Nürnberg (dpa) - 30 Jahre nach der Wiedervereinigung haben sich westdeutsche Frauen in Sachen Rückkehr in den Beruf nach der Schwangerschaft den Ostdeutschen oft angepasst - auch wenn Traditionen noch immer dominieren. Das ist das Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlerinnen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), des University College London, der Queen Mary's University London und der Universität Köln, die am Freitag veröffentlicht wurde.
Der Studie liegt laut IAB eine Vollerhebung des anonymisierten Datenmaterials der Bundesagentur für Arbeit zugrunde. Davon sei ein Stichprobe von 50 Prozent gezogen worden. Damit sei die Hälfte aller deutschen Frauen, von denen Sozialversicherungsdaten existieren, der Jahrgänge 1946 bis 1994 in die Studie eingeflossen. Besonders seien die Mütter betrachet worden, die zwischen 1986 und 2006 in den Mutterschutz gegangen sind.
„Nach der Wiedervereinigung, die viele Ost- und Westdeutsche plötzlich mit der jeweils anderen Kultur konfrontierte, kam es durch die darauffolgenden Migrations- und Pendlerströme zu einem regen Austausch zwischen beiden Kulturen“, heißt es in der Untersuchung. Die Unterschiede seien nach wie vor groß.
Während sich ost- und westdeutsche Frauen im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes gleich verhielten, kehrten viele ostdeutsche Mütter nach einem Jahr in den Beruf zurück, wie es der Norm der DDR entsprach. Dort wurde Frauen ein vollbezahltes Babyjahr gewährt. Nach zwei Jahren seien 50 Prozent der ostdeutschen Mütter wieder regulär beschäftigt, hieß es. In Westdeutschland hingegen seien die 50 Prozent erst nach drei Jahren erreicht.
Die Folgen seien finanziell gravierend: Sieben Jahre nach der Geburt verdienten ostdeutsche Frauen im Schnitt wieder 70 Prozent des Einkommens, das sie vor der Geburt bekamen. In Westdeutschland liege die Quote zum selben Zeitpunkt nur bei 45 Prozent.
Arbeiten westdeutsche Frauen in Ostdeutschland, passten sie sich den Gegebenheiten vor Ort an und übernähmen die Muster ostdeutscher Frauen, fanden die Wissenschaftlerinnen heraus. Arbeiten hingegen ostdeutsche Frauen in Westdeutschland, bleiben sie mehrheitlich ihrem tradierten Verhalten treu. Eine Ostdeutsche, die in Westdeutschland arbeite, habe eine um 7,9 Prozentpunkte erhöhte Wahrscheinlichkeit, vier Jahren nach der Geburt noch regulär beschäftigt zu sein, die Wahrscheinlichkeit eine Vollzeitstelle zu haben ist noch um 5,1 Punkte erhöht.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die kindliche Prägung für Frauen, die in einer Gesellschaft mit stärker angeglichenen Rollenbildern der Geschlechter aufgewachsen sind, eine größere Bedeutung für ihre Rückkehrentscheidung nach der Geburt hat (66 Prozent) als das aktuelle kulturelle Umfeld (32 Prozent)“, schreiben die Wissenschaftlerinnen. Im Vergleich dazu würden Frauen, die in einer traditionelleren Kultur aufgewachsen sind, im Erwachsenenalter stark von einem Umfeld mit weniger traditionellen Rollenverteilungen beeinflusst.
Weibliche Beschäftigte hätten selbst dann ihr Rückkehrverhalten nach der Geburt geändert, wenn sie zwar nie selbst in einem der neuen Bundesländer gearbeitet hatten, aber mit Frauen aus Ostdeutschland in einem westdeutschen Betrieb zusammenarbeitet haben.