Parteitag in Leipzig:CDU gibt Hauptschule auf

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Monatelang haben die Christdemokraten um das künftige Schulsystem gestritten, nun haben sie einen Beschluss gefasst - allerdings einen vagen: Die Partei empfiehlt die Zusammenführung von Haupt- und Realschulen. Hauptschulen soll es weiter geben - "wo diese funktionieren und dem Elternwillen entsprechen".

Die CDU setzt angesichts rapide abnehmender Schülerzahlen auf eine stärkere Verzahnung von Haupt- und Realschulen. In einem am Dienstag vom Leipziger Parteitag verabschiedeten Beschluss verweist die Partei auf positive Erfahrungen in Bundesländern, in denen beide Bildungswege bereits unter einem Dach angeboten werden. Dadurch werde die Durchlässigkeit zwischen beiden Bildungsgängen weiterentwickelt.

Entschlossen zum Schulkompromiss: Kanzlerin Angela Merkel (von rechts), Generalsekretär Hermann Gröhe, Umweltminister Norbert Röttgen und Bildungsministerin Anette Schavan. (Foto: Reuters)

"Eine einheitliche Bezeichnung für diese Schulform in allen Ländern - zum Beispiel Oberschule - wäre wünschenswert", heißt es in dem Papier. Allerdings beschränkt sich die CDU darauf, den Ländern dieses Modell lediglich zu empfehlen. Die ursprüngliche Version des Antrags des Bundesvorstands wurde damit deutlich abgeschwächt.

Die CDU reagierte auch auf innerparteiliche Kritik, sie wolle das Ende der Hauptschule besiegeln. Im ursprünglichen Papier war die Parteispitze für eine Reduzierung der Schulformen und die Einführung eines "Zwei-Wege-Modells in allen Ländern" eingetreten, das aus Gymnasium und Oberschule bestehen sollte.

Nun wurde in den Beschluss eine Formulierung aufgenommen, nach dem die Partei zu Haupt- und Realschulen sowie integrativen Schulformen stehe, "wo diese funktionieren und dem Elternwillen entsprechen". Vor allem die CDU-Landesverbände in Hessen und Baden-Württemberg hatten an dem zunächst viel klarer formulierten Aus für die bisherige Hauptschule Kritik geübt.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan sagte, notwendig sei eine Reaktion auf die um 30 Prozent sinkenden Schülerzahlen. Viele Schulstandorte könnten nur erhalten werden, wenn kluge Wege gefunden würden, um Haupt- und Realschulen zusammenzuführen, besonders auf dem Land. Zudem wünschten nur noch zwei Prozent der Eltern für ihre Kinder einen Platz in der Hauptschule.

Bekenntnis zum Zwei-Säulen-Modell

Zu dem Leitantrag wurden 1600 Änderungsanträge eingereicht - so viele wie nie zuvor in der CDU bei einem Thema. Hessens CDU-Fraktionschef Christean Wagner räumte zwar Akzeptanzprobleme der Hauptschule ein, bezeichnete sie aber als einen Grundsatz der CDU, der nicht über Bord geworfen werden dürfe.

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer mahnte, zur Sicherstellung eines guten Schulangebots dürfe nicht über die Frage gestritten werden, "an welcher Tür hängt welches Türschild". In einem Gebäude müssten unterschiedliche Bildungssysteme zusammengefasst werden. Sie versicherte, die "Hauptschulpädagogik" bleibe erhalten. Aber: "Wir bekennen uns zu diesem Zwei-Säulen-Modell."

Partei-Vizechefin Schavan stellte, wie zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel, klar, die CDU wolle keine Einheitsschule und bekenne sich zum Erhalt des Gymnasiums. Auch die duale Berufsausbildung stehe nicht infrage. Entsprechend bekennt sich die CDU in ihrem Beschluss zu einem "durchlässigen, leistungsfähigen, differenzierten und transparenten Bildungssystem".

Vor dem Hintergrund der 16 Kultusbürokratien macht sich die CDU zudem für die bessere Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen, Bildungsstandards und Bildungsplänen stark. Familien soll so der Umzug zwischen den Bundesländern erleichtert werden - was jährlich 80.000 Kinder betrifft.

Schleswig-Holsteins CDU-Landesvorsitzender Jost de Jager kritisierte, dass in Deutschland "in Sachen Schule" kein Mensch mehr verstehe, "was los ist". Niemand wolle eine zentrierte Bildungspolitik aus Berlin, aber der Föderalismus mit unterschiedlichsten Schulabschlüssen und Lehrplänen sei für Eltern und Schüler nicht mehr praktikabel und akzeptabel.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) mahnte, der Bildungsföderalismus solle nicht übertrieben werden. Die unterschiedlichen Schulformen dürften kein "Mobilitätshindernis" für Eltern werden, die umziehen wollten.

Der zum Abschluss des zweitägigen Kongresses gefasste Beschluss enthält allerdings keine Forderung nach Änderungen am bestehenden Kooperationsverbot von Bund und Ländern bei der Bildungsfinanzierung. Nach Ansicht Schavans kann es dabei nicht auf Dauer bleiben. Betroffen sei etwa im Wissenschaftssektor, wo sich eine erfolgreiche Kooperationskultur zwischen Bund und Ländern entwickelt habe. Auch für die Bildung müsse in den nächsten Jahren gelten: "Kindeswohl schlägt Kooperationsverbot".

Seit der Föderalismusreform ist es dem Bund untersagt, sich an der Finanzierung von Bildungsprojekten zu beteiligen. Dies ist allein Aufgabe der Länder. Auch der FDP-Parteitag hatte sich am Wochenende trotz Appellen von Generalsekretär Christian Lindner gegen eine Abschaffung gewandt.

Nach dem Willen der CDU soll es zudem künftig für alle Kinder ein verpflichtendes, beitragsfreies Kindergarten- oder Vorschuljahr vor der Einschulung geben. Schavan sagte: "Bildung ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts, die zentrale Frage für den Wohlstand und den Zusammenhalt unseres Landes." Es sei wichtiger denn je, dass jedes Kind ein gute Ausbildung habe.

Die CDU spricht sich außerdem für islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache und unter deutscher Schulaufsicht aus.

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