wirklich enttäuscht.

Der Lehrstuhl in Bayreuth war eine Kaderschmiede für Staatswissenschaftler, Verfassungsrechtler, Sozialwissenschaftler und Rechtsphilosophen. Die Häberlianer, seine ehemaligen Assistenten also, sitzen in den zahlreichen Universitäten als ordentliche Professoren. Seine Lehren werden von den Verfassungsgerichten in Europa, in Japan und Lateinamerika fast mit Ehrfurcht zitiert.

Verfassunggebende Versammlungen haben sich auf Häberle berufen. Er ist ein Adam Riese des internationalen Rechts, und dass einem "seiner" Leute schon die Grundrechenarten egal sein könnten, das war für ihn unvorstellbar. Daher hat Häberle die ersten Vorwürfe gegen seinen Doktoranden Guttenberg als "absurd" zurückgewiesen. Als freilich dann das Plagiat schwarz auf weiß feststand, als die Universität dem Freiherrn und Minister den Doktortitel entzog, war das für Häberle eine Katastrophe - eine persönliche Demütigung, eine Beleidigung, ja Verwüstung seines Lebenswerkes.

Häberle, der ein jovialer Mann ist, der seine Studenten begeistern und sich für sie zerreißen konnte, der ein Kümmerer für sie war auch noch nach seiner Emeritierung, hat sich zurückgezogen, abgeschottet, eingesperrt; er telefoniert nur noch mit wenigen wissenschaftlichen Freunden. Für ihn ist eine - seine - Welt zusammengebrochen. Wenn sich Guttenberg bei jemand entschuldigen muß, dann bei ihm, zu allererst.

Die Ehrlosigkeit des Doktoranden bereitet dem Doktorvater Pein

Guttenberg hat die Reputation und die elitäre Naivität seines alten, nun fast 77-jährigen Doktorvaters missbraucht. Häberle würde wohl seine vielen Ehrendoktortitel (der Universitäten in Thessaloniki, Granada, Lima, Brasilia, Tiflis und Buenos Aires) hergeben, wenn er damit die Ehrlosigkeit seines Doktoranden ungeschehen machen könnte.

Er hätte es merken müssen! Er, der die internationale Verfassungsvergleichung begründet, der die Rechtsvergleichung als "fünfte juristische Auslegungsmethode" eingeführt hat - er hat die Arbeit Guttenbergs nicht verglichen mit anderen, er hat sich blenden lassen vom Auftreten, vom Adel und von vermeintlicher Noblesse Guttenbergs; aber auch vom eigenen Stolz darauf, einen gestressten Politiker vermeintlich für Wissenschaft und Nachtarbeit begeistert und zur Promotion geführt zu haben. Und so galt Häberles großzügiges summa cum laude eigentlich nicht der Leistung Guttenbergs, sondern den Gedanken und Denkern, von denen Guttenberg abgeschrieben hat und dem gefälschten Eindruck, den er von ihm hatte.

Früher, wenn Häberle Schwieriges durchzustehen hatte, setzte er sich ans Klavier und spielte sich die Schwierigkeiten von der Seele. Das gelingt ihm diesmal nicht. Gegen die Guttenberg-Pein hilft nicht einmal Mozart, den er mehr verehrt als jeden Juristen. Er war zu gutmütig. "Gutmütigkeit ist ein Stück von der Liederlichkeit": Das ist ein Satz nicht von Konrad Hesse, dem Ex-Verfassungsrichter und genialen Lehrer von Peter Häberle. Das ist auch kein Satz vom ausgefuchsten Horst Ehmke, bei dem Häberle einst Assistent war. Es ist ein Spruch aus Häberles schwäbischer Heimat. Häberle büßt für seine Gutmütigkeit.

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SZ vom 28.02.2011/hai
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