Personal Branding:Sie sind ja 'ne Marke

Personal Branding: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Eigenmarke. Das muss keine selbstverliebte Nabelschau sein. Es kann auch von klaren Zielen zeugen.

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Eigenmarke. Das muss keine selbstverliebte Nabelschau sein. Es kann auch von klaren Zielen zeugen.

(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Wer etwas auf sich hält, betreibt heute Personal Branding. Doch vielen ist dieses Ego-Marketing auch zu aufgesetzt. Wozu soll das eigentlich gut sein?

Von Larissa Holzki

Angie Sebrich steht für den Neuanfang. Dabei liegt ihr eigener schon etwa 18 Jahre zurück. Damals hat die Programmdirektorin des Fernsehsenders MTV beschlossen: Ich werde Herbergsmutti. Seither leitet sie mit ihrem Mann eine bayerische Jugendherberge. Und wenn Redakteure einer Zeitung oder eines Fernsehsenders jemanden suchen, der authentisch über Glück durch Veränderung sprechen kann, dann rufen sie Angie Sebrich an, die "Vorzeige-Aussteigerin".

Die ehemalige Fernsehfrau habe damit etwas sehr Wertvolles, sagt der Markenexperte Stephan Raif: ein Personal Brand. Eine "Personenmarke" zu haben, bedeutet, von der Öffentlichkeit oder einer Branche einheitlich als Mensch wahrgenommen zu werden, der für bestimmte Erfahrungen, Kompetenzen oder Errungenschaften steht. Wie sich diese Marke einsetzen lässt, zeigt das Beispiel der Herbergsleiterin. "Angie Sebrich könnte jederzeit Botschafterin für Change und persönlichen Lifestyle werden", sagt Raif.

Bei "Personal Branding" denken viele an Selbstdarsteller, die immerzu auf Twitter, Xing und Instagram unterwegs sind und übermotiviert über sich selbst und ihre wundervollen Themen reden. Dabei ist die Idee, sich als Marke zu positionieren, älter als diese Medien.

Schon 1997 wandte sich der US-amerikanische Unternehmensberater Tom Peters in einem Beitrag an Berater und Dienstleister: "Wenn Sie schlau sind", schreibt er, "finden Sie heraus, was Sie von all den anderen schlauen Menschen mit ihren 1500-Dollar-Anzügen, leistungsstarken Laptops und gut polierten Lebensläufen unterscheidet. Und wenn Sie wirklich schlau sind, finden Sie heraus, was Sie brauchen, um Ihre spezifische Rolle zu finden - Sie kreieren eine Botschaft und eine Strategie, um sich selbst als Marke zu bewerben."

Menschen kaufen Emotionen

Wie wichtig die Reputation, ein Alleinstellungsmerkmal und der Wiedererkennungswert sind, begreift jeder Selbständige schnell. Der Kunde muss wissen, warum er sich für diesen Architekten, diese Anwältin, diesen Coach entscheiden soll. Viele Selbständige betreiben deshalb bewusst oder unbewusst Personal Branding. Tom Peters sieht in dem Konzept vom Menschen als Marke aber auch eine Chance für Mitarbeiter in Konzernen: Dienstleistungsunternehmen sind alle irgendwie gleich. Sie unterscheiden sich nur durch die Menschen, die sie beschäftigen. Ihr Charakter, ihre Motivation, ihre Fähigkeiten werden daher immer wichtiger.

"Menschen kaufen Emotionen", sagt die österreichische Unternehmensberaterin Ingrid Gerstbach. Das erklärt, warum die Persönlichkeit der Mitarbeiter für Firmen heute so wichtig ist. "Sie können sich leichter mit anderen Menschen als mit Unternehmen identifizieren. Wir folgen zum Beispiel bei einer Kaufentscheidung dem Rat von Menschen, die uns das Gefühl geben, dass sie uns verstehen, weil sie uns ähnlich sind."

Aber sollten Mitarbeiter und Unternehmen deshalb verschmelzen? Darauf hatte Tom Peters eine klare Antwort: Angestellte gehören nicht auf Lebenszeit zu einem Unternehmen, sie sind ihrer Funktion verhaftet, nicht durch ihre Jobbeschreibung beschränkt, schreibt er.

Das gilt heute mehr denn je. Die klassische Karriere über verschiedene Entwicklungsstufen in einer Firma wird zur Rarität. Häufiger werden Portfoliokarrieren: Menschen arbeiten zwei Monate in Berlin, gehen dann für ein Projekt nach Peking und nehmen von dort eine befristete Anstellung in Hamburg an. Sie arbeiten drei Tage die Woche in einem Unternehmen, um Geld zu verdienen, und bloggen die übrigen Tage zu ihrem Herzensthema. Sie können Personal Branding wie eine Story nutzen, die Kunden, Personalern und Lesern erklärt, wer sie sind und warum sie tun, was sie tun.

