Osteopathie:Unter die Haut

Osteopathie: Barbara Pucci.

Barbara Pucci.

(Foto: privat)

Spannungszüge, Widerstände und Temperatur ertasten: Eine Osteopathin erklärt, wie sie spürt, was ihren Patienten fehlt.

Interview von Juliane von Wedemeyer

Barbara Pucci arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Osteopathin. Mit ihrem Mann führt sie eine Praxis in München. Beide haben eine Physiotherapie-Ausbildung und eine Zulassung zum Heilpraktiker.

SZ: Frau Pucci, manche Patienten sprechen von ihrem Osteopathen wie von einem Magier. Gehört ein bisschen Show zu Ihrem Beruf dazu?

Barbara Pucci: Für einige bestimmt. Für mich nicht. Allerdings wirkt für Patienten, die zum ersten Mal beim Osteopathen sind, vieles vielleicht tatsächlich geheimnisvoll oder gewöhnungsbedürftig. Schon, dass man ihnen und ihren Körpern so große Aufmerksamkeit schenkt. Wir untersuchen sie ja von Kopf bis Fuß. Häufig gibt es dabei Aha-Momente. Beispielsweise, wenn ich eine alte Verletzung im Gewebe entdecke. Dann erinnern sie sich: Ach ja, da bin ich mal gestürzt. Mich haben auch schon Patienten gefragt, ob ich eine Gabe habe.

Und, haben Sie?

Nein. Das ist auch nicht nötig. Ich würde sagen, die Grundvoraussetzung ist Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit zur Empathie und eine stabile Persönlichkeit. Die Palpationsfähigkeit lässt sich schulen.

Palpation?

Das Wort leitet sich vom lateinischen "palpare" ab, was so viel wie "streicheln" heißt. So bezeichnet man in der Medizin die Untersuchung des Körpers durchs Abtasten. Das lernen wir in unserer Ausbildung und durch jahrelange Erfahrung. In der menschlichen Großhirnrinde gibt es ein Areal für die Hände. Bei Blinden ist dieses Areal vergrößert. Weil sie ihren Tastsinn ständig trainieren - beispielsweise, wenn sie Braille-Schrift lesen -, bekommt das Gehirn unentwegt Reize und verschaltet sich weiter. Ich kann mir vorstellen, dass es bei Osteopathen ähnlich ist.

Mit welcher Erwartung kommen die Patienten zu Ihnen?

Manche kommen alle sechs Wochen, um sich sozusagen einem Check zu unterziehen. Wenn sich etwas anbahnt, können wir gegensteuern, eh es ein Problem wird. Für die meisten sind wir aber der letzte Anlaufpunkt, nachdem sie von einem Arzt zum anderen gegangen sind. Allerdings können auch wir ihre Erwartungen nicht immer erfüllen: Wer 20 Jahre Schmerzen gelitten hat, wird diese nicht in zwei, drei Behandlungen los.

Wie fühlen Sie, was den Patienten fehlt?

Wir spüren durch das Auflegen unserer Handflächen und Finger die Konsistenz des Gewebes unter der Haut. Ist da ein Spannungszug, ein Widerstand, oder ist es elastisch und durchlässig? Dafür gibt es bestimmte Handgriffe - kräftigere für die Muskeln und Knochen, zartere für die Organe im Bauchraum. Die Beweglichkeit der Gelenke testen wir im Links-rechts-Vergleich. Wichtig ist, dass man offen an die Untersuchung herangeht und nicht nach dem Motto: Ach, der Patient klagt über diese Beschwerden, dann muss er jenes Problem haben. Dafür muss man den Kopf frei haben.

Wie stellen Sie das an?

Vor jeder Untersuchung versuche ich mich zu erden. Ich stelle mich fest auf beide Beine und versuche meinen inneren Ruhepunkt zu finden. Während der Untersuchung konzentriere mich ganz auf den Körper des Patienten. Darum rede ich auch kaum dabei.

Und wie behandeln Sie?

Auch dafür gibt es Handgriffe. Mal geben wir Impulse, mal dehnen wir, mal bewegen wir. Unsere Patienten erhalten auch gymnastische Übungen als Hausaufgaben.

Ihre Hände sind Ihr wichtigstes Arbeitsinstrument. Haben Sie sie versichert?

Ich könnte mir vorstellen, dass es Kollegen gibt, die das tun. Ich habe nur eine ganz normale Berufsunfähigkeitsversicherung. Tatsächlich ist schon ein Schnitt mit dem Küchenmesser ein Problem. Ein Pflaster schränkt den Tastsinn sehr ein. Von einer Narbe ganz zu schweigen.

Gibt es etwas, auf das Sie zum Schutz Ihrer Hände ganz verzichten?

Ich achte zumindest sehr genau darauf, welche Sportart ich treibe. Mit meinen Kindern gehe ich jetzt im Winter trotzdem ab und an Schlittschuhlaufen. Oder auch mal Langlaufen mit meinem Mann. Im vergangenen Jahr bin ich dabei gestürzt. Auf meine Hand! Da lag ich auf dem Rücken wie ein Käfer. Statt mich aufzurappeln, habe ich erst einmal meine Hand untersucht. Es hat noch alles funktioniert. Das war mir in dem Moment das Wichtigste.

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