Süddeutsche Zeitung

Online-Netzwerke im Job:Karriere-Fettnäpfchen Internet

Lesezeit: 3 min

Facebook, Twitter, Xing: Welche Kontakte darf ein Arbeitnehmer mit in den neuen Job nehmen? Und welche Infos sollten besser offline bleiben? Ein Fall für Arbeitsgerichte.

C. Demmer

Offiziell wird im Betrieb kurzgearbeitet, aber die Internet-Gemeinde weiß es besser. "Alle Maschinen laufen", funkt der Mitarbeiter via Twitter in die Welt. Was passiert, wenn der Arbeitgeber Wind davon bekommt?

Ein Vertriebsmitarbeiter soll sich, so will es der Chef, in verschiedene Benutzerforen einloggen und die eigenen Erzeugnisse in den Himmel loben. Muss er der Weisung Folge leisten?

Vielversprechender Kontakt

Die Volontärin in einer PR-Agentur hat beim Karrierenetzwerk Xing einen vielversprechenden Kundenkontakt aufgetan. Darf sie bei einem Arbeitgeberwechsel den Kunden mitnehmen?

Mit solchen Fragen beschäftigen sich heute noch nicht viele Arbeitnehmer, dafür aber Personalchefs, Fachjuristen und die Arbeitsgerichte. Der Grund: Die sozialen Netzwerke im Internet entwickeln ein Eigenleben, das nicht nur die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben sprengt, sondern auch die der bisher sauber getrennten juristischen Fachbereiche. Zwitschern und Bloggen können arbeitsrechtliche, aber auch urheber-, datenschutzrechtliche oder sogar strafrechtliche Fragen aufwerfen. "Das ist ein gigantischer Themenkomplex", sagt der auf soziale Netzwerke spezialisierte Rechtsanwalt Carsten Ulbricht von der Stuttgarter Kanzlei Diem & Partner, "da rollen große Probleme auf uns zu."

Privates Notizbuch

Weil es für viele dieser Probleme noch keine gefestigte Rechtsprechung gibt, orientieren sich die Gerichte im Streitfall entlang der bewährten Linien der Offline-Welt. Bisher musste kein Mitarbeiter beim Firmenwechsel sein privates Notizbuch herausrücken, selbst wenn darin die Geburtstage der wichtigsten Kunden festgehalten sind. Gehört das Buch oder der Taschencomputer jedoch der Firma, dann sind die darin enthaltenen Daten Eigentum des Arbeitgebers.

Ob also ein Mitarbeiter beim Wechsel des Arbeitsplatzes alle über Xing gewonnenen Kundendaten an den bisherigen Arbeitgeber herausgeben muss, hängt im Wesentlichen davon ab, ob es sich um einen privaten oder um einen von der Firma bezahlten Account handelt. "Dass ein Arbeitgeber vom Mitarbeiter den Zugang zu dessen privaten Xing-Account verlangen kann, dürfte die Ausnahme bleiben", sagt Ulbricht. "Im Normalfall muss der Mitarbeiter nur solche Informationen herausgeben, die erforderlich sind, damit das Unternehmen den Kundenkontakt weiterführen kann."

Besser raus aus dem Netz

Allerdings haben sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesarbeitsgericht in zurückliegenden Fällen anders entschieden. Ein Wettbewerbsverstoß kann auch dann vorliegen, wenn ein Mitarbeiter die Daten von Kunden als reiche Vorratssammlung auf einem privaten Notebook oder in einer privat angelegten Excel-Datei speichert. Entsprechend müssten auch die auf Xing oder einem anderen privaten Account liegenden Daten herausgegeben werden. Arbeitsrechtler raten wechselwilligen Arbeitnehmern deshalb vorsichtshalber davon ab, geschäftliche Kontaktpflege über soziale Netzwerke zu betreiben.

Mehr und mehr Unternehmen befürchten, dass ihre Mitarbeiter durch unreflektierte oder bewusst schädigende Nutzung der neuen Kommunikationsräume zu einem Gefahrenherd werden. Weil Facebook, Twitter und Co nicht nur in der Freizeit genutzt werden, sondern auch am Arbeitsplatz, und weil sich längst nicht jeder nur lobend über seinen Chef und die Firma äußert, stellen immer mehr Unternehmen Regeln auf für den Umgang mit den sozialen Netzwerken, sogenannte "Social Media Guidelines".

"Die Firmen können so festlegen, wie die Medien von ihren Mitarbeitern genutzt werden sollen", erklärt Carsten Ulbricht, "das ist sinnvoll und wichtig und wird auch in Deutschland verstärkt nachgefragt. Den Mitarbeitern zeigt es eine klare Linie auf, was erlaubt ist und was nicht. Das schafft Transparenz, und die Mitarbeiter werden für bestehende Risiken und etwaige Folgen sensibilisiert." Der Stuttgarter Jurist geht davon aus, dass der Betriebsrat bei der Erstellung dieses Regelwerks ein Mitspracherecht haben wird.

Keine falschen Tatsachen

Doch auch ohne "Social Media Guidelines" ist es untersagt, Unternehmensinterna im Internet zu veröffentlichen. "Über Kunden und die Qualität von Kundenbeziehungen, Absprachen und Konditionen sowie über Konkurrenzunternehmen sollte man sich auf keinen Fall äußern", warnt Ulbricht, "das kann arbeitsrechtliche Folgen nach sich ziehen." Grundsätzlich dürften Arbeitnehmer nicht gegen ihre Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verstoßen. "Bloß keine falschen Tatsachen über das eigene Unternehmen oder vertrauliche Informationen im Internet streuen", rät der Jurist, "da sollte man sehr vorsichtig sein."

Anzügliche Schmähkritik

Anders sieht es mit persönlichen Meinungsäußerungen aus - aber nur, wenn sie nach Dienstschluss ins Netz gestellt werden. "Natürlich darf man auch eine negative Meinung über das eigene Unternehmen oder den Chef äußern", sagt Ulbricht. "Aber wer das im Internet verbreiten will, sollte sich genau überlegen, wann er was schreibt." Noch ist die Grenze, was zulässig und was unzulässig ist, nicht klar festgezurrt. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist jedenfalls kein Freibrief für Geheimnisverrat, Beleidigungen oder üble Nachrede. Carsten Ulbricht: "Wenn sich ein Kommentar klar gegen den Arbeitgeber richtet oder als unzulässige Schmähkritik daherkommt oder sogar während der Arbeitszeit vom Firmencomputer aus ins Internet gestellt wird, dürfte eine Abmahnung berechtigt sein."

In den USA reißen sich die Internetnutzer mittlerweile am Riemen. Den Grund dafür erfährt, wer folgendes in eine Suchmaschine eingibt: "How I lost my job through twitter".

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SZ vom 13.02.2010/holz
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