In fünf Schritten zur Eigenmarke

Ingrid Gerstbach arbeitet ständig an ihrer Personal Brand. Das mache ihr Freude. Die Beraterin arbeitet nach dem Design-Thinking-Ansatz. Dabei geht es darum, komplexe Probleme systematisch zu lösen und dabei - statt der technischen Lösbarkeit - die Wünsche der Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen. Weil der Ansatz gerade unter Beratern modern ist, muss sich Gerstbach von der Konkurrenz abheben: Die Beraterin will für Spaß bei der Arbeit stehen. Ein großes Bild auf ihrer Homepage zeigt sie lachend - mit offenem Mund und zusammengekniffenen Augen. Wo sie zu sehen ist, sieht man auch ihre schönen Zähne.

Aber wird ihr dieses Dauergrinsen nicht auch mal lästig? Nein, sagt die Beraterin. Wenn die Marke nur eine Fassade sei, dann koste das zu viel Energie. Außen und innen müssten zusammenpassen. "Für mich bedeutet Personal Branding, dass ich meine Stärken mutig nach außen stelle und zeige, was mich begeistert", sagt sie. An ihren Blogbeiträgen und Podcast-Aufnahmen arbeite sie auch nachts und am Wochenende. Aus purer Freude, sagt sie.

Stephan Raif kennt sich mit allen Arten von Marken aus: Automarken, Biermarken, Küchenmarken - und Personenmarken. Zu seinen Klienten gehören etwa Führungskräfte, deren Anteil am Erfolg ihres Teams untergeht. Sie machen sich Sorgen um ihr Fortkommen. In fünf Schritten arbeitet der Werbeprofi mit ihnen heraus, wie sie ihre Persönlichkeit zur Geltung bringen. Wie geht er dabei vor?

Welche sind Ihre Markenkernwerte?

Raif und seine Klienten sammeln zunächst 30, 40 positive Charaktereigenschaften der Person, wie kontaktfreudig, zupackend oder hinterfragend. Dann schaut sich der Berater an, welche Begriffe zusammengehören, bildet etwa einen analytischen, kommunikativen und kreativen Bereich und findet so fünf bis sieben Eigenschaften heraus, die typisch für die Person sind. "Wir beachten also viele Facetten bewusst nicht, damit wir klarer bei der Vermarktung sind", sagt Raif. Übrig bleiben dann die sogenannten Markenkernwerte.

Diese Werte werden schließlich auf das Supertypische verdichtet. Raif erklärt das am Beispiel berühmter Marken: "Bei Nivea ist jedes Produkt pflegend, bei Porsche sportlich." In fast jedem Freundeskreis gäbe es einen, von dem alle sagten, der sei einfach immer witzig. Dies ist dann der sogenannte Einwortwert. "Wenn Ihr Einwortwert beispielsweise 'witzig' ist, muss alles, was Sie kommunizieren, einen witzigen Charakter haben. Gut ist es, wenn Sie weitere Markenkernwerte einbringen. Dann kommunizieren Sie authentisch und werden wiedererkannt", sagt Raif.

Als Nächstes geht es dem Markenexperten um die Positionierung. Was tut der Klient heute für wen? Wofür ist die Klientin in ihrer aktuellen Position die Spezialistin? "Wenn Sie einen Bauchladen aufmachen und sagen, ich bin flexibel einsetzbar, ich habe schon dies und das gemacht, dann sind Sie völlig austauschbar." Die Kunst sei, ein Unterscheidungsmerkmal zu schaffen.

Markenstory statt Lebenslauf

An diesem Punkt der Markenentwicklung steht fest, wer die Person ist und was sie tut. Bleibt die Zukunftsperspektive: Wer ein visionäres Ziel habe, der wisse, warum er täglich tut, was er tut, sagt Raif - das motiviere und helfe bei Entscheidungen. Raif vergleicht es mit einem Leuchtturm: "Es ist nicht wichtig, ob es ein berufliches oder persönliches Ziel ist, das sie sich setzen, und auch nicht, ob Sie es je erreichen - ein Ziel hilft Ihnen auf jeden Fall, nicht die Richtung zu verlieren."

Ob bei Peters, Gerstbach oder Raif: Im Personal Branding geht es also immer darum, etwas herauszuarbeiten, was bereits da ist. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Eigenmarke. Erst dann kommt die Vermarktung - und die kann offensiv oder unauffällig betrieben werden, bei der Gestaltung des eigenen Profils im Karrierenetzwerk, bei der nächsten Gehaltsverhandlung, auf der persönlichen Homepage, bei einer Fachtagung, auf der man sein Netzwerk vergrößern möchte.

Was man dazu auf jeden Fall noch brauche, sei eine Markenstory, sagt Stephan Raif. Wer sich gut verkaufen will, sollte in einer Minute erklären können, worin er gut ist, was seine Spezialisierung ist, vielleicht sogar ein Angebot machen können oder sagen, wo es dazu mehr Informationen gibt. "Viele verfransen sich und erzählen lang und breit ihren Lebenslauf, wenn sie mal die Gelegenheit haben, sich kurz vorzustellen. Wenn es aber spannend wird, hört schon niemand mehr zu."

Angie Sebrich tut vorerst nichts, um ihr Personal Brand weiter zu vermarkten. Ab und zu gibt sie ein Interview. Zu wissen, wofür sie steht, gibt ihr aber eine Sicherheit: Wenn ihr das Leben als Herbergsmutter auf dem Berg zu öde wird, weiß sie, wie sie sich verkaufen kann.

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