NRW will Studiengebühren abschaffen:Uni? Gratis!

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Auch in Nordrhein-Westfalen sollen die Semestergebühren wegfallen - aber erst im Winter des kommenden Jahres. Das hat seine Gründe - und sorgt prompt für neue Proteste.

Johann Osel

Trotz Forderungen von Studentenverbänden und der Linkspartei, die Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen sofort zu streichen, bleibt die rot-grüne Landesregierung bei ihrem Zeitplan: Das Kabinett von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) beschloss am Dienstagabend einen Gesetzentwurf, der zum Wintersemester 2011/2012 das Ende der Gebühren an den Hochschulen des Landes vorsieht.

Außer in NRW gibt es Gebühren in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg (dort sind sie nach dem Studium fällig). Hessen und das Saarland haben sie wieder abgeschafft. (Foto: SZ Grafik)

Als Ausgleich für die wegfallenden Mittel sollen die Hochschulen von diesem Zeitpunkt an 249 Millionen Euro im Jahr aus dem Haushalt erhalten. Im Jahr 2009 lag das Gesamtaufkommen der Beiträge bei etwa dieser Summe. Derzeit werden bis zu 500 Euro pro Semester erhoben, 31 von 36 öffentlichen Hochschulen in NRW machen davon Gebrauch. Kraft war im Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten, die 2005 von der schwarz-gelben Regierung eingeführten Gebühren zu streichen - sofern geklärt sei, wie die finanziellen Ausfälle für die Hochschulen kompensiert werden können.

"Ein Studium scheitert gerade für Schulabgänger aus bildungsfernen Schichten an der Finanzierung und der Angst vor Verschuldung. Studiengebühren verstärken dies, das können und wollen wir uns nicht länger leisten", sagte Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD). Um die Pläne umsetzen zu können, benötigt die rot-grüne Minderheitsregierung im Landtag die Unterstützung der Opposition. CDU und FDP sind für die Beibehaltung der Gebühren. Die Linke hingegen besteht auf eine sofortige Abschaffung. Deren bildungspolitische Sprecherin im Landtag, Gunhild Böth, warf der Regierung "vorgeschobene Verwaltungsverfahren und Haushaltszwänge" vor, die Ausfälle für die Hochschulen könnten schon mit dem geplanten Nachtragshaushalt für das laufende Jahr kompensiert werden. "Die Linke wird an der Seite der Studierenden zu jedem unerträglichen Gebührensemester auf die Straße gehen", kündigte Böth an.

Dennoch gilt es als unwahrscheinlich, dass sich die Linke-Fraktion im Landtag der späteren Abschaffung verweigert - die Partei würde damit ein Kernanliegen aus taktischen Gründen fallenlassen. Ähnlich sieht es bei Studentenvertretern aus: Sie begrüßten zwar die Initiative der Regierung, kritisierten aber, dass sie die Gebühren zu spät abschaffe. "SPD und Grüne haben den Studierenden im Wahlkampf die zeitnahe Abschaffung versprochen. Haushaltstechnisch ist dies immer noch möglich", sagte Patrick Schnepper vom Asta der Uni Köln.

Bevor die Gebühren gestrichen werden könnten, müsse erst beschlossen sein, wie sich die zusätzlichen Ausgaben im Jahr 2011 ausgleichen ließen - und das werde nicht vor dem Frühjahr der Fall sein, sagte Ministerin Schulze. "Klar ist: Die Hochschulen brauchen das Geld. Niemand hat ein Interesse daran, dass jetzt erfolgreiche Programme, die Studienbedingungen verbessern, gestoppt werden." Tatsächlich hat die Einführung der Beiträge Verbesserungen gebracht, vor allem wurden vielerorts zusätzliche Dozenten eingestellt - "gebührenfinanzierte Stellen". Daher hatten sich die Rektoren in NRW schon im Wahlkampf für den Erhalt der Gebühren stark gemacht. "Ein kalter Ausstieg - ohne dass die Beiträge vom Land aufgefangen werden - würde uns in die Steinzeit zurück katapultieren", hieß es damals.

Nach geltender Regelung muss eine Hochschule mehr Studenten aufnehmen, wenn sie mehr Geld vom Land bekommt. Schulze will daher durch eine Klausel im Gesetz diesen Mechanismus aufheben.

Außer in NRW gibt es Gebühren in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg (dort sind sie nach dem Studium fällig). Hessen und das Saarland haben sie wieder abgeschafft. Inwiefern Gebühren vom Studium abschrecken, ist umstritten: Studien des Deutschen Studentenwerks (DSW) stellen zwar keine direkte "Gebührenflucht" fest. Jedoch lebt demnach ein Viertel der Gebührenzahler in sozial angespannten Verhältnissen, Studenten aus kleinen Verhältnissen müssen oft jobben oder Kredite aufnehmen. DSW-Präsident Rolf Dobischat warnt daher: "Schafft es ein Kind, trotz der Selektion im Schulsystem, aus einer einkommensschwächeren Familie an die Hochschule, steht es vor einer neuen Hürde."

© SZ vom 02.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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