Wie wird entschieden, wenn es keinen Vorgesetzten mehr gibt? Traum-Ferienwohnungen hat ein System etabliert, das intern Beraterentscheid genannt wird. Wer eine Entscheidung trifft, macht dies vorab publik, spricht mit wichtigen Beteiligten, holt Informationen ein und fällt dann schließlich einen Entschluss. "Wir sind nicht in der Form demokratisch, dass hier alle über alles abstimmen", sagt Hensen.
Im Idealfall entscheidet jemand, der tatsächlich Ahnung hat unter Berücksichtigung aller wichtigen Argumente. Im Alltag sind es aber oft einfach die dominanten, lauten Kollegen, die sich durchsetzen, sagt Johanna Kraus. Sie ermüdet es, bei jeder Entscheidung wieder darum zu kämpfen, dass auch ihre Stimme gehört wird. Ihr wird auch die Verantwortung zu viel: "Entscheidungen über eine Kündigung oder Einstellung möchte ich nicht treffen." Ihrer Ansicht nach macht es Sinn, dass es dafür Chefs gibt, die sich bewusst für die hohe Verantwortung entschieden haben und auch entsprechend bezahlt werden.
Geschäftsführer gibt es auch bei Traum-Ferienwohnungen weiterhin - allein schon aus unternehmensrechtlichen Gründen, die Firma ist eine GmbH. Nicolaj Armbrust erlebt es als durchweg positiv, einen Großteil der Entscheidungskompetenz an die Mitarbeiter auszulagern: "Ich habe mich schon vorher als Coach gesehen und weniger als Chef, jetzt merke ich, dass ich effektiver bin, mich besser einbringen kann." Für ihn habe sich der Wechsel daher befreiend angefühlt. Immer wieder werde von den Mitarbeitern aber auch explizit Führung eingefordert - zum Beispiel eine Ansage, wie es künftig strategisch weitergehen soll im Unternehmen.
Das Fazit? Es bleibt ein Prozess!
Ein Jahr arbeitet Traum-Ferienwohnungen jetzt mit den neuen selbstorganisierten Strukturen. Das Fazit? Armbrust und Hensen sind zufrieden. Armbrust zufolge wurde eine enorme Potenzialentfaltung sichtbar: "Viele Mitarbeiter haben plötzlich Fähigkeiten und Kompetenzen einsetzen können, die weit über ihren bisherigen Aufgabenbereich hinausgehen." Hensen sagt, man arbeite effektiver, sei stärker auf die Kunden fokussiert. "Wir reden mehr, es kommen mehr Themen offen auf den Tisch - nach der alten Logik hätte uns das oft zu lange gedauert, letztlich bringt es aber die besseren Ergebnisse."
Der Organisationssoziologe Kühl sieht für Unternehmen in der zunehmend turbulenteren Wirtschaftswelt die Herausforderung, ständigen Wandel zu ermöglichen. Um eine Balance aus Stabilität und Flexibilität zu finden, helfe kein Standard-Rezept aus dem Management-Kochbuch. Das hat auch Geschäftsführer Armbrust erkannt: "Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass wir fertig sind." Es sei ein ständiger Prozess.
Nicht nur jedes Unternehmen muss eine individuelle Organisationsform finden, auch jeder Mitarbeiter. Kraus hat sich entschieden, das Unternehmen zu verlassen. Sie arbeitet jetzt wieder in einem Unternehmen mit Chefs und klaren Strukturen. "Aber wer weiß, vielleicht sehne ich mich irgendwann doch wieder nach abgeschafften Hierarchien."