Süddeutsche Zeitung

Offene Stellen:Warum Unternehmen kaum Fachkräfte im Ausland suchen

In Deutschland fehlen Fachkräfte und in Zukunft wird sich das noch verschlimmern. Trotzdem suchen Unternehmen selten im Ausland nach Mitarbeitern. Viele scheuen den vermeintlichen Aufwand - offenbar aus Unkenntnis.

Malte Conradi

Einigermaßen ratlos steht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vor den Ergebnissen einer Studie zum Fachkräftemangel in Deutschland. Demnach können 37 Prozent der Unternehmen auf Mitarbeitersuche offene Stellen nicht besetzen, weil sie keine passenden Bewerber finden. 40 Prozent der befragten Arbeitgeber erwarten, dass sie in fünf Jahren noch mehr offene Stellen haben werden als heute. Doch zugleich hat gerade einmal jedes vierte Unternehmen, das Jobs zu vergeben hätte, es überhaupt versucht, einen ausländischen Mitarbeiter zu gewinnen. Erst kürzlich hat die Bundesagentur für Arbeit darauf hingewiesen, dass die Hälfte des zu erwartenden Fachkräftemangels aus dem Ausland gedeckt werden muss. Für ihre Studie hat die OECD mehr als tausend Unternehmen mit mindestens zehn Angestellten befragt.

Der Befund ist umso erstaunlicher, betrachtet man die Gründe, die Arbeitgeber für ihre Zurückhaltung auf dem ausländischen Arbeitsmarkt angeben. Am häufigsten nannten sie zu komplizierte Verwaltungsangelegenheiten, Probleme mit der Aufenthaltserlaubnis sowie mangelhafte Deutschkenntnisse möglicher Bewerber. Abgesehen von den Sprachkenntnissen können diese Probleme zumindest innerhalb der EU mit ihrer völligen Freizügigkeit eigentlich als gelöst angesehen werden.

Eine Erklärung für den scheinbaren Widerspruch könnte sein, dass es vor allem kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 500 Angestellten sind, die Stellen nicht besetzen konnten. Offenbar scheuen viele aus Unkenntnis den vermeintlichen Aufwand einer Rekrutierung im Ausland. Denn wer in der Vergangenheit schon einmal einen Ausländer eingestellt hat, bei dem steigt die Bereitschaft, es erneut zu versuchen, dramatisch an.

Jean-Christophe Dumont, Leiter der Abteilung Migration bei der OECD, vermutet indes, dass der zunehmende Arbeitskräftemangel bald zu einem Umdenken in den Unternehmen führen wird. Genauso wie bei ausländischen Arbeitskräften: "Die ökonomische Situation in den meisten Herkunftsländern war zuletzt gut. Es dauert nun ein wenig, bis sich herumgesprochen hat, dass es in Deutschland Jobs gibt."

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Quelle:
SZ vom 10.12.2011/tina
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