Im Idealfall ist jede Schule eine polis, eine kleine Republik, in der Demokratie nicht nur gelehrt und gelernt, sondern gelebt wird. Die Schulgemeinschaft kann sich eine Verfassung geben, mancherorts erfindet sie sogar eine eigene Hymne. Außenstehende mögen die Verse belächeln, an den Schulen singt man sie aber oft voller Stolz: "Beim besten Willen kann ich nicht verstehn, dass viele nicht gern zur Schule gehn" (eine Schule in Mönchengladbach). Oder: "Alle zusammen, jeder macht mit - ich geb' mein Bestes, wir sind fit" (eine Schule bei Paderborn).
Vielen Staaten liegt jedoch vor allem an patriotischer Fitness und Treue zur großen Nation: In Brasilien ist gerade ein Gesetz in Kraft getreten, das die Schüler verpflichtet, einmal die Woche die Nationalhymne zu singen. In Japan ist es schon lange üblich, dass Lehrer und Schüler die Hymne anstimmen. Pädagogen, die sich weigern, müssen mit Strafen rechnen.
Auf dem Pausenhof die Hymne schmettern
Auch in Deutschland gab es immer mal wieder Vorstöße, Einigkeit und Recht und Freiheit in den Schulen zu beschwören. So haben die CDU in Sachsen und Markus Söder (CSU) in Bayern versucht, die Patriotismus-Sehnsucht der Konservativen zu stillen. Aber bei aller Entkrampfung: Kann und mag man sich vorstellen, dass die Schüler am Tag nach der Bundestagswahl auf dem Pausenhof die Hymne schmettern?
Ohne wochenlange Einstimmung im Deutsch-, Geschichts- und Musikunterricht kämen sie ohnehin nicht weit. Fast die Hälfte der Deutschen, besagt eine Umfrage, kennt den Text der Nationalhymne nicht. Und wer ihn kennt, hat noch schmerzhaft im Ohr, wie sich die Sängerin Sarah Connor im Fußballstadion verhaspelte: "Brüh im Lichte dieses Glückes. . ."
Dann doch lieber das kosmopolitische Lied einer Grundschule in Münster: "Wir kommen aus vielen Ländern, wir wollen etwas ändern. Egal wie oft man diskutiert, jeder wird hier respektiert."